Auch wenn die Klassik strikte Regeln vorschreibt, ist der jugendliche Leichtsinn für Noah And The Whale kein Fremdwort. Und da nimmt man es dem jungen Sänger Charlie Fink auch nicht übel, wenn er etwas viel zu spät zum Interviewtermin im Frankfurter Cocoon Club erscheint, wenn man dann dafür erfährt, dass man sich das Geld für einen Kinobesuch von „2012“ lieber sparen sollte.
Charlie, wie geht’s dir?
Mir geht’s gut, danke, wie geht’s euch?
Wie sind eure Konzerte bisher gelaufen?
Die Tour lief gut bisher, hat Spaß gemacht!
Wie haben die Fans von Phoenix auf euch reagiert?
Bisher sind die Reaktionen positiv ausgefallen. Wir haben nur eine halbe Stunde, wir spielen also nur die Songs, die am besten zu diesem Umfeld passen, aber bisher sind sie positiv auf unsere Musik eingegangen.
Gibt es einen Song, den ihr am liebsten live performt?
Ich mag es unseren Song „First Days Of Spring“ am Ende einer Show zu spielen. Es macht Spaß, dieses Lied zu performen.
Jetzt hast du gerade diesen Song erwähnt. Eure Songs sind sehr komplex. Findest du es einfach, sie live genauso eindringlich und gut wiederzugeben wie auf Platte?
Ja, ich meine, es ist natürlich eine andere Sache. Es ist unbestreitbar, dass es eine andere Situation ist, ob du nun allein mit einem Mikro in einem Raum bist oder den Song in einem Raum mit vielen Leute spielen musst. Ich hoffe, dass ich eine gute Performance hin bekomme! Ich versuche es zumindest.
Heutzutage ist elektronische Musik ja the new black. Glaubst du, dass ihr es deshalb schwieriger habt, Leute mit eurer Musik zu erreichen?
Ich denke, dass es genug Raum für viel unterschiedliche Musik gibt. Ich höre auch viel elektronische Musik. Ich denke, dass es unser Ziel sein könnte, eine Lücke zu füllen, die noch nicht gefüllt wurde. Hoffentlich schaffen wir es, Emotionen zu erzeugen.
Denkst du, dass Bands aus UK heutzutage eine Art von Musik machen müssen, die es zuvor noch nicht gegeben hat, um erfolgreich werden zu können?
Ich denke, es ist unterschiedlich. Es gibt viele englische Bands, die in UK erfolgreich werden, aber es nicht schaffen, ihren Erfolg in andere Länder zu tragen. Aber ja, ich denke, wenn du aus dem Land raus willst, dann brauchst du schon eine einzigartige Note in deiner Musik, weil es momentan einfach eine so große Auswahl an Bands gibt, die gerade durch das Internet immer leichter zu erreichen ist.
Denkst du also, dass es immer noch möglich ist, Menschen mit „einfacher“ Musik zu erreichen?
Ja, ich denke schon. Wenn man zeitlich so weit zurück geht und bei Shakespeare ankommt, dann wird man heraus finden, dass jede Emotion, die ein Mensch je fühlen kann, in Shakespeares Werken beinhaltet ist. Seit diesem Zeitpunkt, drückt eigentlich jeder nur noch seinen Stempel auf eine Geschichte, die irgendwie schon erzählt wurde. Solange man ehrliche Musik macht, die einem selbst etwas bedeutet, wird es hoffentlich auch etwas für jemand anderes bedeuten.
Wie würdest du die Entwicklung vom ersten zum zweiten Album beschreiben?
Ich weiß nicht. Der Schreibprozess war auf jeden Fall sehr anders. Das ganze Album wurde als ein Gesamtwerk geschrieben und ist nicht nur eine Sammlung von Liedern. Und ein großer Unterschied ist, dass wir beim ersten Album die Songs geschrieben haben, um sie sofort live umsetzen zu können. Und diese Songs wurde vordergründig geschrieben, um aufgenommen zu werden. Du denkst also während der gesamten Zeit des Schreibens über die Arrangements nach und ja, die Arrangements wurden geschrieben, um vertont zu werden.
Euer musikalischer und lyrischer Stil wird oft als melancholisch und nachdenklich bezeichnet. Würdest du dem zustimmen?
Ich bin mir nicht so sicher, wenn es um melancholisch sein geht, denn ich denke doch, dass es im Gesamten einen bestimmen Grad an Optimismus in unserer Musik gibt. Ich denke, dass es auf diesem Album definitiv melancholische Momente gibt, aber als Ganzes betrachtet enthält es schon Katharsis.
Würdest du sagen, dass du eine nachdenkliche Persönlichkeit hast?
Manchmal. Ich weiß nicht. Manchmal ja, manchmal nein. (lacht)
Hast du beim Songwriting gewisse Erwartungen an dich selbst?
Ja, auf jeden Fall. Ich denke, dass ich mir heutzutage mehr Druck mache als je zuvor. Als Band allgemein sind wir ziemlich ehrgeizig, was Kreativität angeht. Ich denke aber, dass es gut ist, sich selbst ein bisschen Druck zu machen, um quasi etwas Qualitätskontrolle zu betreiben. Das ist wichtig.
Wirkt sich denn der Stress manchmal auch richtig negativ auf dich aus?
Ja, manchmal kommt das schon vor. Aber das wichtige dabei ist, sich nie zu sehr von außen beeinflussen zu lassen und einfach das zu tun, was man von vornherein geplant hat und sein Streben und seine Ideen zu durchschauen.
Gibt es einen bestimmten Grund, warum ihr euch dazu entschlossen habt, auf diesem Album weniger mit Sängerinnen zu arbeiten?
