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Eaten By Sheiks im Interview

Seit Juli 2008 ist ihr neues Album „Bold“ erhältlich und wie allgemein bekannt ist, fanden wir die Platte große Klasse. Nun, da Eaten By Sheiks auf Tour sind und auch in ihrer Heimatstadt Hamburg vorbeischauten, war es an der Zeit, mit den Jungs endlich ein paar Worte zu wechseln. Heraus kam ein interessantes Gespräch über Musik, Tourerei und das Business an sich.

Also, solang diese rote Leuchte hier leuchtet, ist alles gut, dann wird aufgenommen.

Gomez: Und wenn sie grün wird?
Ricardo: Dann haben wir die falsche Antwort gegeben, da muss man aufpassen!

[Mainstage hat sich einen Kaffee bestellt] – Das muss jetzt sein!

Gomez: Ja, oder? Kann ich verstehen, die ganze Fahrerei der Tour ist für uns auch echt ermüdend. Gestern waren wir noch im Proberaum, heute Abend spielen wir wieder.

Ihr spielt ja in Hamburg heute Abend, im Headcrash. Ist es anders für euch, in der Heimatstadt zu spielen?

Ricardo: Ja, ganz eindeutig. Allein von der Anreise her ist das ja schon etwas anderes. Alle kommen von Zuhause, essen auch Zuhause oder wie jetzt hier nebenbei. Ist einfach vom Gefühl her anders, wenn man nicht bereits eine ganze Reise hinter sich hat.

Wusstet ihr eigentlich schon vorher, als ihr den Termin für Hamburg ausgewählt habt, dass da Halloween ist?

Ricardo: Was sagt man da jetzt Kluges? „War da nicht schon immer St. Martin’s Singen“?
Gomez: Du bist ja sehr katholisch, ne?
Ricardo: Jaaa.
Gomez: Aber wir als protestantische Band sind natürlich immer sehr erpicht darauf, am Reformationstag zu spielen.
Ricardo: Das versuche ich dann natürlich immer zu blocken.
Gomez: Genau. Er hat nämlich Halloween erfunden, damals!
Ricardo: Wir wollten uns ja auch nicht umsonst am Anfang „Kirchenchisma“ nennen!
Gomez: Naja, im Ernst, das war Zufall, dass das genau an dem Termin liegt. Es standen sowieso nur drei verschiedene Termine für Hamburg zur Debatte, von daher.

Wie verlief denn eure Tour insgesamt? Ihr seid ja schon seit September unterwegs. Mit Hamburg heute und Ulm nächste Woche stehen die beiden letzten Termine an.

Gomez: Die Reaktionen waren sehr unterschiedlich. Die Bandbreite der …Publikumszahlen –
Ricardo: – Also des zahlenden Publikums
Gomez: – waren sehr variabel. Das ging von 5 bis 1000.

5?!

Gomez: Ja. 5 bei der Madsen-Tour und 1000 bei unseren Privatgigs, ist klar! Also am Anfang sind wir gestartet im Westen, Bielefeld, Krefeld und Osnabrück. Und wir haben uns schon gefragt woran das liegt, aber speziell dort ist das Publikum immer kompliziert. Also, nur was die Zahlen angeht. Wenn die Leute dann da sind, dann haben wir sehr viel Spaß mit denen die Spaß mit uns!
Ricardo: Aber Berlin hingegen war schon geil.
Gomez: Göttingen war auch super!
Ricardo: Hannover war auch cool, abgesehen vom Fußballergebnis davor… Wir sind große Hannover 96-Fans. Aber das war ganz praktisch, so konnten wir Hannover 96 unsere traurigen Songs widmen.
Gomez: Um nochmal auf Madsen zurückzukommen, das sind dann natürlich ganz andere Konzerte. Größere Hallen, mehr Besucher, super Atmosphäre. Und man muss für nichts mehr sorgen. Man kommt da hin und kann spielen, fertig.
Ricardo: Und was auch toll war bei den Madsen-Konzerten war die Feststellung, dass das Publikum – das uns ja in den meisten Fällen sicherlich nicht kannte – uns sehr wohlwollend angenommen hat.
Gomez: Man kommt halt auf die Bühne, das Publikum denkt nach dem ersten Ton „yeah“, nach dem Zweiten noch immer und am Ende auch noch.
Ricardo: Besser als auf die Bühne zu kommen und es herrscht Grabesstille.
Gomez: Das nennen wir dann immer euphorische Stille!

