Es ist nun bereits ein paar Wochen her, dass „Heureka“ das Licht der Welt erblickte. Die passende Tour zum Album neigt sich langsam dem Ende zu, die beiden Konzerte in Hamburg sind die Letzten. Die Rede ist von der Band Tomte und vor dem Konzert am 21.11. in der Großen Freiheit konnten wir mit Sänger Thees Uhlmann ein paar Worte wechseln: Ein Gespräch über Freundschaft, Bierduschen, The Streets und Anderes.
Es war ursprünglich geplant, dass heute das letztes Konzert ist, morgen spielt ihr ja noch nun eine Zusatzshow in Hamburg. Wie war denn die Tour?
Thees: Was ich richtig scheiße daran find, dass die Tour jetzt zu Ende ist, ist, dass mir das peinlich vor meinem Kind ist! Deswegen würd ich eigentlich gern noch weitertouren. Aber nach 20 Tagen reicht es dann auch, ich hab 13 Tage lang ununterbrochen gesungen. Oder sogar mehr noch, an den Off-Days muss ich ja auch abends üben. Aber vom Spirit her, vom Gefühl, war das eine unglaubliche Sache. Wir sind insgesamt 14 Typen da in diesem Bus. Und dass es da nicht knallt, ist schon wahnsinnig. Es passen alle gut zusammen. Diese Tour ist wirklich nah an der Perfektion: Geile Konzerte gespielt, da war keins dabei, wo man jetzt sagen würde: ‚Das war nur mittelmäßig‘, oder so. Einfach alles spitzenmäßig!
Gab es denn eins, wo du sagen würdest, dass das am besten war?
Thees: Wien war schon ziemlich gut, das war mega. Und auch dieses eine Konzert, ich erinner mich gar nicht dran, wo das war. Aber da ist das Publikum beim ersten Akustikblock so dermaßen ausgeflippt und hat gejubelt, das war schon krass. Das war das erste Mal, wo es fast schon weh tat in den Ohren! Aber auf der ganzen Tour gab es dieses Gefühl, dass man sich so auf der Bühne umguckt und alle sehen zufrieden aus und dann guckt man ins Publikum, welches es offensichtlich auch gut findet, das ist schön. Hinzu kommt auch, dass die Konzerte stets gut besucht waren. Wobei der Erfolg der Tour aber weit hinter den emotionalen Erfahrungen steht, die man da mitnimmt.
Und wie läufts mit Gunnar am Cello?
Thees: Spitzenmäßig.
Ist der heut Abend auch dabei?
Thees: Logisch!
Und morgen…?
Thees: Auch! Und danach gehen wir alle zu Escapado.
Du wohnst ja inzwischen in Berlin. Wie ist es da für dich, wieder nach Hamburg zu kommen?
Thees: Schon komisch. Weil man hier noch jede Ecke und jeden Stein kennt. Weil man hier auch so gerne ist und weil St. Pauli auch das Herz des deutschen Rock’n’Roll ist. Ich verbinde mit dieser Stadt viel, den Fußballverein, die Freunde. Ich fühle mich auch mehr als St.Paulianer als als Berliner. Aber ich denk sowas kriegt man auch schwer aus sich raus.
Wie würdest du reagieren, wenn ich jetzt als Tausendster die Frage stelle, warum das Abum ‚Heureka‘ heißt?
Thees: Dann würd ich das zum 1000. Mal beantworten.
Also hast du da nicht den Anspruch, dass die Leute sich vorher ein bisschen informieren?
Thees: Ich denke auch die Zapfenhofener Tageszeitung hat das Recht zu erfahren, warum unser Album so heißt, wie es heißt! Gerade bei der Frage nach dem ‚Heureka‘ ist die Antwort dann eben immer eine ziemlich Komplexe, aber die Leute haben immer das Recht, die Frage zu stellen. Ich finds vermessen, wenn ein Künstler meint: ‚Diese Frage jetzt nicht‘, oder so. Natürlich können sich die Leute informieren, aber sie haben ja auch die Pflicht, für die Leser zu berichten, die nicht regelmäßig Musikexpress oder mainstage.de lesen!
In dem Lied „& Ich Wander“ zählst du ja eine handvoll Städte auf. Haben die eine besondere Bedeutung für dich?
