Die Assassine lockt mit ihrem Sirenengesang, um einen selbst dort aufschlagen zu lassen, wo kein Gras mehr wächst und in bedrückender Dunkelheit einzelne Harmonien in grellem Schein die Augen zum Erblinden bringen. Anstrengung, Hysterie und Bruder & Schwester. Dag för Dag bringen mit Boo alles zusammen, was nicht zusammengehört und lassen einen dabei wieder an Geistergeschichten glauben.
Sie sind ein Trio, aber dann doch eigentlich nur ein Duett. Im Jahre 1977 wurde das Geschwisterpaar Sarah Parthemore Snavely und Jacob Donald Snavely in Südkalifornien geboren und wuchs gemeinsam im nordamerikanischen Missoula/Montana auf. Bis hierhin eigentlich eine für Americana geschaffene Musterkindheit, doch trennten sich die Eltern der beiden Geschwister und rissen Bruder und Schwester auseinander auf eine jeweilig jahrelange Reise durch unterschiedliche neue Heimatorte, wie Wisconsin, Honolulu, London…Erst vor sieben Jahren fanden Sarah und Jacob wieder zueinander, verlagerten ihre gemeinsame Heimat nach Stockholm und leisten seit zwei Jahren als Dag för Dag ihren Beitrag zur internationalen Musikwelt. Als Support von Bands wie Wolf Parade, Lykke Li und The Kills bereisten sie bereits unterschiedliche Länder und brachten 2009 ihre erste EP „Shooting From The Shadows“ beim amerikanischen Label Saddle Creek heraus.
Boo ist nun das folgende Debütalbum der schwedischen Band und dieses trägt bereits nach einem kurzen Intro mit dem Opener „I Am An Assassin“ zu einem verzerrten Bild bei, das jegliche Vorurteile von schwedischer Sanftheit oder gelassener Popmusik zu Boden schmettert und dort angekommen auch noch die letzten Zähne austritt. Ein stetiger Drumsound, der sich mit einem treibenden Bass überlagert und dann von Sarah Parthemore Snavelys verzerrter Stimme in die Höhe getrieben wird, bis es beinahe schon schmerzt. Dies bietet die Grundlage für eine Simplizität, die sich nicht beschränken will und sich stattdessen eher in nackten Variationen verliert. Dabei wird wenig auf eine breite Palette an Instrumenten zurückgegriffen, sondern viel mehr mit Effekten und Harmonien gespielt, damit sich auch mit bei jedem Song ein anderes Klangbild die musikalische Welt neu erschafft.
Manchmal wirken Dag för Dag dabei an einigen Stellen wie eine neuzeitliche Version von Jefferson Airplane, ist Boo schließlich auch zum Teil wie ein Zahnarztbesuch auf Acid. Kondition ist dabei das Schlüsselwort, an dem man sich festhalten muss, denn hier wird so oft mit anstrengenden Stilmitteln gearbeitet, die über einige Songs hinweg Energien ansammeln lassen, dass man es manchen Stellen kaum noch aushält und vergeblich darauf wartet, dass sich doch schlussendlich Gitarrenwände auftun oder Sarah Parthemore Snavelys Gesang zu einem herausbrechenden Geschrei mutiert. Anstrengung und Unsicherheit als zentrale zwischenmusikalische Topoi, die sich im krächzenden Gitarrenklang, dem simplen Bassfiguren oder der geisterhaft anmutenden Stimme Sarahs wiederspiegeln. Ein Album wie ein Horrorfilm auf höchstem Niveau, mit der Fähigkeit jederzeit wieder zu fesseln und zu begeistern, gerade weil man nicht fassen kann, was hier überhaupt so fesselt und begeistert. Dabei ständig mit einem Schauer im Nacken und der Faszination, etwas zu erleben, das nicht oft auf einen wartet. Vielleicht sollte man manchmal aber auch nur einfach mal wieder anfangen, an Monster unter dem Bett zu glauben.
„Boo“ erschien am 12.02.2010 bei Haldern Pop Recordings.