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Deftones – Diamond Eyes

Durchschnittlich aussergewöhnlich! Sie können sich das leisten. Diamond Eyes wirkt wie aus dem Ärmel geschüttelt. Die Band spielt noch immer in einer höheren Liga, als alle anderen. Tritt aber mit viel Vermögen auf der Stelle. Doch wie lange kann das noch gut gehen? Oder anders gefragt: Liegt das Grundproblem ihrer letzten Veröffentlichungen im Grunde nicht weit in der Vergangenheit?

Ob nun bewusst konstruiert oder nicht: Die Deftones basteln seit Jahren an ihrem eigenen Mythos. Die Reibung unter den Mitgliedern ist immens. Sänger Chino Moreno verschwindet schon mal bei laufenden Aufnahmen und taucht unter. Es existiert ein Album namens Eros, dass sie nicht veröffentlichen wollen. Ihr Bassist Chi Cheng liegt im Koma und reisst eine weitere markante Kerbe in ihre Band-Biographie. Vielleicht sogar markanter als ihr neues Album selbst.
Dabei ist Diamond Eyes ein großartiges Album. Es hat Kraft, es besitzt diesen Gewissen Grad an Härte für die man die Deftones so liebt und setzt weiterhin auf Melodien, die nie verblühen. Doch eine Frage als Einschub: Welche Songs fallen einem spontan von den letzten Alben ein? Und welche von früheren? So großartig Saturday Night Wrist und Deftones auch sind. Sie bewegen sich auf einem Level, dass die Intensität und vor allem Emotionalität der älteren Alben nicht einfangen kann. Sie zeigen nur Veränderungen in Nuancen. Keine Ausbrüche. Erfüllen Erwartungen. Erweitern ihr Live-Set mit einer erschreckenden Konstanz um fantastische Songs, aber Überraschungen bleiben aus. Ja sogar die Reihenfolge der Songs wirkt mittlerweile etwas berechenbar.
Was ist wenn die Hörerschaft sich in vielen Jahren auf Songs wie Digithal Bath, My own Summer oder Change beruft, aber neuere Großtaten wie auf der Strecke bleiben, weil man auf sie eingestellt war und sie daher weniger eruptiv einschlagen konnten? Aber was ist eigentlich überhaupt für ein Vorwurf?
Vielleicht nichts weiter, als eine Ausgeburt unserer heutigen Leistungsgesellschaft, in der Kontinuität nicht genug ist? Die Leistung der Deftones ist es auf hohem Niveau und einer beachtlichen Konstanz gute Alben zu veröffentlichen und dabei nicht zu enttäuschen. Die Betonung liegt auf Alben. Viele andere Bands scheitern allein an diesem Punkt. Die Deftones dagegen haben eifrig an ihrem Alleinstellungsmerkmalen gefeilt und haben Alben geschrieben die schon heute den Titel ‚Klassiker‘ verdienen.
Also suchen wir nicht nach dem Makel: Diamond Eyes öffnet sich ein Stück weiter dem Pop und einer etwas runderen Sound-Ästhetik und ist damit weniger düster. Prince, der Titeltrack Diamond Eyes und Beauty School sind die herausragenden Songs dieses Albums und sowohl alte als auch neue Fans werden Diamond Eyes nicht verschmähen können. Es gibt übrigens auch keinen echten Ausfall auf Diamond Eyes: Chino Moreno ist stimmlich top-fit und zerreisst sich ein um das andere Mal (Royal, Cmnd/Ctrl/Rocket Skates) und Soundtüftler Frank Delgado hat noch hörbarer als sonst seine Finger im Spiel, um mehr klangliche Räume zu schaffen.
Der Umstand das Bassist Chi Cheng seit nunmehr über einem Jahr im Koma liegt schwebt zudem wie ein Schatten über diesem Album. Und da ist sie dann doch wieder: Die Emotionalität. Schließlich ist es der erste echte Riss im ohnehin so fragilen Bandgefüge und von tragischer Natur. Die Internet-Plattform www.oneloveforchi.com hält alle Freunde und Fans über den gesundheitlichen Zustand des Deftones Bassisten auf dem Laufenden. Ersetzt wird er aktuell durch den ehemaligen Quicksand-Musiker Sergio Vega, der Chi schon einmal auf einer Tour würdig vertreten hatte.
Dennoch bleibt die Erkenntnis: Ein weiteres Album dieser Mach-Art sollten sich die Deftones zweimal überlegen, denn eine Band von ihrem Format kann selbst bestimmen wo ihr Zenit liegt. Diamond Eyes bietet zu wenige Überraschungen, hat aber die Band wieder enger zusammenrücken lassen. Und das zählt viel. Wünschen wir Chi Cheng weiterhin alles Gute.

2 comments

  1. Juls says:

    Zuerst empfand ich Diamond Eyes enttäuschend. Die Vinyl-Version in Weiß wirkte in der ersten Zeit für mich als das einzige Pluspunkt. Jedoch je öfters die Scheibe auf dem Plattenteller tönte wurden die Songs immer besser. So wirklich durchschnitlich klingt das Ganze nicht. Der Aufbruch wird einem erst später offenbar. Jetzt liebe ich das Album.

  2. Shú says:

    Ja das Wort durschnittlich ist tatsächlich nicht unbedingt sehr zutreffend, denn egal was die Deftones bislang veröffentlicht haben – es war immer – egal ob sie geschwächelt haben oder nicht – immer noch aussergewöhnlich.
    einen sänger wie chino moreno gibt es nunmal kein zweites mal und den sound den die kalifornier für sich gefunden haben sucht ebenfalls seines gleichen.
    dennoch bleibt für mich die these: was bleibt am ende von der gesamt diskographie hängen … sagen wir in 10 Jahren.
    aber wie ich schon im artikel sagte : warum immer nach nem makel suchen.
    ich liebe diamond eyes ebenfalls :)

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