Seit dem 18 August steht bekanntermaßen das zweite, fast durchweg positiv rezensierte Album der Berliner Band Klez.E, „Flimmern“ in den Regalen aller guten Plattenläden. Der sehr sympathische Tobias Siebert, seines Zeichens Sänger und Songwriter der Band, nahm sich die Zeit für ein gemütliches Treffen, um uns all die Fragen zu beantworten, die nach dem Release eines derartig großartigen Albums entstehen.
Euer zweites Album ist seit vergangenem Freitag draußen. Wie ist euer Gefühl damit? Seid ihr selbst rundum zufrieden?
Ja! Wir haben am Freitag noch groß gefeiert mit der Band, waren Bowlen und Essen und später hat das DJ-Team „INDIE.ANER“ hier in Berlin für uns eine Party gegeben, die bis morgens um sieben Uhr ging, was beschreibt, dass es für uns jetzt so ein Punkt war, aufzuatmen.
Und ihr seid auch völlig zufrieden mit dem Endergebnis?
Ja. Zwischenzeitlich gab es noch Punkte, wo wir einfach nicht mehr wussten, ob es jetzt gut ist oder nicht, weil.. Wir haben letzten Sommer angefangen und sind dann mit dem Studio umgezogen, im Herbst und im Winter, mussten neu aufbauen und haben in der Zeit natürlich immer wieder die noch nicht fertigen Aufnahmen gehört und irgendwann war es dann so, dass man es selbst einfach nicht mehr hören konnte. Da kam dann die Frage, ob es jetzt wirklich gut ist oder eben nicht. Aber mit der Zeit und nach längerem Nichthinhören ist es jetzt so, dass wir alle sagen: Ja, super!
Es ist ja inzwischen das zweite Album. Wie würdest du die Entwicklung der Band seit „Leben Daneben“ beschreiben?
Wir sind als Band seitdem sehr zusammengewachsen und haben uns noch näher kennen gelernt. Jeder hat die Dinge, die er in der Band macht, ausweiten können und ist weiser geworden, in dem was er zu tun hat, auch bezogen auf die Aufgaben, die über die Musik hinausgehen. Jeder hat ja so seine Aufgaben. Da macht einer die Webseitensachen, ein anderer macht die Videoideen und –umsetzungen und so. Wir konnten uns in allem einfach sehr verbessern und uns einfach mehr kennen lernen und dadurch ist in der Musik auch eine größere Sicherheit mit dem, was wir da eigentlich machen, entstanden. Und genau das war dann auch in den neuen Stücken schon spürbar, vor allem nach der Tour zu „Leben Daneben“, die uns wirklich sehr eng zusammengeschweißt hat. Danach neue Stücke zu machen wahr für uns sehr, sehr intensiv.
Du bist bekanntermaßen ein schwer beschäftigter Mann: Du spielst außerdem bei Delbo und Samba und bist darüber hinaus sogar als Produzent tätig. Hört man auf deine Texte, so kommt man nicht um die Erkenntnis herum, dass aus diesen das Leben ja förmlich heraussprudelt. Wie schaffst du es, so viel zu „arbeiten“ und trotzdem so intensiv zu leben, um solche Lieder zu schreiben?
Oh.. Ich kann es dir ehrlich gar nicht sagen. Es ist zeitlich schon immer wahnsinnig eng. Besonders jetzt nach dem neuen Studiobau haben sich, da wir später als geplant fertig wurden, einige Projekte, die aufgenommen werden wollten, sehr zusammengestaucht, die ganzen Pausen, die dazwischen als freie Zeit geplant waren, waren alle einfach weg. Ich habe jetzt gerade vor eineinhalb Wochen das erste Mal ein paar wirklich freie Tage eingeschoben, nachdem ich vorher eigentlich das ganze Jahr nur gearbeitet habe. Es ist schon viel, aber ich versuche mir einfach manchmal noch Zeit zu nehmen, z.B. um abends oder morgens noch auf dem Balkon zu sitzen. Auch auf der Tour geht das ganz gut, wenn wir einfach nur unterwegs sind und zwei oder drei Wochen lang viel im Bus sitzen, da kann man dann sehr viel nachdenken.
Teile deiner Texte sind ja in einer gewissen Abstraktion verfasst. Mit welcher Intention machst du das? Ist es dir wichtig, dass immer ein Teil deiner Texte irgendwie „verschleiert“ ist? Oder passiert das eher unbewusst?
