Spätestens seit dem Eintritt in den avantgardistischen Musikerzirkel namens Einstürzende Neubauten im Jahre 1997, dürfte Jochen Arbeit einer breiten Hörerschaft als fähiger und experimentell-produktiver Gitarrist bekannt sein. Vor einem Monat erschien mit „Arbeit: Solo“ eine Werkschau, die Ausschnitte aus zehn Jahren musikalischem Schaffen für Film, Theater, Installationen und Performances dokumentiert.
Arbeit verfolgte bei diesem „inoffiziellen“ Album weniger den Ansatz, die ganze Fülle an musikalischem Material präsentieren zu wollen. Vielmehr stellte er eine Compilation bestehend aus zwölf Stücken zusammen, die er jeweils in ihrer Ursprungsform beließ. Er verknüpft damit Material, das zunächst nicht in einem Gesamtkontext stand und schafft es, eine ganz neue Atmosphäre, ein ganz neues Stimmungsbild zu initiieren. Dazu liest der geneigte Hörer auf der CD: „This is not an an official album, it is a way to share some of my work with those who are interested an may enjoy this.“
„R in Hell“ sei beispielsweise Arbeits Lieblingslied zum Schlafengehen – nicht nur solche Kommentare im Booklet des Albums lassen den persönlichen und intimen Wert dieser Zusammenstellung aufscheinen. Das „Piece for Adidas“ ist eine zwölfminütige, heterogene Klangcollage, in der eine Szene aus David Lynchs Film-Kultwerk „Mulholland Drive“ genauso seinen Platz findet wie orientalische Klänge und Vogelgezwitscher. Die Sound-Collage komponierte Arbeit als Auftragsarbeit für Adidas. Im Rahmen der experimentellen Modemesse „Bread and Butter“ lief dieses Stück zwei Tage durchgängig. „Beckett Backwards“ ist im wahrsten Sinne eine kyrptische Tonsammlung, die für die Performance „No Title, But Layers“ geschrieben wurde. Die Performance basiert aus Becketts späten Text „Quadrat„, in dem der irische Dramatiker versuchte Bewegungkunst / Ballett als Fernsehszenario zu entwickeln. In „Yang Qin“ spielt Arbeit auf einer chinesischen Zither, die Musikerkollege Blixa Bargeld eines Tages in den Bunker / Probenraum der Einstürzenden Neubauten mitgebracht hatte. Erst mit dem letzten Liebeslied „Matching Mules“ hört man zum ersten Mal Gitarrenklänge im klassischen (akustischen) Sinne und kann sich beim Hören der letzten entspannten und versunkenen Klänge treiben lassen.
Der Audio-CD wurde zusätzlich eine DVD beigelegt. Zum einen finden sich hier vier Videos, von denen ausschließlich „R in Hell“ von der CD bekannt ist, zum anderen enthält die DVD drei Stücke der Compilation in Sourround-Sound-Version – eine Technik, welche die Mannen der Einstürzenden Neubauten immer wieder gerne anbieten. „Maud Casino“ und „Piel Maud/Katomi“ sind zwei neurotisierende aber auch Neugier weckende Szenen, in denen das Spiel von Anne Maud Meyer mit der Tonkulisse Hand in Hand geht. „Dancing Hands“ besticht durch Trash/Kult-Faktor, in denen Arbeit selbst als „Akteur“ auftritt.
Arbeits Solowerke versetzen das Publikum auch ohne ein Glas Rotwein, das sich beim Hören des Albums nahezu aufdrängt, in eine angenehme Schummrigkeit. Sie komplettieren eine gemütliche Lounge oder einen stilvollen Club mit dem perfekten musikalischen Anstrich. Gleichzeit sind sie nicht selten in der Lage mit dezenter Düsterheit den Hörer zu verstören oder (im Artaud’schen Sinne) zu erschüttern. Diese Werkzusammenstellung ist also vielseitig einsetzbar – und im konkreten Fall ist dies keineswegs ein Hinweis auf Beliebigkeit.
„Arbeit: Solo“ erschien am 17. Oktober 2008.