Habt ihr mit dem Release des neuen Albums denn eine Änderung feststellen können? Die früheren Konzerte im Vergleich zur aktuellen Tour.

Ricardo: Der erste Punkt ist ja der, dass wir einen neuen Gitarristen haben. Und ich denke auch das neue Programm, das ja hauptsächlich mit Songs der neuen Platte bestückt ist, funktioniert live echt gut. Es läuft auf jeden Fall besser als die Konzerte der Platte davor. Mit dem Album waren wir ja aber auch selbst nicht so sehr zufrieden, was die Produktion und dieses und jenes angeht. Das war mein persönlicher Eindruck, dass das live einfach viel besser funktioniert.
Gomez: Es ist insgesamt eine runde Sache jetzt, dass man das Gefühl hat, dass man bei sich angekommen ist. Sowohl vom Spielgefühl, als auch von der Musik und von dem Tonträger, der ganzen Organisation und den Leute, die dahinterstehen. Das ist ein großes Ganzes, wo wir uns echt drin wohlfühlen.

Wie waren denn die Reaktionen zum Album „Bold“ allgemein, von Presseseite und Ähnlichem?

Ricardo: Eigentlich sehr positiv. Wobei uns aufgefallen ist, dass speziell die größeren Magazine sich gar nicht so sehr mit dem Album auseinandergesetzt haben.
Gomez: Da fanden wir zum Beispiel deine Rezension ganz ganz große Klasse im Vergleich, nur um das auch nochmal zu erwähnen. Man hatte den Eindruck, dass du dich damit wirklich auseinandergesetzt hast, das haben wir doch sonst sehr selten so empfunden!
Ricardo: Genau. Und bei den meisten Größeren wurde das dann so im Alltagsbetrieb mit abgehakt, was dann zwar nicht zu einer Schlechten, aber leider doch sehr lauwarmen Besprechung führte. Das, was sie als Fazit schrieben, erklärte sich aus dem Vorhergegangen größtenteils kaum. Das haben wir gemerkt und das kann jeder merken, der das Album gut kennt. Abgesehen von dem Punkt, dass wir uns gewünscht hätten, dass es bei ein oder zwei Meinungsführern noch besser besprochen würde, waren die Reaktionen im Allgemeinen aber doch super.

Ich glaub Musikexpress hat euch sogar zum Tipp des Monats erklärt, oder?

Gomez: Ja! Auch motor.de war sehr gut, solche Sachen.
Ricardo: Das ist dann doch erfrischender, als Kritiken von jemandem lesen zu müssen, der so 12 CDs an einem Abend verbrät und sich denkt: „Ahja, Eaten By Sheiks, 5 von 10, fertig.“ Da sind dann Leute, die entweder gar nicht reinhören, nur kurz reinhören oder tatsächlich nachgucken, was jemand anders dazu geschrieben hat und das in eigenen Worten übernehmen.
Gomez: Es gibt da eine ganz witzige Story. Unsere Radio-Promoter haben ganz am Anfang einen Schub von unserem Album als Blanko-CD an ihre Kontakte rausgeschickt. Es stand also weder der Name des Albums drauf, noch unser Bandname. Und da waren die Reaktionen dann erstaunlicherweise nochmal eine ganze Liga besser. Da kamen dann so Sätze wie: „Whoa geil, kommt die Band aus England? Oder mindestens Skanidinavien? Oder allermindestens Dänermärk?!“ Und später musste man dann halt Butter bei die Fische machen und sagen, dass die Band Eaten By Sheiks heißt und aus Hamburg kommt. Und da konnte man dann richtig merken, wie es mit der Begeisterungskurve wieder nach unten ging. Und das wirft halt ein ganz offensichtliches Licht darauf, dass wir in den Köpfen vieler Menschen direkt in eine Schublade gepackt werden. Ich will jetzt das Fach „Musik aus Deutschland“ auch gar nicht allzu weit aufmachen, aber die Reaktionen waren ja schon sehr deutlich dann.

