Hans Nieswandt ist kein unbekannter Name der internationalen elektronischen Musikszene. Seit den 80er Jahren ist er mit der Band Whirlpool Productions und solo als DJ unterwegs. Auch bei der Spex hat er bereits redaktionell gearbeitet und in den letzten Jahren zwei Bücher herausgebracht. Mit „DJ Dionysos – Geschichten aus der Diskowelt“ präsentiert er nun sein drittes Buch – Das erste Mal, dass er sich an einem Roman versucht, auch wenn alles etwas anders kam, als gedacht…
Schließlich sollte es ursprünglich ein eigenständiger Roman werden, in dem Hans Nieswandt die fiktive Geschichte von DJ Dennis erzählt, den der Leser von seinen ersten Schritten bis auf die großen Bühnen verfolgen sollte. Doch wie im Leben eines jeden anderen auch kam Hans Nieswandt ein Haufen Realität dazwischen, der ihn dauernd vom Schreiben abhielt. Warum also nicht seine eigenen Erlebnisse mit denen von DJ Dennis koppeln? Gesagt, getan. So ist „DJ Dionysos“ schon allein in der Hinsicht lesenswert, dass man es hier mit zwei Parallelwelten zu tun hat. Auf der einen Seite der Romanheld, auf der anderen sein Autor. Und dazwischen eine Schnittmenge, denn ganz spurlos kommen sie nicht aneinander vorbei…
„Die gute alte Vinyl-Schallplatte bietet nach wie vor gestalterische Möglichkeiten wie
kein anderes Medium. Oder hat etwa schon mal jemand einen
KIRSCHROTEN MP3-File gesehen? In Herzform?“
Hans Nieswandt ist DJ der alten Schule, mit Herz und Seele. Was erwartet man von dem Buch, wenn man den Typen dahinter kennt? Drogenrausch, nicht enden wollende Parties, keine Nacht im eigenen Bett? Das sind die Klischees, die im Kopf herumschwirren, wenn man den Untertitel „Geschichten aus der Diskowelt“ liest. Doch solche Bücher gibt es wie Sand am Meer. Hans Nieswandt geht das alles anders an.
Bei der Geschichte von Jungspund DJ Dennis kann man miterleben, wie er sich seinen Platz in der Szene sichern will und wie er sich in diese hinein finden muss. Bisher hat er nur in seiner Dorfdisco gespielt und das Pflaster auf den großen Floors ist eben doch ein anderes. Streitigkeiten mit anderen DJs und die ein oder andere Lovestory kommen dabei auch nicht zu kurz. Man merkt, wie er sich auf unsicheren Schritten durch die Abende bewegt und erst nach und nach an Standhaftigkeit gewinnt. Hans Nieswandt hingegen musst sich längst keine Gedanken mehr machen und dies merkt man auch den Parts aus seinen Erzählungen an. Wenn man diesen trauen darf, klingelt sein Handy pausenlos, es flattert ein Auftrag nach dem nächsten rein und zwischen all den Fernsehproduktionen, Diskussionen und Theatergeschichten kommt er kaum noch dazu, eigene Auftritte auf die Beine zu stellen. Natürlich passiert dies trotzdem noch und seine Musik führt in in die absurdesten Clubs auf der ganzen Welt. Es wechseln sich ein Kapitel über DJ Dennis und eines über Hans Nieswandt ab. Die Übergänge sind dabei fließend gestaltet und auch die passende Portion Humor lässt er nicht vermissen.
Mit „DJ Dionysos“ stellt Hans Nieswandt ein weiteres Mal unter Beweis, dass er nicht nur als DJ Talent hat, sondern auch des Schreibens mächtig ist. Dieses Buch ist natürlich vor allem für diejenigen interessant, die sich in der elektronischen Musikszene auskennen und die Querverweise verstehen. Ja, durchtanzbarst. Das Wort gibt es.
VÖ: „DJ Dionysos“ erschien in November 2010 bei KiWi.