Zwei Violinen, eine Bratsche und ein Violencello. Eine instrumentale Zusammensetzung wie sie bereits die großen musikalischen Helden Haydn, Mozart oder Bartholdy nutzten, um die Kammermusik in unbändige Sphären zu treiben und einen Prüfstein für das komponistische Können zu setzen. Das Streichquartett als musikalische Herausforderung. Dies dachten sich auch die Hamburger Jungs von kettcar und laden auf ihrer ersten Live-DVD „Live auf Kampnagel 5:43 A.M.“ ein, diesem ungewohnten Scheitern beizuwohnen.
Im Grunde genommen können kettcar nicht mehr viel falsch machen. Seit sie sich 2002 mit Du und wieviel von deinen Freunden aufmachten, der deutschen Musikwelt ihre Befindlichkeitsfixiertheit näher zu bringen und damit genügend Leben retteten, hat ihnen jedes darauf folgende Album eine noch solidere Basis an treuen Zuhörern erspielt. Mit Schweiß und Spucke zum „Everybodys Darling“, weil man ja doch irgendwie lebt und Marcus Wiebusch es beherrscht, diesen Ton des Lebens mit Originaltreue zu treffen. Dabei hat sich die Band immer den eigenen Anspruch gewährt, auch mal das Konzert-Erlebniss an andere Orte zu verlagern, wie beispielsweise das Deck der MS Concordia oder dem Balkon des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg. So spielten kettcar im Rahmen der Veröffentlichung ihres aktuellen Albums Sylt nicht nur acht ausverkaufte Konzerte in ihrer Heimatstadt, sondern beehrten auch das Internationale Sommerfestival auf Kampnagel mit einem ganz besonderen Auftritt: In einer der Veranstaltungshallen des ehemaligen Fabrikgeländes spielte die Band in den frühen Morgenstunden ein Konzert, bei dem sie sich auf das Wesentliche reduzieren wollten und ein Streichquartett diese unelektrische Regression begleiten sollte. Das Resultat dieses Sonnenaufgangskonzertes findet sich nun auf der Doppel-DVD „Live auf Kampnagel 5:43 A.M.„.
Doch, wenn die erste DVD irgendwann ihre einsamen Runden dreht, ist Enttäuschung ein begleitendes Gefühl. Heutzutage ist es zwar eine nette Idee, sich ein Streichquartett an Bord zu holen, um dem ganzen Unplugged-Charakter noch eine Krone aufzusetzen, aber wenn es schon Streicher sein müssen, dann auch bitte mit den passenden Arrangements und der richtigen Intention. Arrangeur Michael Hagel, der bereits früher einmal mit kettcar zusammengearbeitet hat, verpasst es hier auf beinahe ganzer Länge Akzente zu setzen, an die man sich auch noch abseits dieser DVD erinnert und das ist vor allem eins, ärgerlich. Man erwartet von kettcar zwar keine arcadefireesken Umsetzungen, aber mit ein bisschen mehr Mühe zum Detail, hätte man nicht nur die arrangierten Lieder, sondern auch die Aufnahmen retten können. Den Ansprüchen einer klaren Soundqualität wird die DVD dabei keineswegs gerecht und das sollte heutzutage bei einer Musikveröffentlichung eine Voraussetzung sein, ohne die sich der Käufer in gewisser Weise betrogen fühlt.
Trost bietet wenigstens die zweite DVD, auf der sich neben allen Musikvideos der Band Ausschnitte aus den acht ausverkauften Hamburg-Konzerten befinden. Und die bieten dann wieder einen Blick auf die Band, wie man sie schon immer kannte und bis heute liebt. Vielleicht bleibt es dann auch einfach nur eine Frage der Verbundenheit zu kettcar, inwieweit das Streichquartett und das ganze unelektrische Gewand Sinn macht, denn so richtig will man sich ja dann doch nicht von den Songs trennen, die einem heute immer noch eine Gänsehaut verpassen und alten Trost spenden. Kaufen sollte man sich die DVD dennoch und sei es nur als Geschenk für die Freundin, den besten Freund oder den Stammkneipenbesitzer, denn ein Motto bleibt auch noch nach sieben Jahren bestehen: „Money left to burn„.
foto: mupp-media.de
„Live auf Kampnagel – 5:43 A.M.“ ist seit dem 06.11.2009 beim Grand Hotel van Cleef erhältlich.