Was kommt da aus den schottischen Wäldern auf uns zugestürmt und sieht nicht so aus, als könnte man es irgendwie aufhalten? Richtig, Meursault. Das elektrifizierte Folk-Kollektiv macht Musik für Getriebene und Naturverbundene, für alle Heimatlosen dieser Welt. Klänge, zu denen man ums besungene Freudenfeuer tanzen und schreien möchte: „Davon brauchen wir mehr“!
Man muss sich die sieben Schotten von Meursault wohl als wildwucherndes Bandgefüge vorstellen. Jedenfalls wenn man nach der Musik geht. Die ist unberechenbar, schillernd und vereint mal so eben im Handumdrehen die Antagonisten Folk und Elektro. Doch nicht ohne einer irgendwie noisigen Grundstimmung zu huldigen, die quer durchs Album oszilliert. In jeder Hinsicht exzessiv, so könnte man „Pissing On Bonfires/Kissing With Tongues“ gerecht werden, dessen Titel ja bereits einiges an Imaginationskraft abverlangt.
Aber diese Bezeichnung passt. Musik wie am Morgen nach einer Party im dunklen Wald. Die Klamotten sind vom Lagerfeuer verraucht, der Schädel dröhnt. Alle Wahrnehmung ist wie durch einen Filter gedämpft, aber so naturalistisch wie selten – man ist am Leben. Diese Empfindung hat man beim Hören, archaische Vergangenheitsphantasien blühen auf. Wo ist das echte, unverfälschte Leben? Dieser Frage gehen Meursault nach. Musikalisch wird das Gros der Songs von Steelguitar, Synthesizer und wolfsähnlichem Gesang zusammen gehalten. A propos, die Texte bewegen sich in ähnlich eskapistischen Einsiedlerbahnen.
It’s a beautiful way to get lost
All you need is a bottle and a few nagging thoughts
And a strong sense of all you ever wanted
And the strength to hold it to your chest as you kill it off
Oh, the road it will light up and guide you home
To a place as unfamiliar to you as a soul
There is nothing left now not to understand
And you were lost on such a small stretch of land
Die Songs handeln allesamt vom Abhauen, Sich-Verlieren und Wiederfinden, davon, dass jeder am Ende alleine dasteht. Die diesem innewohnende Schönheit nach außen zu kehren, das ist eine riesige Stärke von Meursault. Es ist beachtlich, dass die akustische Palette, von der die Band tupft, trotzdem von Schlaflied bis hin zu sakraler Feierlichkeit reicht. Und nicht zu vergessen, dass dieses Geturne größtenteils mit satten Elektrobeats und -claps unterfüttert ist. Das erfordert Mut und eine gehöriges Quentchen Querdenken. Alle diese musikalischen Elemente bringen die Schotten nun vor den Traualtar und ihr Bandgehör unters Bett der ersten Liebesnacht. Das ekstatische Resultat ist für immer auf Tape gebannt. Möge diese Ehe für immer halten!
„Pissing On Bonfires / Kissing With Tongues“ erschien am 05.11 via Popup-Records.