„I saw sunlight on the water/Saw a bird fall like a hammer from the sky/An old woman on a speed train/She was closing her eyes, closing her eyes.“
Wenn man diese Zeilen gelesen hat, muss man eigentlich nicht vielmehr sagen, damit man die neue Platte des amerikanischen Singer-Songwriters Sam Beam verstehen kann. Eine Platte voll Sehnsucht und Zeugnis von enormer Beobachtungsgabe. Mit dieser Platte im Gepäck geht man gerne auf Reisen. Denn mit diesen Songs auf den Ohren wird jede Fahrt im Nachtzug zum Trip durch die eigene Befindlichkeit.
Sam Beam, der Kopf hinter Iron & Wine, ist ein schlauer Kopf. Das merkt man Kiss Each Other Clean in jeder Minute an. Es spielt mit dem Hörer, spielt mit den Elementen des Folk und füllt die Räume des Pop aus, die sonst unbeachtet bleiben. Das ist beim Opener Walking Far From Home so und wird am allerdeutlichsten im wundervollen Monkeys Uptown. Die Instrumentierung klingt des Öfteren so verschroben, wie Sam Beam auf einigen Fotos aussieht. Ganz anders aber seine Stimme, die haucht, sanft wispert und klar singt. Aber ist das noch Folk-Musik, die sich so vieler Horizonte bedient und mit allem anderen als instrumentaler Spärlichkeit punktet? Einmal segelt ein Synthesizer durch die Szenerie, ein anderes Mal egalisieren schräge E-Gitarren jeglichen Stimm-Einsatz und eine verirrte Blockflöte rettet einem den Tag.
Beam kann es nur Recht sein. Seine Texte sind wohl konzipierte Geschichten die zu Ende gedacht werden wollen und immer nur so konkret werden, wie es die Fantasie der Hörer beflügeln mag.
Das ist teils dramatisch, teils so sehr mit authentischen Bildern aus der Lebenswelt gefüttert, dass es unwahrscheinlich leicht fällt diesem Sam Beam zuzuhören.
Viele Texte aber bleiben fragmentarisch und rätselhaft. Da wäre zum Beispiel der Auftritt des Lazarus im zweiten Song der Platte, oder diverse Metaphern, deren Bedeutung Sam Beam wohl als Geheimnis mit ins Grab nehmen wird. Hauptsache in jedem Song wohnt ein kleines Geheimnis inne.
Und das was Kiss Each Other Clean dann tatsächlich als eine wirklich große Platte
erscheinen lässt, ist die Tatsache, dass diese Musik atmet. Immer wieder nimmt sich
Beam völlig zurück, um der Instrumentierung allen Raum der Welt zu geben, um den Song seinem eigenem Fluss zu überlassen. Vielleicht auch ein Grund dafür, dass Kiss Each Other Clean, betrachtet man knarzige Saxophone und Beams hier und da soulige Stimme, an Elemente von Jazz und Blues heran langt. Schließlich klingt vieles auf Kiss Each Other Clean wie ein wunderbares Plädoyer an das nach Hause kommen, die Liebe und das Schicksal:
„Low night noise in the wintertime/I wake beside you on the floor Counting your breathing/Cause I can’t see nothing in this half moon/Lay me down if i should lose you.“
Bis jetzt eine der wundervollsten Platten des noch jungen Jahres.