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Gisbert zu Knyphausen | 24.04.2010 | Stadtgarten, Köln

Gisbert zu KnyphausenVor zwei Jahren war er auf einmal da und jetzt darf er irgendwie nicht mehr weg. Hoffentlich für lange Zeit oder eher ein Helden-Zitat „Gekommen, um zu bleiben„. Mit seinem Album Hurra! Hurra! So nicht. bringt Gisbert zu Knyphausen sein zweites Werk heraus und weil das alleine nicht reicht, spielt er mit seiner namenlosen Band ein Konzert im Kölner Stadtgarten. Ein Abend ganz ohne Namenswitze, aber mit umso mehr Melancholie und dieser ach so dreckigen Menschlichkeit.

Jan Wigger brachte es diese Woche in einer Rezension mit einer Formulierung über Gisbert zu Knyphausens neues Album auf den Punkt: „Kein Liedermacher. Ein Gigant.“ Mit nur einer Langspielplatte im Rücken hat sich Herr zu Knyphausen innerhalb von nur zwei Jahren auf den Olymp der deutschen Liedermacher gespielt. Selbst das sonst so deutschem Liedgut kritisch gegenüberstehende Musikmagazin Rolling Stone vollzieht den indirekten Ritterschlag, indem sie ihn im Mai letzten Jahres zum „Gipfeltreffen der Liedermacher“ mit den Größen Reinhard Mey, Tom Liwa und dem Schriftsteller Bernhard Lassahn einladen. Eben kein einfacher Songwriter, wie es sie heutzutage an jeder Ecke gibt, sondern bereits zu Beginn ein Gigant.

Bei so enormer Lobhuldigung im Vorfeld ist es kein Wunder, dass Gisbert zu Knyphausen am Sonnabend des 24.04.2010 vor einem ausverkauften Stadtgarten der Domstadt am Rhein spielt. Bis zu 45€ brachten vor einigen Wochen Konzertkarten für diesen Abend in bekannten Online-Auktionshäusern. Preise, die sonst nur Größen des Geschäfts verlangen können. Umso ironischer, wie prunklos dann der Abend beginnt: Ohne Vorgruppe, Gisbert und die „namenlose Band“ auf die Bühne, direkter Einstieg in die Musik.

Gisbert zu Knyphausen

Hey, Hey, alles ist okay. Ich laufe gegen Wände und rühr‘ in meinem Tee„. Die ersten Akkorde, die ersten Töne Gisberts Gesangs und man fühlt sich genau dort, wo er einen selbst beim Hören der Platte immer zurücklässt, bei sich selbst. Durch die Band werden die wuchtigen und herausbrechenden Höhepunkte noch druckvoller dargestellt und es tut gut, weil es einen selbst aufrührt, man diese Geschichten auch irgendwie selber gelebt hat und erzählen könnte. Doch je ausdrucksvoller und energischer Gisbert seine Zeilen in den Stadtgarten wirft, umso zurückhaltender und nervös wirkt er dann, wenn keine Musik da ist. Wenn er vor der Stille steht und circa 800 Leute unterhalten muss, irgendwie. Da wird die Geschichte über die teuren Ebay-Karten erzählt, über das tags zuvor vom Radio aufgezeichnete Berlin-Konzert oder die Nervösität. Vereinzelte Lacher, Grinsen, pure Sympathie.

Gisbert zu KnyphausenAch fick dich ins Knie / Melancholie – du kriegst mich nie klein“ Es ist eine Setlist, die beinahe alles aufgreift, was Gisbert zu Knyphausen bisher an Songs geleistet hat und dies in eine fast schon beängstigende Stille des Publikums gespielt. Wer das neue Album noch nicht in voller Länge genießen konnte, erhält es jetzt noch purer und reiner, als auf Polycarbonat gepresst. Denn an diesem Abend liegt vor allem im Scheitern die wahre Größe des Konzerts. Da werden Textzeilen umgeschmissen, Einsätze verpasst oder falsche Akkorde gegriffen. Menschlichkeit, wie man sie liebt und gerne viel öfter auf Konzerten erleben möchte. Wer braucht schon Perfektion, wenn man sich eh nur an solche Momente erinnern kann? Wenn Gisbert beispielsweise beim Cover des Element of Crime-Klassikers „Wer ich wirklich bin“ den ersten Satz des Liedes vergisst und dann auf Zuschauerhilfe angewiesen ist. Selten klangen Sven Regeners Worte so auf die Situation abgestimmt, wie in diesen Minuten: „In meinem Schädel wohnt ein Tier, das trampelt alles kurz und klein„. Chapeau, Prinzessin Zufälligkeit.

Zwei Stunden lang wird hier gekämpft mit der Melancholie, dem Tod, der Liebe, sodass es fernab der Eintönigkeit oder gar Wiederholung einfach ein Genuss ist, sich diesen Geschichten hinzugeben, Gisberts Gitarrenspiel zu lauschen und sich wie „auf Platte“ auch vollkommen in der Musik zu verlieren. Zum Schluss bleibt dann auf der Bühne nur noch „Spieglein, Spieglein“ und im Kopf die finale Weisheit, die man vor zwei Jahren dankbar angenommen hat: „Und jetzt schau nicht so gequält – das sieht scheiße aus…“ Danke, gerne wieder.

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Setlist des Abends:
Hey
Ich bin Freund von Klischees und funkelnden Sternen
Flugangst
Hurra! Hurra! So nicht.
Es ist still auf dem Rastplatz Krachgarten
Morsches Holz
Neues Jahr
Melancholie
Sommertag
Seltsames Licht
Dreh dich nicht um
Kräne
So seltsam durch die Nacht
Grau, Grau, Grau
Nichts als Gespenster
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Wer ich wirklich bin (Element of Crime)
Der Blick in deinen Augen
Gute Nachrichten
Erwischt
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Verschwende deine Zeit
Spieglein, Spieglein

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