Die heimliche Eröffnung des Immergut-Festivals findet am Donnerstagabend im Großen Saal des Landestheaters Neustrelitz statt. Hier werden die eher leisen Töne angeschlagen und so traut sich der ein oder andere Neustrelitzer unter die angereiste Jugend, der Bürgermeister spricht warme Worte. Der gut informierte Festivalbesucher weiß, dass der Weg hierhin sich wegen Gemütlichkeit und guter Musik besonders lohnt.
Die Sonne knallt auf das Landestheater Neustrelitz und es ist fast schon verwunderlich, dass es Leute gibt, die nicht am Badesee liegen, sondern sich für die Konzerte im Großen Haus entschieden haben. Der Saal ist gut gefüllt, die Kantine hat für die Pause fleißig Vorbestellungen für Bier, Buletten und Kartoffelsalat entgegen genommen, die vielleicht einzige halbwegs vernünftige Mahlzeit für den Festivalcamper.
Der Abend ist nordeuropäisch, es geht los mit Svavar Knútur, einem, wie er selbst sagt, Troubadour aus Island. Er steht allein auf der Bühne, bärtig und gemütlich, begleitet sich selbst mit Gitarre oder Ukulele und singt melancholische, gefühlvolle Lieder über die Liebe und die Natur.
Dazwischen erzählt er Geschichten, zum Beispiel die seiner ersten unerfüllten Liebe. Er (14) hatte sich mit ihr (13) verbredet, draußen war es, wie in Island üblich, dunkel und verschneit, man musste einen dicken Schneeanzug mit Kapuze anziehen. Als er seine Verabredung am Ende der Straße sah, winkte er und hüpfte vor Freude durch den Schneesturm, der andere Schneeanzug winkte und hüpfte ebenso freudig auf ihn zu, es war so romantisch. Kurz bevor sie sich in die Arme fielen, stellte er fest, dass in dem anderen Schneeanzug nicht das Mädchen seines Herzens, sondern der Junge aus der Nachbarschaft steckte. Das Treffen mit dem Mädchen fiel dann nicht mehr so euphorisch aus. Es wurde nichts aus den beiden. Er schrieb ein Lied: „Good bye my lovely“. Wenn er auf Englisch singt, dann fordert er die Leute manchmal auf mitzusingen und kreiert seinen eigenen summenden Immergut-Chor. Wenn er isländisch singt wie bei „Undir birkitré“ klingt das wie eine Zaubersprache und auch wenn man nicht alles versteht, weiß man worüber er singt. In „Ölduslóð“ besingt er die Meereseinsamkeit: „Dunkle See, weicher Schnee, wir trafen uns heimlich“ und das Unterwegssein in „Wanderlust“. Er stellt ein neues Lied vor: „Here comes the hurting“, dass erstaunlich rockig daher kommt, das Publikum tobt und ist begeistert. Die 50 Minuten gehen viel zu schnell vorbei, Svavar Knútur braucht eigentlich mehr Zeit, aber für eine kurze Zugabe mit „Johnsburg Illinois“, einem Tom Waits-Cover reicht es noch.
Nach der Stärkung in der Pause geht es mit dem dänischen Lasse Matthiessen weiter, der mit Band auf der Bühne steht, was die Songs gleich voluminöser und dichter macht. Er spricht hervorragend Deutsch, da er wie so viele Musiker mittlerweile in Berlin wohnt. Seine Stimme kann zärtlich klingen und dann wieder laut und gewaltig. Musikalisch schwankt Lasse Matthiessen zwischen Jazz, Folk und Rock, zwischen durch greift er die traurige Liebesgeschichte von Svavar auf und erzählt seine eigene, in der-wie sollte es in Dänemark anders sein, Regen eine besondere Rolle spielt, der Teenager nicht unbedingt besser aussehen lassen. Das Publikum applaudiert ihm mitfühlend zu.
Der Abend schließt pünktlich, es bleiben noch ein paar Minuten für einen Plausch mit den Künstlern und das Signieren von Tonträgern, bis der Shuttle-Bus vorfährt und das lustige, kleine Partyvolk zum eigentlichen Festivalgelände bringt. Dort angekommen fängt das Festival ausnahmsweise, weil es der 18.Geburtstag ist, auch schon am Donnerstag an und man hört bereits die ersten Töne von „Die Sterne“ von der Zeltbühne herüber schallen.