Das passiert eher unbewusst. Da liegt dann einfach das Blatt und es gibt gar keine Überschrift, sondern ich schreibe einfach und entweder es gefällt mir, oder auch nicht, dann wird es verworfen oder umgeändert. Oft ist es sogar so, dass ich selbst erst nach zwei oder drei Tagen wirklich komplett verstehe, was ich eigentlich meinte. Also.. Es ist nicht klar, dass jetzt um die oder diese Sache geht. Es gab eigentlich nur zwei Stücke auf der Platte, wie „Standard“, bei denen wirklich vorher klar war, worum es ging. Da war es dann aber sehr schwer, das wirklich so zu formulieren, dass es irgendwie funktioniert. In der deutschen Sprache muss man da ja sowieso immer sehr aufpassen…
Es ist aber nicht so, dass du diese Abstraktion oder Verschleierung total bewusst erzeugst, sodass man nicht mehr erkennt, welche eigentlich die konkrete Aussage des Liedes war?
Nein, das passiert ganz unbewusst. Ich, für mich selbst, finde es auch gar nicht so schwer, die Aussage zu verstehen, während andere, die über die Lieder reden, oft etwas völlig anderes verstehen, was aber auch total schön so ist, dass da dieser Raum für eigene Interpretationen ist.
Ich hatte das Gefühl, dass hinter jedem eurer Texte eine bestimmte Grundstimmung steht. Fällt es auch, als Band, leicht, die Stimmung der Texte auch musikalisch zu erhalten, sodass deine Intention am Ende im Gesamtlied rüberkommt?
Es ist sogar genau andersrum. Wir sind zusammen im Proberaum, machen das Lied, oder Teile davon, und ich singe dabei immer gleich mit. Zwar natürlich noch ohne Text, aber zumindest singe ich dann bestimmte Laute mit, so in einer Sprache, die es nicht gibt, wodurch an manchen Stellen eines Liedes schnell klar ist, was da jetzt passiert. Man weiß, dass an der oder der Stelle dann etwas mit „a“ oder „u“ kommen muss und das setze ich dann später in den Texten auch um. Mir ist es einfach wichtig, die Stimme als Instrument zu benutzen und dass bestimme Melodien beim Entstehen des Stücks gleich dabei sind. Es gab eigentlich kein Stück, wo die Gesangsmelodie erst später kam. Und genau das ist für mich eine gute Möglichkeit, Text und Musik gut miteinander zu verbinden.
Gibt es deiner Meinung nach eine Gesamtaussage von „Flimmern“? Oder einen zentralen Begriff, der das , was das Album rüberbringt, zusammengefasst, beschreibt?
Also.. Ein großes Thema, das wir später erst entdeckt haben, was man auch im Cover wieder entdeckt, ist das Wasser, was ja in erster Linie nicht so eine große Aussage hat, da Wasser ja erstmal einfach nur Wasser ist, aber tiefer betrachtet geht es auch in einigen Texten darum, ins Wasser zu fliehen, weg von Dingen, die hier im Land schief gehen… Irgendwie einfach die Koffer zu packen und dann geschlossen ins Wasser zu laufen, um zu sehen, was da los ist und was man da neu anfangen kann, oder ob es da auch schon Gesetze gibt, die da z.B. unter den Tieren im Meer herrschen.
Am 3. September spielt ihr in Hamburg zusammen mit den leider noch eher unbekannten Jenana. War ein gemeinsames Konzert euer eigener Wunsch?
Das lief eigentlich über die Bookingagentur. Jenana haben wohl damals angefragt, ob wir zusammen spielen können. Wir hören dann einfach nur mal rein und sehen, ob uns das gefällt und geben der Bookingagentur dann das „okay“ dafür. Ich selbst kenne die Band leider noch gar nicht. Bei der Releaseparty am Freitag war der Sänger da und hat sich kurz vorgestellt.
Außerdem geht ihr noch für einige Termine zusammen mit Madsen auf Tour. Lief auch das nur über die Bookingagentur?
Nein, das lag eher daran, dass ich Sebastian (Sänger der Band Madsen, Anm. d. Redaktion) kennen gelernt habe, wo ich ihm dann irgendwann mal eine CD von uns gegeben habe. Er hat auch mal eines unserer Konzerte gesehen, als wir zusammen mit Kashmir gespielt haben und fand das sehr gut, woraufhin er einfach sagte, wir sollen doch für fünf Tage auf Tour mitkommen. Also.. Ich weiß nicht, was uns da wartet. Ich denke, dass das Publikum schon ein anderes sein wird. Aber wir wollen gerade einfach viel spielen und auch mal sehen, ob wir andere Leute begeistern können. Wir wollen uns ja nicht festlegen auf einen bestimmten, kleinen Kreis von Leuten, die unsere Musik hören sollen.
Es gibt kaum Texte über eure Band, in welcher ein Vergleich mit Radiohead ausbleibt. Oft werdet ihr sogar als die deutschen Radiohead bezeichnet? Was denkst du über diesen Vergleich?
