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Jägermeister Rock:Liga // 22.03.2007 // Musiktheater – Kassel

Jägermeister Rock:LigaWenn ein Schnapsproduzent Konzerte im Sinne eines Fußballwettbewerbs austrägt, dann hört sich das soweit erstmal gut an. Jägermeister veranstaltet nun schon zum zweiten Mal die Rock:Liga, die wie folgt abläuft: In verschiedenen Gruppen treten jeweils drei Bands an mehreren Abenden gegeneinander an. Jeder wird dabei eine Auftrittszeit von 45-60 Minuten gewährt und gewonnen hat, wer eine lokale Jury und das Publikum (gemessen am Applaus) von sich überzeugen kann. Die Gewinner jeder Gruppe machen bei einem finalen Event den Sieger unter sich aus. Soviel zur Theorie.

Am 22.03.2007 gastiert die letzte dieser Gruppen in Kassel. Mit T.Raumschmiere, der Bloodhound Gang und Deichkind hochkarätig besetzt und für einen fairen Eintrittspreis ist das Musiktheater für diesen Abend ausverkauft.

T.RaumschmiereAngepfiffen wird pünktlich um 21 Uhr, ein nur noch kurze Zeit T-Shirt tragender Marco Haas alias T.Raumschmiere betritt die Bühne und schafft es, trotz geringer Bekanntheit, die Zuschauer zu animieren. Dabei wechselt er hastig zwischen Mikrofon, Keyboard und Synthesizer hin und her und geht mit diesen um, als hätte er noch tausende Ersatzgeräte hinter der Bühne. Mit projizierten Aminationen, üppiger Lichtshow und ordentlicher Liveband bringt er sein Material gekonnt rüber und seine Jeans immer mehr runter. Der Sound variiert zwischen Techno und Rock mit deutlichen Einflüssen von Punk und Depeche Mode – jedoch beschreibt der Titel seines aktuellen Albums, Blitzkrieg Pop, den Stil wohl am besten. T.Raumschmiere gibt sein bestes, verlässt nach rund 45 Minuten mit dem Wohlwissen, dass er gegen die großen Amis und den Titelverteidiger chancenlos ist (schön: „Wir sind die Bloodhound Gang, viel Spaß mit T.Raumschmiere“) die Bühne und hinterlässt auch bei vielen Zuschauern einen Eindruck, der in etwa sagt „War ganz ok, aber jetzt möchte ich doch bitte meinen Favoriten Bloodhound Gang/Deichkind sehen“.

Während die Bühne umgebaut wird, bekomme ich die Möglichkeit, mir ein Bild des Publikums zu machen. Über 30 wird hier keiner sein, viele können ihre besuchten Konzerte wohl an einer Hand abzählen bzw. dürfen heute damit anfangen. Unfreiwillig bekomme ich viel von Henriette und ihren Freundinnen mit, die vor, hinter und neben mir stehen. Henriette hat schon Festivalerfahrung; sie weiß, dass man seine Hangelenke schützen muss. Sie hat mal 2 Stunden auf eine Band gewartet und weiß, dass Manowar die lauteste ihrer Gattung ist. Deichkind kennt sie nicht vom Gesicht, sie ist wegen der Bloodhound Gang hier.
Bloodhound GangEben diese betritt dann auch die Bühne und lässt das Grüppchen der etwa 16-jährigen verstummen. Angefangen mit Fire Water Burn (genau, das „Burn, motherfucker, burn“-Gedudel) arbeitet man sich über die größten Hits der vergangen zwei Alben. Dabei wirkt die Gang jedoch zu routiniert. Und kann nicht mal wirklich etwas dafür. Zu bekannt sind die Auftritte auf MTV, das gegenseitige Anfurzen, das „Muuschie“-Rufen von Jimmy Pop (von der er angeblich auch eine in Kassel hatte), das ständige Blankziehen von Bassist Evil Jared. Eben dieser ist aber besonders der Favorit der nahen Mädchengruppe – man freut sich über Augenkontakt mit dem vollbärtigen Hünen und setzt sich kurz darauf Hasenohren auf. Wie gesagt – die Bloodhound Gang spielt ihre vulgären Poprock-Hits routiniert runter, Evil Jared und Jimmy Pop haben ihre Momente, andere Bandmitglieder sind Statisten – Betrunkene, Minderjährige und die mit dem Wissen, dass man die Gruppe nicht all zu ernst nehmen sollte hatten sicher ihren Spaß. Und wenn die Teens eines Tages in der Bandbio lesen, dass man als Depeche-Mode-Coverband anfing, dann kann man mal ein Auge zudrücken. Zugaben gibt es keine, wohl durch den Veranstalter und seine Regeln vorab beschränkt.

