Mittlerweile muss man sie zwar suchen, aber es gibt sie noch, die kleinen, feinen Perlen in der Festivallandschaft. Das 23. Szene Openair in Vorarlberg, direkt an der Grenze zur Schweiz, gehört 2012 definitiv zu den Highlights der Festivalsaison. Bei bestem Wetter, guter Musik und angenehmer Stimmung erlebten alle Besucher am idyllischen Alten Rhein eine wunderbare Zeit.
Am Donnerstag stimmten die Lakeside Runners gerade die ersten Takte des Festivals an, schon gab es die ersten Regentropfen. Es blieb glücklicherweise bis zum Hauptact Digitalism live bei ein paar Tropfen. Diesem stahl dann aber ein Regenschauer mehr oder weniger die Show. Zuvor konnten ebenjene Lakeside Runners, junge Burschen aus der Schweiz, mit abwechslungsreichem Indiepop die ersten Hörer auf ihre Seite bringen. Im Mohrenzelt, einem alten Zirkuszelt mit der sogenannten Newcomerstage, hauten zuerst m.corvin Metalhammer um und auf die Ohren, gefolgt von Any Major Dude, die feinsten Austropop spielten.
Zwischendurch gab es mit Marsimoto den ersten großen Act auf der Hauptbühne. Grüne Rauchschwaden zogen über das Gelände und vor allem die jüngeren Besucher fanden sich vor der Bühne ein. Es erinnerte ein wenig an einen Kindergeburtstag im großen Rahmen, was Marsimoto und Gefolge so darboten. Beim Publikum kam dies gut an und auch mit etwas Abstand sorgte das Spektakel zumindest für Schmunzeln. Danach standen Jennifer Rostock auf der Bühne und senkten das Niveau weiter. Musikalisch hat diese Band nun mal nichts zu bieten, deswegen setzt man die Akzenten lieber in der Bühnenshow. Diese war so primitiv, vulgär, pubertär und strunzdoof, dass man hier mit allem Respekt von Weltklasse reden muss. Auch das Publikum fühlte sich gut unterhalten und hatte seinen Spaß. Einige Besucher begaben sich im Anschluss wieder ins Mohrenzelt und durften dort das Gegenteil des gerade verdauten Auftritts erleben.
Die Steaming Satellites glänzten ganz allein mit ihrer großartigen Rockmusik. Sehr energievoll, mit vielen Brüchen innerhalb der Lieder, nicht so simpel wie auf der Hauptbühne gebotenes, handwerklich ebenfalls sehr stark und musikalisch wertvoll. Bei den Besuchern, die vom Alkohol nicht komplett benebelt und zur Aufnahme noch fähig waren, hinterließ dieser Auftritt deutlich Eindruck. Mehrmals hörte man im Anschluss die Frage: „Wie hießen die denn? Die san echt gut!“.
Freitag Nachmittag waren die Reste der Regenschauer verschwunden, als die Crystal Fighters mit ihrem Mix aus baskischer und moderner Musik den passenden Soundtrack zum Sonnenschein lieferten. Besonders die beschwingten, leichten Songs aus ihrem Repertoire wie „Plage“ passten bestens zur Stimmung auf dem Festivalgelände. Locas in Love versuchten danach im Zelt (Zitat Sänger Björn: „Es ist heiß und riecht nach Kamel, ich glaub ich bin in der Hölle.“) die Österreicher für sich zu gewinnen. Und schafften es zum Abschluss, dass sich das zahlenmäßig nicht so starke Publikum zumindest direkt vor der Bühne versammelte und bewegte.
Nachdem Heaven Shall Burn mit ihrem Metal alles in Schutt und Asche legten oder diejenigen, die keine Anhänger dieser Musikrichtung sind, zur Flucht zwangen, taten sich die deutschen Newcomer Sizarr im Zelt deutlich schwer mit ihrem Auftritt.
The Subways spielten sich danach auf der Hauptbühne zu den Gewinnern des Festivals. Mit „Oh Yeah“ zu Beginn wurde das Publikum bereits gnadenlos gerockt und der Auftritt voller Spielfreude und Spaß an der Sache gipfelte im waghalsigen Sprung Billys vom Soundturm in die zusammengerufenen Menschenmassen. Ein Festivalauftritt aus dem Bilderbuch, der sicher wieder ein paar neue Fans gebracht hat. Zurecht.
Um neue Fans mussten sich Clueso & Band keine Gedanken machen, die Festivalbesucher fanden sich nahezu geschlossen vor der Bühne zu seinem Auftritt ein. Und erlebten einen sehr professionellen und wohl durchdachten Auftritt mit bekannten Liedern zum größten Teil in neuem musikalischen Gewand. Danach war die Zeit der Kuriositäten angebrochen. Bonaparte verwandelten die Hauptbühne in einen Zirkus und man wusste gar nicht, wo man hinschauen sollte, da so vieles gleichzeitig passierte. Ein Erlebnis, auch wenn die musikalische Qualität des Dargebotenen nicht sehr hoch war. Im Zelt tobte die Menge beim Auftritt von Fii, einem Beatboxer aus Wien, der mit Mixen aus unterschiedlichsten Stilen richtig einheizte.
Der Samstag wird von mir kurzerhand zum Tag der Sympathie ernannt. Zunächst verzauberten die beiden Mädels von BOY alle Anwesenden mit ihrer liebenswürdigen und frischen Art. So echt und nah hat sich kein anderer Auftritt angefühlt. Auch Nada Surf lieferten einen entspannten und fröhlichen Auftritt hin. Passend dazu strahlte auch die Sonne. Bis sich der Auftritt von Casper ankündigte. Immer mehr Menschen strömten vor die Bühne und immer mehr Blitze zuckten ringsherum durch die Luft. Bis sich bei den ersten Tönen ein Wolkenbruch entlud. Der Stimmung tat dies keinen Abbruch. Man hatte eher das Gefühl, das Publikum würde aus Trotz noch lauter mitsingen und noch höher springen. Ein sehr beeindruckendes Bild ergab dies. Heftig. Und für viele Besucher sicherlich „So perfekt“.
So perfekt wie das gesamte Festival. 450 meist ehrenamtliche Helfer trugen dazu bei dieses unkommerzielle Festival bereits zum 23. Mal zu verwirklichen. Viele Kleinigkeiten, die auf anderen Festivals meist fehlen oder scheitern, wurden wie selbstverständlich umgesetzt. Vom kostenfreien ÖPNV für die Besucher, einem funktionierenden Pfandsystem über sehr gerechte Preise bei der Verpflegung bis zur kostenfreien Kinderbetreuung im Openair Kindergarten wurde an alles gedacht. In Verbindung mit dem abwechslungsreichen Musikprogramm eine echte Festivalperle. Die man auch in den nächsten Jahren im Auge behalten und besuchen sollte.
Szene Openair Homepage | Szene Openair @ Facebook