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MS Dockville 2014 Rückblick

MS Dockville 2015 | 21. – 23.08.2015 | Hamburg

Das neunte MS Dockville legte nun bereits vor einigen Wochen ab, und mit ihr segelten einige nur schwer vergessliche Festival-Momente davon. Darunter eine Neuentdeckung, ein einstündiger Überraschungsmoment, Verdächtige für das Konzert des Jahres und einige Herzensangelegenheiten.

Menschen auf dem MS Dockville 2015Das MS Dockville hatte in diesem Jahr vom 21. bis 23. August 2015 beste Voraussetzungen: strahlende Sonne über dem sonst so trübem Hamburger Himmel sowie ein für ein unvergessliches Wochenende prädestiniertes Line-Up. Es hätte immer noch einiges schief gehen können – doch tat es das nicht. Das Wetter und Line-Up hielten, was es versprach, übertrafen sich hier und da beinahe selbst.

Der Freitag lief zunächst etwas schleppend an: Der säuselnde Einheitsklang von Jonah konnte auf dem Großschrot kaum Eindruck schinden, auch Darwin Deez vermochte kaum Festivalstimmung einkehren zu lassen – allerhöchstens mit seinen originellen, beeindruckend synchronen Tanzeinlagen. Auch Pool, die auf dem Vorschrot ihrer Heimat an der Elbe und ihren fabulösem Debüt „Snacks & Supplies“ hätten alle Ehre machen können, wirkten – bis auf den sich stetig feiernden, barbusigen Drummer – eher geistesabwesend. Auch der so vielversprechende Àsgeir ließ einen eher hängen, hätte seine isländische Gänsehautmusik doch besser zu späterer Stunde auf einer kleineren Bühne eher seine Wirkung entfalten können.

Einzige Lichtblicke bis dahin waren die wunderbaren Bear’s Den, die sich mit ihrem herzigen Folk und einem atemberaubend schönen Cover von Drakes „Hold On, We’re Going Home“ in den Sonnenuntergang und die Herzen spielten. Genauso Sylvan Esso, die mit den elektronischen Spielereien von Nick Sanborn und der bezaubernden Stimme von Amelia Meath alle, die zuvor nicht bei Sascha Braemer oder Felix Jaehn ins Wanken kamen, nun zum Tanzen brachten.

Fast ein Paradox, sich in dieser Tanzeslaune danach zurück zum Großschrot und Tom Odell zu bewegen. Aber auch ein Fehler, hätte man es nicht getan, denn mit Tom Odell fand das erste große Überraschungsmoment des MS Dockville 2015 statt. Statt ruhige Töne, gedankenverlorene Klaviersonate und Sehnsuchtsmomente herauf zu beschwören, veranstaltete der Engländer zusammen mit Bass, Gitarre, Drums und zwei entzückenden wie herausragenden Background-Sängerinnen eine bombastische einstündige Rockoper, die sich zuletzt in einer enormen „Another Love“-Version regelrecht entlud.

Danach stand eine schwierige Entscheidung an: Interpol vs. Annenmaykantereit. Das Herz entschied und trug zu hunderts zu Annenmaykantereit vor die für die Newcomer längst zu klein gewordene Bühne. Wie nicht anders zu erwarten, überzeugten die Jungs, die neben zwei neuen Songs auch eine von Kindergartenfreund Ferdinand Schwarz am Saxophon begleitete Neuauflage von „Schon Krass“ spielten.

Sonnenuntergang am Hafen beim MS Dockville 2015

Nach einer durchtanzten Nacht mit Christian Löffler, RSS Disco oder Lexer, ging es am Samstag für Early Birds mit den MS Dockville Talks & Acoustic Sessions von detektor.fm und byte.fm und mit u.a. Sizarr, Hauschka und Klaus Johann Grobe los – obwohl man Acoustic Sessions leider wohl nachträglich streichen muss.

Nach dem hoffentlich nicht mehr so geheimen Geheimtipp Haelos ging es zu Sizarr, die – bei aller Liebe !– auch etwas geistesabwesend wirkten, klangen doch Songs ihrer LP „Nurture“ etwas aus der Spur geraten. Nichtsdestotrotz eine dieser Herzensangelegenheiten auf dem MS Dockville, die man auch bei 30° in der Sonne und kleinen tonalen Patzern zu schätzen wusste.