DeichkindNachdem sich die Reihen ein wenig leerten, da einige wohl nur die Bloodhound Gang sehen wollten, dauert es nicht lang und der Titelverteidiger wird angekündigt. Deichkind eröffnet mit Voodoo vom aktuellen Album Aufstand im Schlaraffenland ihre Show. Gekleidet in Müllsäcke, Klebeband und Knicklichter wirken sie (un-)gewollt cool. Generell, die Deko – geh in den Kindergarten deiner Wahl, hole die drei größten Ritalinabonnenten heraus, gib ihnen Geld. Sie werden dir Deichkinds Deko besorgen – Trampolin, Hüpfburg, die angesprochenen Müllsäcke, Klebeband, Knicklichter, Skelettkostüme, Hasenkostüme, selbstgebastelte Yippie-Yippie-Yeah-Fahnen, Wasserpistolen, Schlauchboot (zum Crowdsurfen), ein riesiges, mit Schläuchen voller Jägermeister versehenes Etwas names „Zitze“… und noch einiges mehr. Das polarisiert: Entweder man stempelt das alles als großen Haufen Unsinn ab, oder man hat Spaß am großen Haufen Unsinn und feiert mit einer der besten Bands, die nicht die Welt verändern wollen. Vom Durchbruchalbum performt (ja, auch dieses Boygroup-geprägte Wort passt hier) man nur Bon Voyage und das in einer von Elektro und Whoop There It Is verwursteten Version. Spätestens beim (Anti-)Clubhit Remmidemmi bewegt sich alles, sogar die Henriette-Gruppe, die die (jetzt maskierten) Gesichter vorher nicht kannte. Mit viel Schweiß und einem zerstörten Sofa beenden Deichkind ihren Auftritt, um die Bewertung folgen zu lassen.

Zuerst gibt die Jury, bestehend aus drei lokalen Journalisten, ihre Meinung bekannt – so gewinnt die Bloodhound Gang mit 3 zu 1 zu 1. Es folgt das ausschlaggebende Publikumsvoting nach Reihenfolge des Auftritts. T.Raumschmiere schneidet ab wie vermutet – ein guter Applaus, man klatscht aus Respekt und Solidarität – 108 db. Es folgt der Zweikampf: Lautes Geschrei und viel Applaus für die Bloodhound Gang, lautes Geschrei und viel Applaus für Deichkind – man wartet auf die nüchternen Werte des Dezibelmessers. Letztendlich gewinnen Deichkind mit 118 zu 114 db und haben nun beste Chancen auf den Einzug ins Finale in Berlin. Die Deichkind-Fans klatschen sich ab, die der Bloodhound Gang freuten sich zumindest, ihre Band einmal live gesehen zu haben. Denn das ist doch deutlich wichtiger als irgendwelche Platzierungen.

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8 comments

  1. Martina says:

    haha,Klein-Henriette wurde auch erwähnt=D
    nein,wir wollen nicht so gemein sein..immerhin hat sie die Bloodhound Gang mal LIVE gesehen.Gewohnt guter Bericht,Martin! Und sry nochmal das du zwischen Henriette und der Pogo-Fraktion stehen musstest,aber du wolltest ja nicht auf den besten Platz;)

  2. Martin says:

    Jaha, Benni, hab dich auch gesehen. Aber wollte das nicht zu explizit erwähnen ;)
    Jo klar, ihr habt der Bloodhound Gang eigentlich sämtliche Deichkind-Punkte geschenkt. Beste Fans und so.. Sei’s drum.

  3. benni says:

    fand das bewertungssystem auch doof. blöde kategorien. „bester jägermeister“. wow.

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