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Karamel: „Maschinen“ Releasekonzert im Nachtasyl

Es ist Freitag Abend um 22 Uhr. Die letzten Besucher verlassen das Thalia-Theater in Hamburg, wo einige Minuten vorher das Theaterstück „Die neuen Leiden des jungen W.“ zu seinem Ende fand. Genau zu diesem Zeitpunkt öffnet das Nachtasyl, das zum Theater dazugehört. Wie es der Zufall so will, spielen Karamel an diesem Abend ihr Release-Konzert zu der Platte „Maschinen“, das ebenso gut unter dem Motto „Die neuen Leiden des Johann S.“ hätte laufen können.

Und obwohl die meisten Zuhörer wissen, dass sie angesichts der bisherigen Ankündigungen ein eher dunkles Album erwarten wird, sind alle noch ausgelassen, als ich das Nachtasyl betrete. Kein Wunder, es sind größtenteils Freunde der Band, die heut Abend dabei sind, ein Blick auf die vollkommen überfüllte Gästeliste verriet dies. Aber auch das wundert nicht, schließlich kommen Karamel aus Hamburg. Die Location ist wie gemacht für einen solchen Abend. Den Raum kann man nur in groben Zügen erkennen, lediglich rotes Schummerlicht beleuchtet die Sitzgelegenheiten (Gemütliche Sofas und kleine Holztribünen) und den Weg zur Bar – Nur ebendiese und die gerade mal knöchelhohe Bühne erstrahlen etwas heller.

Auch die Musiker des Abends waren bereits anwesend und bedienten sich fleißig an einer Weinflasche nach der nächsten. Wenn ich von „Musikern“ spreche, dann nicht nur von den drei Herren Karamel, sondern auch von Gisbert zu Knyphausen und Krakow Loves Adana. Die beiden sind nämlich Gastmusiker auf der „Maschinen“. Gerade gut angetrunken betritt Krakow Loves Adana gegen 23 Uhr Uhr die Bühne. Die junge Band ist noch nicht jedem ein Name, bisher gibt es noch keine Veröffentlichung – Ein Album ist aber in der Mache. Sichtlich aufgeregt und noch etwas unbeholfen gehen sie spärlich mit Ansagen auf der Bühne um, hinterlassen aber einen bleibenden Eindruck. Die Musik ist intim und minimalistisch gehalten und erinnert mit den bedacht eingesetzten Effekten sogar an The Notwist. Was aber am meisten umhaut ist der düstere Gesang von Sängerin Deniz Cicek. Der Charme hat Johann Scheerer ja auch so begeistert, dass sie auf einem Großteil der neuen Karamel-Songs ihren Gesang beisteuern konnte.

Nach nur einer kurzen Pause betreten dann auch schon Karamel die Bühne. Zu dem Zeitpunkt stand ich grad am Gedrängel an der Bar, hörte aber bereits die ersten Töne vom Album-Opener „Sorge“, die Sebastian bedacht auf seiner Gitarre zupfte. Ich kannte „Maschinen“ bereits eine Weile und mein Verdacht, dass nun das komplette Album einmal durchgespielt werden würde, bestätigte sich. Lediglich „Warten Darauf“ wurde weggelassen, wenn ich mich recht entsinne. Whatever, das nun folgende Konzert sollte eines der schönsten seit einiger Zeit werden.

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Die mitreißende, mysteriöse und düstere Stimmung des Albums konnte live nicht nur erhalten, sondern noch um einiges verstärkt werden. Es war wirklich beeindruckend, Karamel beim Präsentieren der Songs zuzuschauen. Speziell Johann Scheerer ist derartig eins mit der Musik – Man hat den Eindruck, dass da irgendwas ist, das ihn treibt und ihn in den passenden Momenten durchdrehen lässt. Oder überspitzt gesagt: Auch er wirkte wie eine Maschine, die jeden Takt trifft, raus schreit, was raus muss und trotzdem fernab vom Perfekten ist, die Texte triefen nur so vor Schmerz und Erkenntnis – Und bieten gerade daher dem Hörer eine wahnsinnige Projektionsfläche. Die hintergründige Harmonie in der Musik wird gebrochen von bis zur Unkenntlichkeit verzerrten Gitarreneinlagen durch Sebastian. Diverse Effektgeräte für die Gitarren erledigen dann den Rest, um bis an den Rand ausufernde Lieder zu kreieren. Der Name des Albums passt wie die Faust aufs Auge zur Musik. Die Maschine ist immer zu hören, sie rotiert unerbittlich, rennt manchmal schneller, als es einem lieb und ist manchmal so langsam, dass es einem die Nerven zerreisst – So lang bis Johann mit Wut in der Stimme das Getriebe wieder vorantreibt und das Schlagzeug das Herz wieder schneller schlagen lässt. Nach den Songs der neuen Platte wurden als Zugabe noch altbekannte Lieblingssongs gespielt. „Angst“, „Sag mal, Johann“ und „Gleichgewicht“ als Beispiel. Letzteres endete in einer experimentellen Mini-Session, bei welcher Johann höchst stimmig an den Effektgeräten herumfrickelte und immer wieder das selbe Riff zupfte, welches dann grinsend vom Drummer mit knallendem Schlagzeug erwidert wurde.

Aber zurück zum Essentiellen: Ich hatte wirklich Gänsehaut vor Fassungslosigkeit und ich denke, es ging vielen Zuschauern nicht anders, dem stets jubelnden Applaus nach zu urteilen. Es war angemessen, dass ein Großteil des Publikums saß, selbst, wenn manche Idioten durch spontane Tanzeinlagen direkt vor der Bühne das Bild etwas trübten. Nicht vergessen zu erwähnen sollte man, dass Krakow Loves Adana auch mit am Mikrofon stand, ebenso wie Gisbert zu Knyphausen. Beide taten ihren Dienst und sangen brav bei den Songs mit, wie sie es auch auf dem Album bereits tun, hielten sich aber ansonsten zurück. Überraschend war es, dass Gisbert auch bei einigen Songs mitsang, bei denen er auf dem Album gar nicht mitgemacht hat. Johann verriet, dass das spontan bei den Proben für das Konzert besprochen wurde. Auch wenn die Musik sehr emotional ist, zwischen den Songs wurde gerne mal gewitzelt. Als ein Zuschauer beispielsweise nach „Stimmung!“ rief, konterte Johann nur „Stimmung, alter“, um den nächsten Song einzuleiten. Und auf die Nachfrage, welcher Wein denn da grad getrunken werden würde, wurde dem Fragenden spontan ein Gläschen zum Probieren eingeschenkt.

Es ging sehr persönlich zu und man konnte gar nicht anders, als sich pudelwohl zu fühlen und etwas verstört von den Eindrücken im Kopf dazusitzen, als das Konzert dann nach fast 2 Stunden zu später Zeit ein Ende nahm. Danach war es noch möglich, problemlos ein paar Worte mit den Menschen, die an diesem Abend auf der Bühne stand, zu wechseln. Und ein Bier trinken und gemeinsam anstoßen war auch inklusive – „Auf manche Dinge im Leben, an denen man besser nicht rührt.“


Weitere Fotos, von Martina, zu dem Abend gibt es an dieser Stelle.
Die Rezension zum Album „Maschinen“ findet ihr hier.

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