Der Hauptgrund dafür ist, dass es eine persönliche Geschichte beschreibt. Es ist kein Duett. Wir haben zwar einen Song mit einem Chor, aber das ist okay, weil es eine Gruppe an Stimmen ist und es ist viel intimer, wenn es nur zwei Stimmen sind, die gemeinsam singen.
Letzte Woche haben wir mit Russell von Editors darüber gesprochen, einen Song für eine Werbung herauszugeben. Er war nicht sehr begeistert von der Idee. Ihr habt aber mit „Five Years Time“ einen eurer Songs frei gegeben, hattet ihr Zweifel an der ganzen Geschichte?
Ja, wisst ihr, wir haben das sehr früh in unserer Karriere gemacht, wir sind da irgendwie hinein geraten. Wir haben oft Ärger mit unserem Label, weil wir über eine Million Pfund wertvolle Werbungen abgelehnt haben. Viele Leute wollen, dass wir was für sie machen, aber wir wollen es nicht. Ich würde gern im Filmbereich arbeiten. Da mach ich auch ein paar Sachen, mit Filmschulen und so. Aber dass wir was mit Werbung gemacht haben, ist ein Punkt, den ich irgendwie bereue. Aber man lernt aus seinen Fehlern.
Gibt es eine Firma, der du nie einen eurer Songs geben würdest?
Da gibt es viele Firmen! (lacht)
Kannst du eine nennen?
Nee, das sind echt zu viele!
Gibt es momentan ein neues oder aktuelles Album, das du andauernd hörst?
Was höre ich denn gerade? Sleeping States, das ist eine Band, mit der wir schon mal auf Tour waren. Ihr Album kam gerade erst raus. Was habe ich denn noch so gehört? Nichts Neues, ich habe in letzter Zeit viel klassische Musik gehört, zum Beispiel den Pianisten Vladimir Horowitz. Ich glaube, Sleeping States ist die einzige, aktuelle Sache.
Ist in eurer Band eine Vielfalt von verschiedenen Musikgeschmäckern vertreten?
Es gibt Sachen, die wir alle gern hören, wie zum Beispiel Tom Waits und Neil Young. Jeder hat seinen eigenen persönlichen Geschmack. Aber in letzter Zeit haben Tom und ich viel klassische Musik gehört.
Euer Name kommt ja von einem Film sowie dessen Regisseur. Würdest du sagen, dass eure Lieblingsfilme starken Einfluss auf euren musikalischen Stil haben?
Ja, ich denke, genauso wie eigentlich alles die Musik beeinflusst. Ich mag auch viele Soundtracks, Johnny Greenwood Soundtracks oder Richard Thompsons „Grizzly Man“. Ich versuche visuelle Musik zu schreiben. Ich denke, das hat schon was mit meinem Hang zu Filmen zu tun.
Ihr habt ja auch für das neue Album einen kurzen Film gedreht. Könntest du dir vorstellen, als Regisseur zu arbeiten?
Ja, ich habe sogar letztens angefangen einen Kurzfilm zu schreiben. Das würde ich nächstes Jahr gerne in Angriff nehmen, aber man muss eben die Zeit dafür finden.
Kannst du uns was darüber verraten?
Nee, das muss noch ein Geheimnis bleiben! (lacht)
Was ganz Anderes. Gibt es einen Künstler, den du gerne wieder beleben würdest?
An Halloween waren wir in Toronto, Kanada, und haben dort eine Show gespielt, die unter dem Motto „The Night Of The Living Dead“ lief und wir kamen alle als berühmte, verstorbene Songwriter auf die Bühne. Aber es gibt so viele, hm.
Jemand Bestimmtes vielleicht?
Vielleicht Buddy Holly. Er hat nicht gerade eine große Chance gekriegt, was? Er hätte so tolle Sachen machen können. Und Nick Drake, natürlich. Ja, das sind zwei gute Entscheidungen. Oh, und Arthur Russell, ich liebe Arthur Russell! Die drei!
Okay, zwei nicht ganz so ernsthafte Fragen. Hast du jemals einen Liebesbrief von einem Jungen erhalten, der dich tief berührt hat?
Das kann ich leider nicht bejahen.
Wenn du dir von den drei folgenden einen Beruf aussuchen müsstest, welchen würdest du wählen und warum? Model, Politiker oder Schornsteinfeger.
Ich habe sogar Freunde, die modeln. Also einer meiner guten Freunde ist Model und das ist unglaublich hart. Ein Politiker zu sein… uff, das sind alles harte Jobs! Ich glaube nicht, dass ich irgendeinen davon gut ausführen könnte, aber ich würde mich wohl für Schornsteinfeger entscheiden.
Was habt ihr für die Zukunft geplant?
Ich werde versuchen, mich gut um mich selbst zu kümmern, viel Wasser zu trinken und gesund zu bleiben. Hoffentlich werden wir im kommenden Januar eine EP aufnehmen und dann sind wir im Februar wieder in den USA unterwegs und danach kommen wir hoffentlich im März oder so wieder hierher zurück. Wir werden wohl bis in den Sommer hinein touren. Touren, aufnehmen und vielleicht einen Film machen! Mal sehen, wie es läuft!
Was macht ihr an Weihnachten?
Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Wir sind seit drei Monaten fast ununterbrochen auf Tour. Am Sonntag gehen wir nur für kurze Zeit nach Hause, weil wir bald schon wieder nach Italien gehen. Wahrscheinlich werden wir es zu Hause bei unseren Familien verbringen, die haben wir schon ewig nicht mehr gesehen, das wäre also schön.
Dank dir für deine Zeit!
Sorry, dass ihr so lange warten musstet!
Das Interview wurde gemeinsam von Alex und Marleen geführt.