Berlin, Columbiahalle. Es ist eines der größten Konzerte auf der Tour von Faber und restlos ausverkauft. In nur zwei Jahren vom kleinen Clubkonzert im Badehaus in die große Columbiahalle – das muss man erst einmal schaffen.
Als die Vorband spielt, liegt Faber am Bühnenrand, versteckt hinter den Boxen, und beobachtet das Geschehen auf der Bühne. Er freut sich. Die, die da gerade spielen, Mariachi de Jesus Guatemala, diese bunte Band mit den Sombreros sind seine Freunde, musikalische Wegbegleiter, Mitbewohner, Nachbarn. Gelegentlich spielt er da auch selbst als Bassist mit, wenn Bandmitglieder mit ihren eigenen Projekten in der Schweiz unterwegs sind. Dann nehmen sie ihn mit in die Fußgängerzonen und in die winzigen Spelunken der Schweiz, um einfach nur Spaß zu haben. Heute ist es umkehrt, da hat er sie mitgenommen und nun stehen sie vor ihm auf dieser riesigen Bühne. Er sieht ihnen fast liebevoll zu und genießt den Moment. Vielleicht ist es das, was die Leute Glück nennen.
Als Faber dann selbst die Bühne betritt und ihn dreieinhalbtausend Menschen mit tosendem Applaus empfangen, macht er eine verlegene, viel zu überschwängliche Verbeugung. Möglicherweise weil er nicht weiß, was er sonst machen soll. Die Tatsache, dass all diese Menschen nur wegen ihm da sind, kann schon berauschend sein. Er beginnt mit leisen Tönen, um die Massen und wohl auch sich selbst zu beruhigen.
Das erste und eines der neuen Lieder „Volksmund“ trifft das Publikum in ihrer höchsten Aufmerksamkeitsphase. Es geht um das gerade so besorgte Volk, dem man es auch mal besorgen sollte, er erwähnt dabei unter anderen die düstere Geschichte der Wolfsburger Volkswagen-Werke. Gleich danach erklingen fast folgerichtig die Töne von „Widerstand“ und schon singen die Leute mit.
Faber macht eine Pause, sagt „Hallo“ zum Publikum, bedankt sich fürs Kommen. Mittlerweile ist seine Band Goran Koc y Vocalist Orkestar auf der Bühne. Das sind Max Kämmerling (E-Gitarre, Darbuka, Saxophon), Goran Koc (Klavier, Orgel), Janos Mijnssen (E-Bass, Cello)und Till Ostendarp (Posaune, Schlagzeug) – alle professionell, jung, unbedarft und die Garantie für ein exzellentes Live-Erlebnis.
Sie stimmen „Es könnte schöner sein“ vom aktuellen Album „Sei ein Faber im Wind“ an. Bei der Zeile „Ich hab´s mir größer vorgestellt“ kann Faber sich ein Lachen nicht verkneifen und macht einen ausschweifenden Blick in die Columbiahalle. Lieder, die das Publikum kennt – wie „Nichts“, „BrüsteBeineArschGesicht“, „Wem du´s heute kannst besorgen“ oder „Es wird ganz groß“ – werden laut mitgesungen und es wird getanzt, teilweise übertönt das Publikum, mitgerissen von der Energie auf der Bühne, in ihrer Lautstärke die Band.
Es wird viel applaudiert und Faber nimmt sich Zeit, steht einfach nur da, hört zu, schüttelt fassungslos den Kopf. Er streckt die Arme euphorisch in die Luft und legt den Kopf in den Nacken, genießt und haucht immer wieder „Danke“ in sein Mikrofon.
Ruhiger wird es erst bei den langsamen Liedern, darunter ein neues mit dem Titel „Komm her“, mit einem bittersüßem Text und einer Melodie, zu der man fast schunkeln möchte. Bemerkenswert dabei das wunderschöne Saxophon-Solo von Max Kämmerling und das sich anschließende minutenlange exzellente Gitarrensolo von Faber.
Es werden fast alle Lieder vom Album gespielt, bei „Bratislava“ holt Faber seine Freunde von Mariachi de Jesus Guatemala zum Mitspielen auf die Bühne, auch Tim Tautorat, ihr Produzent, ist wie schon bei früheren Berlin-Konzerten mit seiner Geige dabei. Der Hauptteil schließt mit „Alles Gute“ und natürlich „Sei ein Faber im Wind“, bei dem sich neben Leuten von der Crew auch fast unbemerkt Von Wegen Lisbeth mit auf die Bühne schmuggeln. Es herrscht eine familiäre Atmosphäre, die sich durch das ganze Konzert zieht, das Publikum mit einschließt und mit tosendem, dankbarem Applaus belohnt wird.
Natürlich war´s das dann noch nicht, wir kennen das Spiel ja, im Zugabeblock gibt es erfreulicherweise wieder neue Songs zu hören. Ob die dann so in dieser Form auf CD erscheinen, wird sich zeigen. Fabers Songs sind stets im Umbau, selbst während einer Tour verändern sie sich – was es aber auch spannend macht, mehr als ein Konzert zu besuchen. „Ihr habt meinen Segen“ hat er auch im letzten Jahr schon angerissen, jetzt hat das Lied Struktur bekommen und wird vereinzelt auch wiedererkannt. „Haie im Züri-See“ und „I fucking love my life“ sind beides eher ruhigere Stücke, besonders letzteres ist in seiner klaren Beobachtung und immer nah am Schmerz der Realität ganz typisch für Fabers Texte. Zum Abschluss gibt es mit „So soll es sein“ noch ein wirklich altes Lied und natürlich das mehrfach vom Publikum eingeforderte „Tausend Franken lang“, bei dem die Columbiahalle zu beben scheint.
Die Band verbeugt sich, es wird dunkel in der Halle, doch das Publikum will nicht weichen. Bevor das finale Deckenlicht wieder angeschaltet wird, wird der Spot noch einmal auf das Publikum gerichtet. Dort steht jetzt die Band, im Hintergrund die Farben der italienischen Fahne, ringsherum sitzen 3500 Menschen und lauschen, als Faber unplugged „Bella Ciao“ singt.
Wunderschön. Faber gehört auf die Bühnen dieser Welt.