Für die meisten Filme ist Musik ein sehr wichtiges Stilmittel, welches aber erst hinzugefügt wird, wenn der Rest im Kasten ist. Für Palermo Shooting, den neuen Film von Wim Wenders, war die Musik hingegen grundlegend für den Film und bereits vor dem Drehbuch vorhanden. Die Idee dahinter war, einen Film zu schaffen, bei dem die Musik im Vordergrund steht und Teil der Geschichte ist. Für diese Aufgabe konnte Wenders exquisite Künstler wie Get Well Soon, Portishead, Iron & Wine, Jason Collet oder Calexico gewinnen.
„Ich bin mir nicht sicher, ob es ‚Der Soundtrack zum Film‘ oder ‚Der Film zum Soundtrack‘ ist“ – Wim Wenders
Palermo Shooting dreht sich um den Düsseldorfer Fotograf Finn, gespielt von Campino von den Toten Hosen, der immer und überall Musik hört. Auf seinem MP3-Player befinden sich 10.000 Titel, die er im Random-Mode hört, und nie weiß, welcher Song als nächstes kommt. Und doch passt seine Musik perfekt zu seinem Leben, zu den durchlebten Situationen. Immer wieder zeigt der Film Finns subjektive Perspektive. Die Musik in seinen Ohren wird zum Soundtrack, setzt er seine Kopfhörer auf, hört der Zuschauer Umgebungsgeräusche nur noch gedämpft.
Als beliebter Dozent und Promi-Fotograf mit schickem Atelier und hektischem Nachtleben findet sich Finn nach einer Trennung und einer ersten Begegnung mit dem Tod in einer Lebenskrise. Um zur Ruhe zu kommen und nach neuem Sinn zu suchen, entflieht Finn nach einem Shooting mit dem Model Milla Jovovich ins sizilianische Palermo. Dort lässt er sich durch die engen Gassen treiben, entdeckt und lebt – und wird plötzlich von einem geheimnisvollen Schützen verfolgt, der ihn vor einige Rätsel stellt. Der Film lebt von seinen Bildern, seiner Musik, der besonderen Wim Wenders-Stimmung und den kunstvollen tiefergehenden Szenen und skurrilen Momenten (wie Finns Begegnung mit dem schafehütenden Banker auf der Rheinwiese). Dennis Hopper brilliert in der Rolle als Frank/der Tod und auch Campinos Schauspielkunst lässt öfter als erwartet vergessen, dass man ihn in seit 25 Jahren nur als Frontsau einer Punkrockband kennt.
Überraschen mag deshalb auf den ersten Blick vielleicht auch die Songauswahl. Der Soundtrack beginnt mit Grinderman, hinter dem sich niemand geringeres als Nick Caves „Zweit-Band“ neben den Bad Seeds verbirgt, der sowohl Finn als auch später Frank einen Song widmet. Und auch wenn Finn in einer Bar vom Rock’n’Roll in Gestalt eines zu „Some Kinda Love“ von Velvet Underground aus der Jukebox steigenden Lou Reed gerettet wird, sind es viel mehr die ruhigen Klänge, die Finns ruheloses Leben in den Fugen halten. So hört beispielsweise von Bonnie ‚Prince‘ Billy und Monta a.k.a. Tobias Kuhn eigens für den Film geschriebene Stücke und auch Konstantin Gropper (Get Well Soon) steuert mit „Busy Hope“ und „Good Friday“ zwei extra komponierte Songs bei. Dazwischen Musik, die Wim Wenders besonders berührte. Dazu gehört unter anderem „Postcards From Italy“ von Beirut, „We All Loose One Another“ von Jason Collett oder „The Rip“ von Portishead. Besonders passend mit vielen Anspielungen auf die weitere Handlung ertönt Calexicos „The Black Light“ bei Finns Ankunft in Palermo. Dazwischen bleibt sogar noch ein wenig Platz für den sich perfekt einfügenden Score von Irmin Schmidt.
Egal, wie der Film gefallen wird, mit seiner Sammlung, Auswahl und Anregung großartiger Musik schafft Wim Wenders Kino für die Ohren, auch ganz ohne den Film vor Augen.
„Palermo Shooting“ kommt am 20. November 2008 in die Kinos.
Der Soundtrack wurde am 7. November 2008 bei City Slang veröffentlicht.