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Gurtenfestival | 11.-14.07.2018 | Bern, Schweiz

Das Gurtenfestival hielt dieses Jahr für seine 77’100 Besucher nicht nur ein spannendes und umfangreiches Lineup, sondern auch einige Neuerungen bereit. So wurde das Gelände vergrößert und die drei Bühnen neu verteilt. Zudem ein neues Cashless-System erfolgreich eingeführt. Trotzdem konnten die Besucher in gewohnt entspannter Atmosphäre vier Tage und Nächte mit viel Musik genießen.

Vielleicht kurz ein paar Infos für alle, die das Gurtenfestival noch nicht kennen. Der Gurten ist der Hausberg von Bern, das heißt man hat eine wunderbare Aussicht von dort. Zum einen auf die Stadt, aber auch auf das Berner Oberland inkl. dem berühmten Dreigestirn Eiger, Mönch und Jungfrau. Jedenfalls wenn das Wetter mitspielt. Um auf den Gurten zu kommen muss man mehr als 300 Höhenmeter überwinden. Als Festivalbesucher kann man dazu die Gurtenbahn nutzen, das Ticket inkludiert den ÖV innerhalb von Bern. Aber das ungeschriebene Gesetz besagt, dass man mindestens einmal zu Fuß den Berg erklimmen muss. Außerdem bedeutet diese Lage, dass alle Technik, Aufbauten, Personen, Lebensmittel usw. für das Gurtenfestival hinauf geschafft werden muss.

Das Festival bietet drei Bühnen und ein Lagerfeuer-Bühnli, wo insgesamt 62 Acts aufgetreten sind. Dazu kamen noch drei „Dance Tents“ für die Freunde der elektronischen Musik. Die Hauptbühne lag wie jedes Jahr im Mittelpunkt des Geschehens. Die Zeltbühne wurde verlegt und lag außerhalb des bisherigen Geländes. Bot dafür aber einen wunderbaren Ausblick hinunter auf die Stadt und Richtung Alpen. Die Waldbühne, welche rein den Schweizer Acts vorbehalten ist, wurde ebenfalls versetzt und bot jetzt mehr Platz für das Publikum. Leider gab es dadurch ein Nadelöhr zwischen Waldbühne und dem Weg zur Zeltbühne, der das Durchkommen manchmal erschwerte.

Das Lineup bot neben vielen Schweizer Bands eben auch Bands aus der ganzen Welt und deckte sehr viele Genres ab. Da die Auftritte auf Zelt- und Waldbühne immer zeitgleich stattfanden, war es unmöglich alle Acts anzuschauen. Aber einige Auftritte sind auf jeden Fall bemerkenswert und erinnerungswürdig gewesen.

Bereits am frühen Mittwoch-Abend konnte man beim Gang über das Gelände in den Guerilla-Auftritt der Schweizer Band Hecht stolpern. Diese spielten zwischen den Essensständen ein paar Songs und legten später im prall gefüllten Zelt einen viel umjubelten Auftritt hin. Die Zeltbühne war innerhalb der vier Tage selten so gut besucht.

Auf der Waldbühne spielte zeitgleich James Gruntz und begeisterte dort das Publikum. Zwar sind die Songs teils nah am Kitsch, aber mit so viel Liebe zur Musik und handwerklichem Können vorgetragen, dass man darüber hinwegsehen konnte.

Gurtenfestival Waldbühne | Foto: Danny Brodowski
Gurtenfestival Waldbühne | Foto: Danny Brodowski

Der Mittwochs-Headliner, die Gorillaz, konnten leider nicht überzeugen. Zwar ließen sie im Vergleich zu anderen Bands die meiste Technik für ihren Auftritt auf den Gurten transportieren und Frontman Damon Albarn versuchte mit insgesamt drei Ausflügen ins Publikum jenes auf seine Seite zu ziehen, aber der Funke wollte nicht überspringen. Irgendwie passte die überladene Darbietung weder zur musikalisch eher lahmen Spielweise, noch zum gemütlichen Gurtenpublikum. Vielleicht hätte es mehr Mitgefühl für den vom WM-Aus Englands offensichtlich ziemlich mitgenommen Damon Albarn gegeben, wenn sie musikalisch mehr Feuer entfacht hätten. So spielte man irgendwie aneinander vorbei und die Pässe kamen nicht an, um im Fußballjargon zu bleiben.