Aktuell habt ihr ja „My Green Is A Shame“ als Single ausgekoppelt. Warum habt ihr euch für den Song entschieden? Der ist ja schon ziemlich ruhig.

Ricardo: Wir hatten davor ja schon zwei andere Singles: „Touched“ und „4-Xtra“, was ja beides zwei Songs sind, die ja lauter und schneller sind. Und unsere Entscheidung, nun „My Green Is A Shame“ noch auszukoppeln, lag auch daran, dass wir ein echt schönes Video zu dem Song gemacht hatten. Und es waren viele der Meinung, dass der Song, selbst wenn er so ruhig ist, eine wunderbare Singleauskopplung abgeben könnte. Und das zusammen hat dann da den Ausschlag gegeben.

Gomez: Es war ja so, dass wir eigentlich für alle 3 Singles ein Video geplant hatten. Für „4-Xtra“ haben wir ja auch eins hinbekommen, dieses Animierte. Und für „Touched“ wollten wir das Video von einem Pornoproduzenten machen lassen. Das ist dann leider dran gescheitert, dass das zu eng geworden wäre, weil der Produzent sehr viel um die Ohren hat. Der war aus Barcelona drei Tage hier, musste dann weiter nach Tel Aviv und ich glaube, da sitzt er heute auch noch. Und dann war das nicht zu machen. Aber das wäre denk ich wirklich witzig geworden, wenn das geklappt hätte, gerade wegen dieser ironischen Komponente, die da hintersteckt.

Wollt ihr das denn noch nachholen?

Gomez: Solang er noch in Tel Aviv ist, natürlich nicht, aber die Idee lebt weiter, klar.

[Ricardo hat sich eine Pizza bestellt und fängt an zu essen]

Gomez: …Schau mal. Vergleiche das Bild jetzt mit dem Bild nach dem Konzert. Es ist der gleiche Mensch!

… Die Pizza ist relativ heiß, glaub ich.

Ricardo: Jaaa.. [Beißt ab]. Stimmt!

Ihr schreibt ja Musik, die man nicht unbedingt in eine Schublade einordnen kann. Wie würdet ihr eurem Stil denn einem Unwissenden erklären?

Gomez: Für jemanden, der ganz ganz unwissend ist, würden wir sagen „Rock“.
Ricardo: Und wenn jemand etwas mehr Ahnung hat, würden wir sagen „Independent Rock“. Und wenn jemand ganz superviel Ahnung hat, würden wir sagen: „Independent Rock, aber nicht so independent wie anderer Independent Rock“. Eine Band, mit der wir uns vom Klang her im Laufe der Jahre denke ich schon ganz gut vergleichen können, ist Blur.

Motor.fm beschrieb euch ja sogar als „Blur mit mehr Eiern“. Was sagt ihr dazu?

Ricardo: Ich finde das natürlich sehr schmeichelhaft, weiß aber nicht, ob das so stimmt. Denn Blur haben meiner Meinung nach schon sehr viel Eier. Den Schuh ziehen wir uns gern an, aber wir wissen nicht, ob der uns letzten Endes nicht doch zu groß ist.

Ihr seid 2000 nach Hamburg umgezogen. Was hat euch an der Stadt gereizt?

Ricardo: Erstmal, dass sie nicht Göttingen ist, das war schonmal sehr bedeutend. Zweitens, dass sie größer als Göttingen ist.
Gomez: Und hinzu kam, dass Hamburg eine Stadt war, auf die wir uns alle einigen konnten. Berlin stand auch noch zur Auswahl, aber Hamburg war dann besser, auch aus vielerlei persönlichen Gründen. Und wir haben es bisher keine Sekunde bereut, Hamburg ist eine tolle Stadt.

Aber was hat euch denn an Göttingen so gestört, wenn man fragen darf?

Gomez: Die Zeit in Göttingen war eine ganz Wunderbare, aber irgendwann wars dann auch vorbei. Und es gibt in Göttingen nur zwei Möglichkeiten: Entweder du bleibst in der Stadt, weil du da in dieser Schleife hängen bleibst, oder du haust ab. Und wir haben uns dann dazu entschlossen, abzuhauen. Aber letzten Endes mögen wir Göttingen ja auch immer noch gerne, keine Frage.
Ricardo: Meine Mutter ist da hingezogen, als ich weggezogen bin und ich besuche sie gern dort.

Wie seit ihr zu eurem Bandnamen Eaten By Sheiks gekommen? Der ist ja doch etwas ungewöhnlich.

Ricardo: Per Losverfahren! Der wurde uns vom Amt zugeteilt!

Gomez: Genau, damals gab es noch dieses Namensamt.
Ricardo: Man konnte einen Bandnamen beantragen und dann bekam man zentral einen zugeteilt.
Gomez: Und die Auswahl wurde danach getroffen, ob man Zivildienst gemacht hat, oder nicht!
Ricardo: Man hatte die Möglichkeit, Berufung einzulegen und durch mehrere Instanzen dann nochmal einen neuen Namen zu beantragen, aber wir haben das dann gelassen.

…Und der reelle Grund?

Gomez: Das war vor meiner Zeit.
Ricardo: KURZ vor deiner Zeit.
Gomez: Die Legende besagt, dass es sich um ein Wortspiel handelt. Denn es gibt diese eine Platte von Frank Zappa, die den Namen „Sheik Yerbouti“ trägt. Und die trägt ja schon dieses Wortspiel zu „Shake Your Booty“ in sich und stellt eine ganz deutliche Persiflage zu der Discomania der Zeit dar.
Ricardo: Und das „Eaten“ rührt daher, dass es auf eben

der Platte eine Textzeile gibt, in der es „Eaten by snakes“ lautet. Und so kam das dann zusammen.
Gomez: Wir waren zu der Zeit auch riesige Scheichfans… Äääh.

Es werden zur Zeit ja relativ viele neue Veröffentlichungsstrategien ausprobiert. Angelika Express verkaufen Aktien am Album, Radiohead lassen ihre Zuhörer entscheiden, was sie für das Album bezahlen wollen und derartiges. Wäre das was für euch?

