Wenn es in Hamburg einen Club gibt, der immer wieder eindrucksvoll beweist, dass er irgendwie ganz schön anders ist, dann wohl das Uebel&Gefährlich. Als ob die Dachterasse, das vergoldete Raucherzimmer und ein interaktiver Fahrstuhl nicht schon genug wären, lockt der Hamburger Lieblingsschuppen auch noch regelmäßig mit Veranstaltungen, die das Herz des Publikums in anderem Takt schlagen lassen. Der neuste Trend à la Ue&G: Sommerfestspiele – mitten im Winter.
Schon am Einlass ging es los: Anstatt eines schlecht gelaunten Kartenabreißers stand niemand geringeres als Rasmus Engler zur Verfügung, um frierenden Menschen den Weg in die heiligen Hallen zu ebnen. Ab und an verschenkte er dann auch mal eine Pistazie, sehr freundlich. Auch die Fahrstuhlfahrt war berauschend wie immer und auf dem Weg in die Höhen des Bunkers wurde das Gewummer hinter den dicken Wänden bereits immer deutlicher hörbar. Schon etwa eine Stunde bevor der erste Künstler die Bühne betreten sollte, war der Ballsaal gut gefüllt und junge Menschen zuckten zu elektronischer Musik und beschäftigten sich ausgiebig mit alkoholischen Getränken. So soll das sein. Die hier Schreibende becherte im Verlauf des Abends übrigens auch eine ganze Menge, sodass die Erinnerung ab ca. 00.30 Uhr doch ziemlich verschwommen ist. Zu Risiken und Nebenwirkungen checken Sie die Inhaltsstoffe oder befragen sie ihren Barkeeper.
Wie auch immer, als Bodi Bill die Bühne betraten, waren ziemlich alle noch ganz klar im Kopf, außer die Band selbst. Sprachprobleme stellten sich ein. Man sagte, dass man nach so einer langen Tour im Ausland natürlich gerne mal die deutsche und englische Sprache verwechselt und entschuldigte sich für unfreiwillige Anglizismen bei der Publikumsbegrüßung. Macht nichts, Jungs, jetzt haut mal in die Tasten. Und genau das ging dann ja doch sehr souverän von der Bühne. Schlacksige junge Männer torkeln in Röhrenjeans über die Bretter, bringen die Luft zum Vibrieren und Damen zum Jauchzen. Die Leinwand im Hintergrund hatte besonders seinen Reiz. Visualisierungen und Sätze, die zum Nachdenken anregen, flackerten in stetigem Wechsel über den Bildschirm. Nach gut einer Stunden und herzerwärmenden sowie tanzbaren Krachern ihrer bis dato zwei Platten kam der ausdrucksstarke Auftritt dann zum Ende und Sänger Fabian Fenk räkelte sich bei den letzten Tönen energisch auf dem Bühnenboden. That’s what I call Rock’n’Minimal, man.
In der nun folgenden Pause konnte man tun, was man eben so tut, wenn Pause ist. Im goldenen Raucherzimmer die brandneu eingerichtete Lüftung vollqualmen, das Klo besuchen, reden oder sich einen Aufenthalt an der – zu diesen Zeitpunkten oftmals hoch frequentierten – Bar gönnen.
Allzu lange sollte man sich aber nicht entspannen, denn es sollte nicht lange dauern, bis man das Jeans Team beim Bühnenaufbau beobachten konnte. Wie üblich hatten sie die nötige Elektronik dabei – Was im Fall von Jeans Team nicht nur die Instrumente sind. Ein überdimensionaler Schriftzug des Bandlogos und einige Sterne sollten in der nun folgenden Stunde die Bühne zum Leuchten bringen. Kaum war das Licht im Saal gedimmt und der Blick auf die Bühne gerichtet, war auch schon für die richtige Stimmung gesorgt. Es war nun kurz nach 23 Uhr, da kann man schon mal gut auf die Tube drücken. Jeans Team ließen sich nicht zweimal bitten und begannen mit „Oh Bauer“, einer in tanzbaren Sounds verpackten Hommage an die Landwirtschaft. Das unhaltbare Herumgezappel (sagt man Tanzen?) von Sänger Reimo steckte das Publikum fix an. Spätestens als die Hits „Königin“, „Waffenladen“ und „Keine Melodien“ an der Reihe waren, sprangen die letzten Funken über. Auch die Indie-Girls, die nur einen Song dieser Band kennen, nämlich „Das Zelt“, wurden kurzzeitig gröhlend erwischt, als ebendieser angespielt wurde. Schweißgebadet verließen die beiden Herren Jeans Team nach einem actionreichen Set die Bühne und machten Platz für die Helden des Tages: Bratze.
Helden des Tages aus folgendem Grund: Es ist ja so, dass Bratze 2007 ihr Album Kraft herausbrachten. Und auch die EP Waffe noch hinterher schmetterten. Es ist zusätzlich ebenfalls Fakt, dass sie in den letzten beiden Jahren daher quasi nonstop auf Tour waren und unzählige T-Shirts durchnässten. Genau an diesem Abend sollte dem aber vorzeitig ein Ende gesetzt werden, denn Kevin und Norman wollen sich auf ihre anderen Projekte konzentrieren. Wie man weiß, heißt „andere Projekte“ in diesem Fall nur Gutes, nämlich Clickclickdecker und Der Tante Renate, aber ein wenig Traurigkeit lag da schon in der Luft, als die beiden die Bühne enterten. Das war aber schnell vergessen, denn Bratze gaben, O-Ton, „nochmal richtig Gas“. Man muss allerdings wissen, dass es inzwischen später als 1 Uhr in der Nacht war und das weiter oben beschrieben Alkoholproblem nun langsam einsetzte. Welche Songs sie genau spielten, ist daher also für mich nicht mehr genau nachzuvollziehen. Ich weiß aber, dass es gut war, denn ich habe getanzt und die Menschen um mich herum offensichtlich ebenfalls und mitgesungen wurde auch. Nur so viel: Die „Filzlaus“ war dabei, der Beat hängt noch heute in meinem Trommelfell. Und ich erinnere mich dunkel an einen Song von Escapado, den Bratze im Remix spielten. Es war „Verbindung“, genau. „Aggressor“ gab es auch noch auf die Ohren, „Dudikoff“ ebenso. Na also, alles halb so schlimm mit dem Alkohol.
Wer nun noch Bock hatte, konnte Bratze ins Hafenklang folgen (Der Abschied muss schließlich gebührend mit einem weiteren Konzert gefeiert werden), oder bei den DJ’s im Ue&G die Zeit verfließen lassen. Hamburger Prominenz wie Frank Spilker, Richard von der Schulenburg und Tobias Schmid kündigten sich für die Turntables an – Da kann man wirklich nicht meckern. Was für ein Abend in dieser Stadt, großartig. Wie sagten Jeans Team schon so passend: „Dies wirst du so leicht nicht vergessen, Baby.“
Sehr schöner Bericht!