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Phantom/Ghost im Interview

Phantom/Ghost haben wieder einmal die Zeit gefunden, ein neues Album auf die Beine zu stellen. Wie die beiden das immer schaffen, weiß man gar nicht so recht – Schließlich stecken niemand geringeres als Dirk von Lowtzow und Thies Mynther hinter dem mysteriösen Namen, die mit Bands à la Tocotronic, Superpunk und Das Bierbeben doch eigentlich schon 24/7 beschäftigt sein dürften. Trotz alledem, das bereits vierte Album „Thrown Out Of Drama School“ erscheint in wenigen Tagen auf Dial und im Zuge dessen freuen wir uns sehr, dass Dirk sich die Zeit genommen hat, uns einige Fragen zu beantworten, die unter den Nägeln brannten.

Euer neues Album „Thrown Out Of Drama School“ erscheint recht bald. Was hat diesmal den „ästhetischen Kitzel“ ausgelöst, der euch für das Album inspiriert hat?

Dirk: Zunächst mal hatten wir einfach große Lust, einmal ein Album „nur“ mit Piano und Gesang aufzunehmen. Wir hatten in dieser sehr reduzierten und parodistisch-klassizistischen Besetzung, Stichwort „Schubert-Lieder-Abend“, bereits einige Konzerte gespielt, bei einem Avantgarde-Festival in Bern etwa oder in der Volksbühne Berlin im Rahmen einer Lesung von Dietmar Dath, der ja wie wir Buffy-Forscher ist. Diese Art des Zusammenspiels gefiel uns so gut, dass wir uns dazu entschlossen, das Album so aufzunehmen. Parallel dazu stieg Thies immer mehr in die Welt der Musical-Partituren ein und wir haben uns mit für uns bis dato so abwegigen Formaten wie der Operette beschäftigt, teils angeregt durch die Neuauflage von Siegfried Kracauers „Jacques Offenbach“-Buch, teils durch den hervorragenden Reader „Glitter And Be Gay“, in dem die schwule Tradition der Operette beschworen wird. Und natürlich, wie immer bei uns, noch durch einiges andere mehr, das mir jetzt schon wieder entfallen ist. Wir labern sehr viel, da kommt man oft vom Hölzchen aufs Stöckchen, wie man so schön sagt.

Das Album werdet ihr ja nun auf Dial veröffentlichen, wie kamt ihr mit dem Label zusammen?

Dirk: Wir sind seit langem sehr eng mit den Machern und Künstlern von Dial befreundet und schon das letzte Album „Three“ war eine Co-Produktion von Lado mit Dial. Nach dem Ende von Lado war es also ganz naheliegend, von nun an mit Dial zusammenzuarbeiten. Über die Jahre hat sich Dial ja auch zu einem sehr vielfältigen Label entwickelt, mit Bands wie Dominique und Künstlern wie Christian Naujoks. Wir fühlen uns da bestens aufgehoben und haben einfach in den allermeisten Dingen den gleichen Geschmack, die gleichen Ansichten und so weiter. Darüber hinaus ist es heutzutage sehr schwierig geworden, Alben wie „Thrown out of Drama School“ zu produzieren. Die Aufnahmen mit Piano sind langwierig und kostspielig und Dial sowie Johann Scheerer vom Clouds Hill Studio haben uns dieses Herzensprojekt großzügig ermöglicht und uns unterstützt. Es gibt jenseits von Dial auch kaum Labels, die sich auf so einen Wahnsinn einlassen würden.

Seid ihr denn mit der Entwicklung vom tanzbaren (elektronischen) zum Wein trinkenden Hörgenuss zufrieden? Ihr wart ja selbst ganz überrascht, als es auf „Three“ schon die Folk-Richtung ging.

Dirk: Ich sag mal so: Wir trinken alles. Wein, Bier, Champagner. So ist es auch mit der Musik: Wir nehmen uns als Duo die Freiheit, uns immer neue Regeln aufzustellen und innerhalb dieser zu arbeiten. Diesmal war es halt das „Kunstlied“, nächstes Mal vielleicht wieder Disco. Keiner weiss das so genau, am wenigsten wir selbst.

Insgesamt ist das neue Album von der Grundstimmung her noch um einiges positiver als noch auf „Three“. Oder um es anders zu sagen: Der „Grusel-Faktor“ ist weniger geworden. Wieso habt ihr davon Abstand genommen?

Dirk: Wir wollten in der Tat etwas Heiteres produzieren, ich erwähnte schon den Einfluss von Musical und Operette auf unser Album. Irgendwann hat es sich auch mal ausgegruselt und nach dem Hexenlied „Tannis Root“ vom letzten Album konnte eigentlich auch nicht mehr viel kommen. Es liegt auch, finde ich, eine Gefahr in der sparsamen Instrumentierung mit Piano und Gesang: Die Gefahr der Redundanz, die in der bloßen Aneinanderreihung von mit viel Pedal gespielten Mollakkorden besteht, der man, wenn man beispielsweise Nico-Fan ist, leicht erliegt. Das klingt dann „gruslig“ und immer irgendwie gut, ist aber, zumindest meiner Meinung nach, künstlerisch Quatsch. Diese Falle wollten wir durch Heiterkeit vermeiden. Kurz: Wir wollten die Musik auf „Drama School“ campy und vaudeville-artig statt bedeutungsschwanger und düster halten.