Gomez: Bei Radiohead bin ich mir gar nicht so sicher, ob ich da jetzt alle Fakten kenne, die da hinterstecken, aber dazu hab ich doch eine kritische Position. Dadurch, dass sie das neue Album so vermarkten, kündigen sie einen Generationenvertrag auf, den es zwischen den Bands gibt. Weil auch Radiohead, als sie noch nicht so erfolgreich waren, erst durch das Geld aufgebaut werden konnten, was andere Bands, die vor ihnen auf dem Label aktiv waren, mühevoll erarbeitet haben. Und jetzt, wo sie groß sind, sind sie stark genug, um auch solche alternative Wege zu gehen, kündigen sie den Vertrag auf, da sie anfangen, eigenwirtschaftlich zu arbeiten. Und da kann das Geld, was reinkommt, nicht mehr unbedingt an Nachwuchsbands ausgeschüttet werden. Ich möchte jetzt gar nicht verneinen, dass manche Plattenfirmen trotzdem einen Haufen Scheiße verdienen, aber ich denke, die Sache mit Radiohead muss man kritisch betrachten.
Ricardo: Um sowas wie Radiohead machen zu können, muss man eben eine Stammkundschaft haben, damit das überhaupt so als eine Art „Witz“ gesehen werden kann.
Gomez: Das erinnert mich so an diese „The Winner Takes It All“-Geschichten. Ab einer bestimmten Grenze ist das Musikbusiness sozusagen tot. Der Independentmarkt existiert quasi gar nicht mehr. Natürlich haben Madsen noch so ihre tausend zahlenden Zuhörer, aber das wars dann auch. Das ist ein krasser Unterschied zu früher, wo selbst eine komplett unbekannte Band wochenlang durch die Gegend touren konnten und auch ihre 1000 Platten verkauften. Da gab es noch eine halbwegs gesunde Finanzstruktur. Diese Zeiten sind vorbei. Oftmals ist die Tourerei sogar ein Minusgeschäft. Eine befreundete Band von uns musste letztens aus finanziellen Gründen die Strategie der Tour ändern und nur noch den Sänger allein mit Gitarre losschicken, weil sie es sich nicht mehr leisten konnten, alle Bandmitglieder mitzubringen. Das wäre früher nicht nötig gewesen, sowas zu tun. Diese alternativen Sachen, worauf ihr hinaus wolltet, können also die meisten Bands, inklusive uns, also vergessen, selbst wenn es unheimlich viele Chancen bietet.
Ricardo: Durch das Internet ist es natürlich zum Beispiel möglich, dass jeder seine Musik veröffentlichen kann, aber davor musst du es ja auch erstmal produzieren. Und wenn du eine gewisse Soundqualität erreichen willst, kostet das selbstverständlich auch Geld. Und man muss Arbeit und Zeit reinstecken. Und wenn du dann wirklich eine Platte als Tonträger veröffentlichen willst, dann ist es unglaublich schwer zu erreichen, dass die Musik in dem ganzen Wust von Myspace und Ähnlichem überhaupt bei den Nutzern ankommt. Und dadurch, dass die ganzen Independentlabels mit der Zeit mehr und mehr wegsterben, ist auch keine richtige „Vorsortierung“ mehr da. Ich will mir als Hörer ja nicht alle Musik der Welt anhören, um dann am Ende meiner Lebenszeit feststellen zu können, was mir gefällt und was nicht.
Gomez: Und Myspace wurde ja auch von Murdoch aufgekauft, diesem Medienmogul. Und damit ist Myspace schon lange mehr keine Insiderveranstaltung, sondern wird geleitet von dem Mogul schlechthin, der ja auch politisch aktiv war in den letzten Jahren und das sicherlich nicht auf die Art und Weise, wie man es gerne hätte. Es gibt auch bald eine neue Aktion auf Myspace, die vorerst noch nicht in Europa stattfindet, wo Labels komplette Alben als Stream, also nicht zum Download, sondern eher wie Radio, auf Myspace zum Hören anbieten können. Das Dumme daran: Nur die Majorlabels kriegen dafür Geld, kleine Indielabels können auch mitmachen, werden auch nicht bezahlt. Oder auch bei diesen Downloadportalen: Wenn du eine gewisse Grenze von Downloads nicht erreichst, siehst du als Band keinen Pfennig. Obwohl deine Fans dafür bezahlen. Schöne neue Welt.

Und was haltet ihr von Veranstaltungen wie der Jägermeister Rockliga oder dem Red Bull Tourbus? Seht ihr das wie eine große Chance, oder eher wie Sellout?