Thees: Na, was denkste?
Vermutlich ja?
Thees: Richtiiiig! Ich bin plötzlich auf den Trip gekommen, dass ich alle Achsen meines Freundeskreises zusammenbauen will. Das mit der ‚Spitze der Anden‘ rührt daher, dass ich einen Freund habe, Halb-Bolivianer ist. ‚AKW‘ ist eben da, wo ich herkomm. Übrigens glaube ich, dass es keinen Ort in Deutschland gibt, wo man näher an Atomkraftwerken aufwächst. ‚Stadtautobahn in Frankfurt‘ – Ein Freund, unser Verleger Daniel Lieberberg kommt aus Frankfurt. Und Stadtautobahn, weil ich da zum ersten Mal The Streets gehört hab! Nach dem Konzert in Mainz hat er mich abgeholt, weil wir noch zusammen rumhängen wollten. Und dann meinte er nur: ‚Hör dir das mal an‘! Und das war echt so ab der ersten Sekunde, dass ich dachte: ‚Das ist ja wohl das Größte, oder was!‘ Da war es so neu und so fett und so Hip Hop, aber auch so dermaßen cool. Und ich kann mich halt noch erinnern, wie wir da durch die Stadt gedüst sind und diese Platte gehört haben. Und Krasnojarsk, weil wir da mit dem Goethe-Institut waren und das eine schöne Erfahrung war. Man will ja auch persönliche Momente festalten, daran liegt mir viel. Und das hab ich geschafft, denn wenn ich in 20 Jahren unser Album nochmal aufleg, werd ich mich genau an die Situation erinnern.
Du bist ja nun der Letzte, der von der Originalbesetzung Tomte noch übrig ist…
Thees: Das ist ja irgendwie so ein Schlagwort, was derzeit so rumläuft, oder? Es passiert doch eigentlich in jeder Band, dass Leute kommen und gehen. Man muss sich das vorstellen, Dennis Becker mischt jetzt schon seit sieben Jahren mit – Das ist länger, als die meisten Bandkarrieren überhaupt dauern. Max Schröder ist jetzt auch schon seit sechs Jahren dabei. Ich bin inzwischen nicht mehr ein 24-Jähriger Typ, der sich denkt: ‚Geil, ich geh mal Musik machen‘, sondern das ist meine Berufung. Ich mache Musik mit Ernsthaftigkeit, einer tiefen Demut und einer extrem großen Liebe. Und dass die Besetzung wechselt… Mein Gott, das passiert überall. Jemand, der studiert, wechselt mit ziemlich großer Sicherheit auch nochmal den Studiengang, bevor er zufrieden ist. Und wenn sich eine Band trennt, dann doch bitte so wie bei Tomte, denn bei uns das eigentlich alles echt fair abgelaufen. Man darf auch nicht vergessen, dass Musik eine sehr unsichere Sache ist, die aber sehr intensiv ist. Und wenn jemand mit 28 Jahren merkt… ‚Jungs, ich liebe es, aber es geht nicht mehr, I can’t anymore‘, ist es verständlich. Bodenstein war 37 oder 38, als er die Band verlassen hat, weißt du. Vielleicht willst du mit 37 noch Interviews für Mainstage machen, aber manchmal geht es eben nicht mehr. Es war natürlich auch eine dramatische Angelegenheit für uns, nicht zuletzt deswegen heißt die Platte ja auch Heureka. Aber wenn aus einer schlechten Sache wie Trennung so etwas gutes Neues entsteht wie das, was wir jetzt haben, dann ist es mir auch scheißegal, was die Leute darüber denken, solang es für mich eine Befriedigung ist, mit Simon Frontzek auf der Bühne zu stehen! Ich kann mir vorstellen, dass das von außen komisch aussieht, wenn die Besetzung wechselt, aber ich denke, wir haben auf der Tour nun so geile Konzerte rausgehauen, dass wir auch eine Menge Leute überzeugt haben sollten, dass das geht.
Der Refrain von „Dein Herz Sei Wild“ erinnert ja schon ziemlich an Rod Stewart. War das Absicht?
Thees: Das Lied, an das man sich erinnert fühlt, heißt ‚Young Turks‘… Es gibt in meinem Leben mindestens 50 Lieder, von denen ich nur die Melodie im Kopf hab. Es gibt auch so eine Sache, die ich immer zum Soundcheck sing [fängt an zu summen] – Kennst du das? Alle in der Band wissen immer sofort, wie das geht und stimmen ein, obwohl keiner weiß, was für ein Song das ist! Es gibt einfach Melodien, die Klassiker sind und die man dann gerne auf sich wirken lässt. So war das bei Rod Stewart dann auch.
Magst du uns verraten, was du von solchen Aktionen wie der Bierdusche von Deichkind hältst?
Thees: Entweder man findet das genial oder komplett bescheuert. Was soll man dazu sagen, Deichkind ist halt die fleischgewordene Abiparty! Das ist irgendwo bestimmt große Kunst, aber meine Baustelle eher nicht. Ich find es toll, wenn Schüler oder junge Leute auf Tomte-Konzerten depressive Texte mitsingen. Wobei mich das auch manchmal wundert und man sich manchmal auch Sorgen macht. Aber ich mag Entertainment und will die Leute entertainen, nur anders als Deichkind. Aber deswegen heißen Deichkind ja auch Deichkind und nicht Tomte. Man kann aber vor Deichkind nur den Hut ziehen, dass die sich von einer normalen Hip Hop Band so entwickelt haben, find ich gut.
Was ist deine liebste U-Bahn-Station?
Thees: Das ist doch mal ne super Frage! Wenn ich jetzt cool wäre, würde mir eine U-Bahn-Station in New York einfallen, aber da fällt mir jetzt gerade keine ein. Ich denke mal, das ist einfach die Feldstraße hier in Hamburg. Da ist alles. Einmal natürlich wegen Grand Hotel. Und dann ist das auch die Station, an der ich aussteig, wenn ich zu einem St.Pauli-Spiel geh. Ich bin vermutlich nirgends häufiger an irgendeiner Haltestelle ausgestiegen, als da. Obwohl, Hauptbahnhof wäre natürlich auch noch erwähnenswert. Du fährst in Berlin los mit dem ICE, kannst dich noch an die Berliner Luft erinnern und dann steigst du aus und die Hamburger Luft brennt sich in dein Gedächtnis ein. Das merk ich jedes Mal, dass es da so krasse Unterschiede gibt, zu jeder Jahreszeit. Aber letzten Endes ist die Feldstraße ja doch wichtiger. Und in Berlin ist es witzig, wenn du zum Flughafen Tegel fährst, da begegnet dir eine wahnsinnige 70er Jahre Architektur mit irgendwelchen Mosaiken oder so. Da fragt man sich dann auch: ‚Wann fand sowas mal iiirgendjemand schön?‘
Eine Frage im Bezug auf „Der Letzte Große Wal“…
Thees: Max Schröder ist drauf gekommen, dass es, wenn die Band ärmer wird, ‚Der Letzte Große Aal‘ heißen kann!
Hier schau mal, man kann jetzt schon die Patenschaft für einen Wal übernehmen, das geht bereits ab 100€. Was hältst du von denen hier?
Thees: Geil, Kira ist ’74 geboren, genau wie ich! Aber ich weiß ja nicht, ob sowas insgeheim gelogen ist, Patenschaft für einen Wal… Da wird ja so eine Pseudo-Emotionalität… Kira ist aber echt…
[Ein Techniker huscht in den Backstageraum]
Thees: Ich muss jetzt aber noch nichts machen, oder?
[Gemurmel: Nö nö]
Eine letzte Frage haben wir noch: Wonach hat der Mensch gesucht, der rausgefunden hat, dass Kühe Milch geben?
Thees: Frag Gunnar, der ist Veganer! Aber das ist ja immer so… Wonach hat der Mensch gesucht, der Techno erfunden hat? Aber ich denke mal, an der Kuh wollte jemand Nahrung finden, um nicht so schnell zu sterben, oder? Angst ist immer ein guter Motor…
Vielen Dank fürs Interview!
Thees: Ja, danke!
Interview von Chrissie und Sändra.
Fotos vom Konzert danach hier.
Was hat der Mensch denn nun gesucht, hm?