Noch so eine Herzensangelegenheit waren die Lieblinsgsschweden von Friska Viljor, die sich sichtlich über ihre Hamburg-Rückkehr freuten. Nach den ersten, neueren Songs, wandten sich die, wie immer in weiß gekleideten Schweden ihrem alten Liedgut zu. Neben altbekannten Songs wie „On And On“ oder „Whe Are Happy Now“, war einer der Gänsehautmomente des Festival der Flashback in die Jugend (naja, auf dem Dockville wohl nur in die Jugend einiger weniger) die Akustikversion von „Shotgun Sister“ – von allen innbrünstig mitgesungen!
MS Dockville 2015-Gig Django Django

Und dann waren da Django Django. Eigentlich eine alte Kiste, weil auch die kürzlich erschienene Platte „Born Under Saturn“ nicht die große Runde machte und nach nicht mehr als einer Neuauflage des gefeierten Debüts klang. Doch solche Meinungen über Django Django scheinen vorschnell, jedenfalls nachdem, was sie am Samstagabend zur Hochzeit bei erstmals allerbesten Lichtverhältnissen auf dem Großschrot auf die Beine stellen und aus ihrem Liedgut rausholten. Spätestens als es heißt „The light turned red, this means ‚Wor‘“ und Sänger Vincent Neff dieses Wortspiel auch so meint, knallen alle Sicherungen durch – auf und vor der Bühne. Django Django spielen nicht nur das MS Dockville, sondern auch sich selbst an die Wand. Heißer Anwärter auf eine Medaille für das Konzert des Jahres!

Dagegen kann auch Dan Snaith – tagsüber Mathematikprofesser, nachts Caribou – trotz noch epochaleren Lichtverhältnissen und seiner herausragendem Tanzmusik nicht gegen angehen. Auch wenn die letzte halbe Stunde, größtenteils ausgefüllt mit der denkbar besten, längsten, ausschweifendsten Version von „Sun“ dem auf den Fersen ist.

Zuletzt möchte aber nochder wunderbare Roosevelt erwähnt sein, der sich zwischen diesen beiden Giganten im Maschinenraum blicken ließ. Herrlich, beschwingte Tanzmusik und noch so einer dieser Herzensmomente, zu seinem liebevoll zusammen gebastelten Set zu tanzen.

Den letzten Tag des MS Dockville läuteten die Leipziger Warm Graves ein. Ohne Worte, aber mit ihrem dystopischen 45-Minuten-Set, zogen sie das kleine, wissende Publikum in den Bann. Wer danach zum Großschrot und dem Allround-Entertainer Dan Deacon übersiedelte, erlitt da schon einen Kulturschock.

MS Dockville 2015 Set SekuoiaViel los war dann erstmal nicht – außer für die vor allem jugendlichen MS Dockville-Besucher, die zum Set von Alle Farben oder Die Orsons pilgerten. Man sollte aber nicht denken, das Dockville-Wochenende hätte hier ein frühes Ende genommen, denn im Maschinenraum wartete noch Sekuoia mit einem herausragenden Set. So herausragend, dass auch Four Tet nicht mithalten konnte.

Zuletzt und zweifelsohne das Highlight des Tages: José Gonzáles. Vor dem versammelten Dockville, bei (wie schon an allen Abenden zuvor malerischem) Sonnenuntergang in Begleitung von Piano, Gitarre und Synthesizer gab der in Schweden lebende Argentinier seine wunderbaren Hymnen zum Besten. Unvergessliche, letzte Dockville-Momente!

Ja, mit dem Großschrot war es eine ziemliche Licht- und Ton-Achterbahnfahrt, auch wünschte man sich manche Acts hätte lieber in eine abendlichere Zeit und einen kleineren Raum versetzt. Ja, das Dockville ist und bleibt ein U21-Festival, auf dem man tagsüber über angetrunkene, glitzernde Neu-Abiturienten stolpert, erst abends die mit dem Fahrrad aus der 45 Minuten entfernten Hamburger Innenstadt Angereisten antrifft, die den Altersdurchschnitt heben. Ja, auch weit und breit kein Regen in Sicht war, roch der Boden vor der Hauptbühne drei Tage lang nach Kuhstall.
Doch viel mehr gibt es auf dem MS Dockville 2015 nicht zu beklagen. Denn die Köpfe hinter dem Dockville wissen, was sie tun: Wissen, welches Line-Up sich sehen lassen kann, wissen, wie man ein nachhaltiges Festival organisiert, wissen aus ihren Fehlern zu lernen, wissen, wie man dekoriert, wissen es einfach.

 


Bilder: privat

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