Gomez: Wie der Sänger der Streets so schön sagte, ist „Sellout“ ein Wort für wohlbehütete Mittelstandskinder, die gerne den moralischen Papst abgeben, selber überhaupt keine CDs mehr kaufen, aber die erfolgreichsten Kunden bei Napster oder wasweißich sind. Das finde ich eben relativ verlogen. Wer ein Sellout nicht möchte, der soll selbst bezahlen. Das kulturelle Ding, was mit Musik mal ganz ganz eng verbunden war, löst sich immer mehr auf. Was ist geworden aus der Kultur der Plattenläden? Es gibt natürlich immer noch ein paar, die sich auch hier in Hamburg noch gut halten, aber was haben die schon noch für einen Marktanteil? 4%? Die Kultur ist weg, die ist gestorben, die ist nicht mehr da. Und im Zuge dessen stirbt bei den meisten Menschen auch der Begriff Kultur im Sinne der Musik immer mehr weg. Von daher wäre es ziemlich frech, in diesem Rahmen überhaupt von Sellout zu sprechen. Auf der anderen Seite müssen wir zugeben, dass wir, wenn ein Sponsor bei uns anfragt, wohl ziemlich das Kotzen kriegen würden und es trotzdem mitmachen würden.
Ricardo: Wobei man natürlich auch sagen muss, dass es darauf ankommt, welcher Sponsor anfragt. Letzten haben wir uns mit unserem Booker getroffen, ihm Rahmen einer Jägermeister-Veranstaltung hier in Hamburg im Grünspan. Und ich hab das als positive Erfahrung mitgenommen. Der Laden war gefüllt, es spielten gute Bands und die Jägermeister-Leute waren echt sehr zurückhaltend. Beim Konzert hat man das quasi überhaupt nicht gemerkt, dass das von Jägermeister auf die Beine gestellt ist. Ich wusste nur, dass das von Jägermeister ist, weil ich vorher davon gelesen haben. Von daher, wenn Jägermeister uns fragen würde, könnte ich mir eine Zusammenarbeit wirklich gut vorstellen.
Gomez: Grundsätzlich stehen wir diesen werbefinanzierten Dingen aber trotzdem sehr kritisch gegenüber.

Ihr habt ja auch bereits mit so großen Bands wie Die Happy, Wir Sind Helden, den besagten Madsen und sogar Die Fantastischen Vier zusammen gespielt. Gibt es dort irgendwelche Anekdoten zu erzählen im Bezug auf die Konzerte?

Gomez: Grundsätzlich kann man erstmal sagen, dass alle diese Bands, wirklich ohne Ausnahme, sehr sehr nette Menschen sind. Dummerweise ist es aber so, dass die richtig fetten und witzigen Schoten immer abseits der Bühne passieren, nach den Konzerten oder davor.
Ricardo: Eine witzige Geschichte gibt es aber im Bezug auf Fanta 4 zu erzählen. Als wir auf dem Taubertal zusammen spielten, war es eigentlich so geplant, dass wir zeitversetzt spielen. Dummerweise hatten die Fanta 4 aber ein Problem mit ihrem DJ. Dadurch, dass die Bühne so wackelte, ist dem Herren die ganze Zeit die Platte gesprungen. Dann musste man allen ernstes ein Loch in den Boden der Bühne sägen und einen Tisch dort hineinstellen, dessen Füße bis zum Erdboden reichen, sodass dieser Tisch ganz frei von den Bewegungen der Bühne steht. So weit so gut, jetzt war es aber natürlich so, dass der Auftritt sich durch die Aktion eine ganze Zeit verzögerte und die Band später spielen musste, sodass sie gleichzeitig mit uns auf der anderen Bühne standen. …Man kann sich ja vorstellen, wer wohl mehr Publikum hatte.
Gomez: Wobei sich auf dem Festival durch diese Story echt gute Freundschaften ergeben haben, die auch bis heute halten.
Ricardo: Aber so richtig fette Rock’n’Roll-Stories à la „Die Sängerin von den Guano Apes springt Backstage sturzbetrunken von ihrem Sessel auf und schmeißt den Fernseher aus dem Fenster“ haben wir gar nicht auf Lager, sowas passiert dann doch eher selten.

Das wars dann soweit mit unseren Fragen. Vielen Dank!

Gomez: Dankeschön!
Ricardo: Ja, danke!

Bilder vom Konzert nach dem Interview gibt es hier.

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