Startseite » HEALTH – Get Color

HEALTH – Get Color

HEALTH - Get ColorJeder wahre Künstler braucht es, wenige haben es. Die Rede ist vom „Golden Touch“, dem Mikropartikel genialischer Andersartigkeit, den man sonst nirgendwo im akustischen Kosmos findet. HEALTH aus Los Angeles tragen eine Faszination des Unhörbaren in unsere Breiten, die wohl selbst den hartgesottenen Musik-Nerd erschüttern dürfte und nennen das ganze dann musikalische Weltrevolution. Klar, dass hier einiges zwischen Fakt und Fiktion verwischt.

Zuerst einmal: Fakt (und kurios genug) ist, dass HEALTH bevor sie ihren ersten Longplayer unter eigenem Namen veröffentlichten, bereits ein namhafter Bestandteil der Blog-Remix-Szene waren. Größen der Szene wie das Elektro-Duo Crystal Castles nahmen sich dem Material der Kalifornier an, welche vom Erfolg ihrer Avancen beseelt, gleich ein ganzes Projekt names HEALTH//DISCO aus dem Boden stampften.

Festlegen lassen wollen sich die Vier also schon überhaupt nicht, dieses Statement kann man auch problemlos auf „Get Color“ ummünzen. Dabei werfen sie mal so eben einige Grundpfeiler des melodieverwöhnten Musikverständnisses über Bord: Gesang ist auf allen neun Tracks nur in Form diffusen Summens und Zirpens zu vernehmen, das teilweise komplett im Hall ertrinkt. Die Gitarren sind grundsätzlich krankhaft verzerrt, was die ohnehin schwere Differenzierung zwischen Klampfe und Synthesizer nicht eben vereinfacht. Allein Drummer BJ Miller darf seine konstant rumpelnden Beats unter dem Wehen seiner Haarpracht ohne große Aussetzer einstreuen und legt damit das Fundament für das apokalyptische Soundinferno.

Viel effektiver als jegliche schriftliche Abhandlung über HEALTH ist aber sicherlich ein simpler Selbstversuch. Man möge sich das Video zu „Die Slow“, dem eingängigsten (ja!) Song der Platte zu Gemüte führen:

Das Album dauert lediglich knapp 33 Minuten, ist dem Rezensenten aber bei ersten schockierenden Hörversuchen deutlich länger vorgekommen als noch der langatmigste The Mars Volta-Streich. Hier sei der vielzitierte Vergleich mit dem Zahnarztbesuch angebracht: Man weiß vorher nie, was einen erwartet, aber meistens fühlt man sich danach nicht gerade besser. Es ist also tatsächlich Realität, HEALTH machen krank, welch Paradoxon!

Ob HEALTH irgendwann einmal als Vordenker moderner Musik gefeiert werden? Man kann es nicht abschätzen. Vielmehr verlangt „Get Color“ schon jetzt nach einem Nachfolger. Erst dann wird man den Stellenwert dieses radikalen Albums bemessen können, dessen wenige vorhandene Melodien sich erst nach und nach zäh herausschälen. Um Schönheit zu erzeugen, muss sie tief im Krach und im Unhörbaren nisten, denn erst dadurch wird sie als solche definiert. Dieses Credo könnte man den Kaliforniern gleichwohl attestieren.

„Get Color“ erscheint am 18.09 via Cooperativ/Universal.

Die vier Gesundheitsfanatiker unter der kalifornischen Sonne

Wir freuen uns über deinen Kommentar: