Kurios ist das ja schon. Dem gesundheitlichen Zustand ihres Frontmanns geschuldet, drohte das australische Quartett von der Bildfläche zu verschwinden und taucht plötzlich mit einem Album wieder auf, dass genau dort ansetzt, wo sie mit ihren 2002 veröffentlichten Debut begonnen haben. Nur: Ist das, was damals so mitreissend und medial vermarktbar war auch heute noch etwas, dass den aktuellen Zeitgeist trifft? Je länger man Melodia hört und im Vergleich Highly Evolved (2002), Winning Days (2004) und Vision Valley (2006) einlegt, je mehr möchte man The Vines Stagnation auf höchstem Niveau vorwerfen.
„Die neuen Nirvana“, echote die Presse beim Debut von The Vines und Songs wie Get Free gingen folgerichtig durch die Decke. Wild, ungestüm, unbekümmert preschte der Song als Wegweiser für eine mögliche, große Karriere voran. Zwei Alben folgten, der Erfolg nahm ab und die Skandale zu.
Expressiv seine Instrumente während der Perfomance zu zertrümmern, war die eine Sache, während eines laufenden Gigs jedoch die Mitmusiker provozieren und sich sogar vor laufenden Kameras mit ihnen zu prügeln, ist eine andere und hatte folgenschwere Konsequenzen.
Die bisherige Konstante und Freund von Craig Nicholls, Patrick Matthews, verließ die Band und Nicholls, der es fertig gebracht hatte eine Fotografin anzugreifen, fand sich vor Gericht wieder.
Der Höhepunkt der negativ Schlagzeilen war erreicht und die Frage unvermeidbar, was den jungen Sänger zu den unberechenbaren Ausbrüchen trieb, die nichts mit einer gewollten Aussenwirkung für die Medien zu tun hatten. Eine ärztliche Untersuchung Nicholls besiegelte dann vorerst das Schicksal der Band: Er leidet unter einer Form des Autismus, genauer gesagt dem Asperger Syndrom. All das geschah in den zurückliegenden sechs Jahren. Nicholls musste lernen mit seiner Krankheit umzugehen und hat diesen Schritt mittlerweile, wenn man den Aussagen seiner Bandmitglieder folgt, erfolgreich gemeistert.
Damit war der Weg frei für Meldodia und es ist schon bemerkenswert, dass die Band trotz Nicholls schwerwiegender Erkrankung diesen Weg beschreitet.
Der erste Hördurchlauf macht bereits stutzig. Von Innovation keine Spur. Hat die Band sich kollektiv eingefroren und glaubt sich immer noch im Jahr 2002?
Es scheint so.
Melodia vereint alle Stärken von The Vines: Krachige Songs, hymnische Melodien und Gänsehaut Balladen, doch all das gab es schon drei Alben zuvor, zu einem Moment, in der dieses Konzept den Zeitnerv noch eher zu treffen vermochte, allerdings schon bei ihrem dritten Album bereits nicht mehr funktionieren wollte und sich darin zeigte, dass es bei weitem nicht mit den Verkaufszahlen des Debuts konkurrieren konnte.
Daraus gelernt hat die Band offensichtlich nicht. Für eingefleischte Fans hält Melodia sicher viele tolle Momente bereit. Scream dreht durch, A.S. III vertont mal wieder den Herbst und Get Out ist der legitime Hitnachfolger zu Get Free.
„Once there was a young man / No one could understand / Wastin time every day / He got nothing to say“ , heißt es da in He´s a Rocker und viel Neues entdeckt man leider tatsächlich nicht auf Melodia. Die Songs haben Klasse, sind aber jetzt schon mit dicker Staubschicht überzogen.
Schade um diese einst so talentierten Burschen.
The Vines – Melodia – VÖ 17.10.2008