Ganz anders dagegen der Donnerstags-Headliner. Die Prophets of Rage spielten sehr druckvoll und hauten zudem die alten Hits der Bands, aus deren Mitgliedern sich die Supergroup zusammensetzt, raus. Und ob das nun Cypress Hill-, Rage Against The Machine- oder eben Prophets of Rage-Songs waren, das Publikum wandelte die Energie gern in Moshpits und andere Formen der Musikhuldigung um.

Das Wetter war dieses Jahr zum allergrößten Teil angemessen herrlich und sonnig. Und passend zum Sonnenschein und Sommerwetter kommen mir die Auftritte von Two Door Cinema Club sowie Angus & Julia Stone auf der Hauptbühne in den Sinn. Beide fanden in einer wunderbar leichten Stimmung statt und gerade die letztgenannten überzeugten mit einem sehr sympathischen Auftritt das Publikum.

Ein weiteres Highlight war der Auftritt von Parcels auf der Zeltbühne. Das Publikum war recht überschaubar, aber durfte einer außergewöhnlichen Performance beiwohnen. Der Blick auf die Bühne war wie eine Zeitreise in die Vergangenheit. Es schaute aus wie eine Wiederholung einer Musiksendung aus den 70er Jahren im TV. Dieser Eindruck entstand durch die authentische nostalgische Erscheinung der fünf Australier. Aber auch musikalisch konnte ihr Funk-Pop voll überzeugen und ließ das Publikum tanzen.

Auch vor viel zu wenig Menschen spielten Leoniden aus Kiel und ihre Energie übertrug sich aber ebenfalls schnell auf das Publikum. Irgendwas zwischen Elektro, Rock und Punk, im Grunde Krach mit Takt und Melodie, sehr tanzbar und mit viel Energie vorgetragen. Vielleicht sowas wie die Nachfolger von The Robocop Kraus, auf jeden Fall live sehr empfehlenswert.

Gurtenfestival Zeltbühne | Foto: Danny Brodowski
Gurtenfestival Zeltbühne | Foto: Danny Brodowski

Und zwischen all den bekannten Acts, umjubelten Schweizer Lokalmatadoren und Newcomern gab es echte Perlen. Für mich war das Aurora. Die norwegische Sängerin spielte ebenfalls im Zelt und trotz ihrer recht großen Bekanntheit, zumindest anhand Videoaufrufen und Followerzahlen gemessen, war das Publikum wiedereinmal überschaubar. Aber die Menschen vor der Bühne nahmen die Musik gern auf und gaben Energie und Zuspruch zurück an Aurora und ihre Band. Und diese junge Frau, die zwischen den Songs extrem aufgeregt und mit sehr zerbrechlicher Stimme sprach. Dabei zum Beispiel von ihrem Haustier, dass aus der Schweiz kommt und sie deswegen einen Bezug zu diesem Land hat, erzählt. Oder plötzlich eine Person in der vorderen Reihe direkt anspricht und sich nochmals für ein Geschenk bedankt, das sie vor zwei Jahren von dieser bekommen hatte. Diese zerbrechliche Frau versprüht während den Liedern so viel Energie, dass man ebenjene direkt am eigenen Körper spüren kann. Die Musik wirkt zudem sehr organisch und natürlich. Man kann direkt erleben, wie in der Musik ein Teil der unbändigen Kraft, die die Natur besitzt, vorhanden ist. Ein sehr eindrückliches Erlebnis.

Und so hat hoffentlich jede Besucherin und jeder Besucher des Gurtenfestivals seine Perlen im Programm gefunden, neue Bands entdeckt, die Zeit oben auf dem Berg genossen und dabei die gemütliche, dem Gurtenfestival eigene, Stimmung aufgesaugt.

Homepage gurtenfestival.ch

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