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Kurhaus – A Future Pornography

KurhausStellen wir uns die Musikwelt einmal kurz als Schule vor: Die meisten Kinder gehören zur Mainstream-Gruppe. Sie verstehen sich untereinander und finden sich auch so super. Alles wäre super, würden sie nicht von den kleinen Grüppchen auf dem Schulhof beäugt, die ihnen ab und zu mal ein Bein stellen, in der Schule rauchen und trinken und sich teilweise so stark separieren, dass man bei der Zeugnisausgabe zum ersten Mal ihre Namen hört – die Punks, die Hardcoreleute, die die Metalheads… Oft bei den Harcoreleuten, gelegentlich bei den Punks und bei den Metallern höchstens beim Kippen schnorren, sieht man einen unscheinbaren Jungen. Er grüßt die Meisten freundlich, stellt keine Beine und hat mitunter die besten Noten. Angeblich wurde er auch schon auf Partys der Mainstreamkids gesehen. Dieser Junge heißt Kurhaus.

Letztendlich ist Kurhaus aber eine Band. Hardcore, muss man anmerken. Anti-Tough-Guy-Hardcore muss man dabei auch anmerken. Das heißt, dass man explizit nicht Musik machen will, die zum Sozialdarwinismus vor der Bühne einlädt und sich nur durch Härte von Genrekollegen unterscheiden lässt und lassen will. Hier wird gegen den Metal-Strom des Hardcore der letzten Jahre geschwommen und vom Sound und Text her viel mehr am Punk orientiert. Mit dieser Mischung machten sich Kurhaus 2004 mit Refuse To Be Dead viele Freunde.

Diese Freunde werden sie mit ihrer neuen Platte A Future Pornography nicht verlieren, verfolgt diese doch den gleichen, oben genannten Kurs wie der Vorgänger. Die fünf Nordlicheter präsentieren uns eine Seite des Hardcore, die smarte Texte und kein vorschnelles „Was hörst du dir denn an? DAS soll Musik sein?“ der Mainstreamfreunde einfängt, denn der Stoff ist durchaus hörbar.

„Welcome to boot camp“ empfängt den Hörer Sänger Jan in One Last Scream und seine vier Bandkollegen liefern den (ordentlichen) Sound zu seinen gesellschaftskritischen Texten. Und auch Kurhaus machen Music for the (hardcore) masses, wie diverse Mitsingparts in den folgenden Stücken belegen, die Erinnerung an Priority #1, die Ultrahymne des Vorgängers wecken. (There’s A) Party At The Crack House verkauft sich als semiironisches, fast funkiges, von den Rhythmusinstrumenten getragenes Stück. Auch sonst werden Genreeinschränkungen von den Nordlichtern nur müde belächelt – Hardcore bildet nur das wackelige Gerüst, auf das sich (fast) alle Songs stützen: Ein kleines Highlight ist der Russlandfeldzug, welcher ein Instrumental ist, das verdammt stark nach Postcore riecht. Im (wunderbaren, mit Comics und Lyrics verzierten) Booklet steht „Du und ich/wir lassen nichts/als verbrannte erde/zurück“ – selten war ein Instrumental aussagekräftiger. Folgend ist ein weiterer Stilbruch in den Augen der Hardcore-Konservativen: From Gainesville To Hamburg ist ein großes Dankeschön an Hot Water Music, gehüllt in Pop, richtig mit Drummaschine und Depeche-Mode-Flair. Traditionsgemäß endet A Future Pornography mit Hardcore, obwohl der Titel Die Or Get Rich Tryin’ beinahe auf einen Hiphop-Querverweis andeutet. Letzendlich bleibt dieser aber aus und der Titel steht für guten Humor.

Kurhaus kochen mit dieser Platte einen Brei, an dem zwar viele Köche beteiligt sind, der aber trotzdem gut schmeckt. (Und wer auf gewagte Aussagen steht: Gelang das nicht zuletzt überzeugend einer schwedischen Band, die sich 1998 mit ihrem letzten Album ein Hardcore-Denkmal erbaute?). Dennoch kommt A Future Pornography nicht ganz an seinen Vorgänger Refuse To Be Dead heran. Nicht zu untergraben ist abschließend noch das tolle Artwork: Neben schon erwähntem Booklet gibt es ein Digipack mit hübsch gezeichnetem Comic.

7,5 / 10

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