Ich dachte eigentlich, es sei inzwischen weniger. Ich habe gerade einige Rezensionen gelesen und es kommt jetzt nicht mehr wie bei der ersten Platte die Aussage, wir seien die deutschen Radiohead, es wird meistens nur als Referenz angegeben, so wie auch The Notwist. Ich denke, dass wir dafür auch insgesamt einfach noch zu unbekannt sind. Ich finde es auch gar nicht schlimm, solche Schubladen zu benutzen. Mir persönlich fällt es sogar leichter, mal in Musik reinzuhören, von der mir vorher jemand sagt, die klingen wie die Band X oder Y, weil das ja eine gewisse Spannung im Voraus erzeugt und bestenfalls am Ende nicht genauso klingt, aber trotzdem gut ist. Der Vergleich stört mich also gar nicht, so lange es eine Referenz bleibt, und nicht gesagt wird, wir seien genau wie die Band X oder Y.
Nun ganz unabhängig von Radiohead. Wo siehst du eure musikalischen Einflüsse?
Radiohead hatte ich da gar nicht als Einfluss für diese Platte genannt, während wir z.B. vor der ersten Platte sehr viel Radiohead gehört haben. Na ja. Wir sind ja fünf Menschen mit unterschiedlichen Musikgeschmäckern und jeder hört etwas ganz anderes. Genannt werden da immer Deichkind, Blonde Redhead, die ich sehr großartig finde, sowie auch Trail of Dead und auch mal Billy Talent.
„Flimmern“ wird an vielen Stellen als ein sehr düsteres Album beschrieben. Siehst du das auch so?
Ja, auf jeden Fall, aber als sehr angenehm düster. Deshalb auch das Cover, dessen Inneres erst so illustriert wurde, was aber sehr farbenfroh und frisch war, wo dann gleich in mir so die Stimmung hochkam, das müsse irgendwie verschleierter und düsterer sein und so, dass man nicht so weit gucken kann, eben so, wie auch der See ist, wo der Grund ja auch irgendwie eher unheimlich ist, so eingetaucht in Algen und so. Und so stell ich mir auch die Stimmung der Platte vor. Textlich ist es ja so, dass da ein paar Liebeslieder gibt und ein paar, na ja, vielleicht politische Stücke gibt, wobei es vor allem auf der Liebes- oder Beziehungsebene eine sehr turbulente Zeit war, als ich die Texte geschrieben habe, wo es viele positive, aber auch sehr viele traurige Gefühle gab. Und das Zusammenspiel von beiden gibt dann eher ein getrübtes Bild von der Zeit und so wollte ich auch, dass das am Ende rüberkommt. Deshalb würde ich es schon als ein eher düsteres Album benennen, aber trotzdem mit einer gewissen Energie, die da irgendwo herrscht, die man sich nehmen kann und die dann am Ende, für sich selbst, doch irgendwie positiv ausfällt.
Wie stellst du dir die Live-Umsetzung dieser Stimmung vor, die sich ja doch eher schwer gestaltet, da ihr ja auf der CD enorm viele Instrumente verwendet habt?
Im Moment sind wir dabei, alles irgendwie umzuschichten, um doch möglichst viel zu schaffen, indem z.B. Samples bzw. parallel laufende Sounds verwenden. Komplett geht das natürlich nicht, aber wir versuchen schon, so nah wie möglich am Original zu bleiben. Ich persönlich finde es immer sehr toll, wenn man bei einem Konzert im Raum steht, und die Band spielt so, wie sie auch auf der CD klingen. Besonders fasziniert hat mich das immer bei Portishead. Die haben losgespielt und es war einfach wie die Platte.
Was denkst du, was jetzt als nächstes passiert, nachdem das Album nun draußen ist?
Im Moment sind wir alle erstmal ziemlich aufgeregt, wie es so läuft, auch darüber, was so geschrieben wird. Und es ist wirklich toll, dass es gerade so gut läuft, dafür, dass wir nun nicht den absoluten Hit geschrieben haben, sondern einfach nur Musik machen. Es ist sehr schön, dass eine solche Aufmerksamkeit gibt. Aber es ist natürlich trotzdem unklar, ob sich am Ende alles rechnet, ob alles wieder reinkommt, was das Label ausgibt, was ja doch zu wünschen ist. Jetzt gehen wir aber erstmal auf Tour und dann werden wir uns noch mal ein Stück näher kommen und dann werden wir irgendwie langsam mit neuen Stücken anfangen. Nachdem zwischen „Leben Daneben“ und „Flimmern“ zwei Jahre lagen, wollen wir mit der nächsten Platte gerne etwas schneller sein.
Alle weiteren Informationen zu Klez.E gibt es auf deren Homepage.
Die Rezension des aktuellen Albums „Flimmern“ gibt es hier.