Zum ersten Mal habt ihr euch auch weibliche Unterstützung geholt. Wer ist Michaela Meise und wie kam es da zu der Zusammenarbeit?

Dirk: Das ist so nicht ganz richtig, Michaela Meise sang auch bereits auf oben erwähntem „Tannis Root“ vom letzten Album mit. Abgesehen davon, dass sie eine wunderschöne Stimme hat, ist sie hauptberuflich bildende Künstlerin, lebt in Berlin und ist zusammen mit der Kölner Künstlerin Cosima von Bonin, die seit „To Damascus“ für unsere Albumcover zuständig ist, „assoziiertes Mitglied“ von Phantom/Ghost.

Und war der Nachname der Dame etwa ausschlaggebend für das Lied „Ornithology“…?

Dirk: Sehr witzige Frage! Respekt! Leider ist das nicht mehr als ein sehr sehr schöner Zufall, der natürlich perfekt zu unserer manisch-assoziativen Methode passt. Das Stück „Ornithology“ ist eher eine kleine Hommage an den großen Komponisten Olivier Messiaen, der Zeit seines Lebens vom Gesang der Vögel fasziniert und beeinflusst war.

Ganz groß ist natürlich auch „You’re my mate“. Das habt ihr ja auch live schon immer gespielt, was hat euch dazu bewogen, das in euren Stil zu übersetzen?

Dirk: Wir hatten dieses schöne Stück Musik ja seit jeher in diesem Arrangement im Programm und es war eigentlich immer ein Knüller. Insofern erschien es uns logisch das Album damit zu beenden. Es wäre witzig zu erfahren, was Right Said Fred dazu sagen würden. Kriegen die sowas wie unser Album überhaupt mit? Ich habe keinen blassen Schimmer.

Bei dem Lied „The Process“ ist diesmal schon bereits der „Urheber“ Brion Gysin mit angegeben. Was haben Song und Roman denn miteinander zu tun?

Dirk: Das Lied ist eine Vertonung des Romans „The Process“ von ebendiesem Brion Gysin. Es verhält sich zu dem Roman in etwa so wie die Dramatisierung von Prosa oder die Verfilmung eines Romans. So wie, sagen wir, „Doktor Schiwago“ von David Lean nach Boris Paternak. Klar, unter David Lean machen wir es nicht. Der Hinweis im Titel ist ein bisschen eine Verballhornung der mittlerweile klassisch gewordenen Appropriation Art von Sherrie Levine, die ihren abfotografierten Fotos auch immer Titel wie „After Walker Evans“ oder „After Karl Bloßfeld“ gab.

Und ist der Hinweis auf Brion Gysin auch so zu deuten, dass ihr es leid seid, ständig auf eure Einflüsse angesprochen zu werden?

Dirk: Ich finde es eigentlich spitzenmäßig, wenn man auf seine Einflüsse angesprochen wird, denn es besagt ja, dass sich die Hörer- und Hörerinnen mit unseren Inhalten auseinandersetzen. Mehr kann man sich ja gar nicht wünschen. Es ist nur manchmal etwas ermüdend, darauf zu antworten. Aber das ist ja eher unser Problem.

Wie schreibt ihr eure Songs? Sind zuerst die Texte fertig und dann gehts auf ins Clouds Hill?

Dirk: Wir schreiben jeder ungefähr die Hälfte der Lieder des jeweiligen Albums komplett mit Text und Musik und pfuschen dann gegenseitig an den Liedern des anderen herum. Welches Lied von wem ist, wird aber geheim gehalten. Top Secret!

Man munkelt ja auch von einer 12″ zusammen mit Pantha Du Prince. „The Shadow“ soll es heißen? Kann man dazu schon mehr erzählen?

Dirk: Ist in Arbeit. Ein Non-Album-Track, den wir aufgenommen haben und den der Pantha ausproduziert hat. Er ließ bisher verlauten, es würde sehr avantgardistisch. Mehr weiss ich auch noch nicht. Erscheint dann, zusammen mit anderen Mixen, geplant ist zum Beispiel auch Carsten Jost, auf Dial.

Was würdet ihr als Band gerne mal machen, was ihr euch aber nicht traut?

Dirk: Wir wollen seit Jahren schon ein komplettes Musical über Yves Saint Laurent schreiben: „Yves. The Musical“, aber wir trauen uns das zumindest jetzt noch nicht zu. Es wäre aber bestimmt wunderbar, man könnte fantastische Chorszenen haben – Stichwort Defilés! – sowie schöne Frauen, rührende Liebesmomente zwischen Yves und Pierre Bergé und tolle Nebenfiguren à la Karl Lagerfeld! Vielleicht wird das ja noch mal was in ferner Zukunft.

Das war es soweit von meiner Seite, vielen Dank. Noch ein paar Worte an die Internetwelt?

Dirk: Keine Ahnung, ehrlich gesagt. Vielleicht einfach: Herzliche Grüsse an alle Leserinnen und Leser. Seid uns hold, wir lechzen nach eurer Liebe. Danke. Ab.


Fotos vom P/G Konzert am 07.03.09 in Hamburg findet ihr hier.
Und eine Rezension zum Album hier.

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