Startseite » Michelle Branch – Hotel Paper

Michelle Branch – Hotel Paper

?Michelle Branch auf Mainstage?!?, höre ich schon jetzt die Indie-Puristen schreien, die ungläubig über diese Rezension stolpern. Michelle Branch, das Mädchen mit der Gitarre, die vor knapp zwei Jahren zusammen mit Busenfreundin Avril Lavigne antrat, um das irgendwie unhippe Genre des Frauen-Songwriter-Rock-Pops heim ins Teeniereich zu holen? Die Michelle Branch, die letztes Jahr mit der Santana-Kooperation ?The Game of Love? da anknüpfte, wo Rob Thomas vor drei Jahren aufgehört hatte, cool zu sein? Jap, die Michelle Branch. Wir erinnern uns: Wenn man der einschlägigen Musikpresse Glauben schenken darf, schwappte nach dem 11. September 2001 eine gewaltige Singer / Songwriter-Welle über das gebeutelte Amerika, das, zutiefst traumatisiert, nach etwas echtem, wahren lechzte. Typen wie Ryan Adams wurden zu den neuen ?It-Persons?, die jede anständige Hollywoodschaupielerin daten wollte, und auch das ominöse Genre ?Teen-Pop? blieb nicht von der hippen, neuen ?Realness? verschont. Und so war es dann plötzlich cool, statt einer achtzehnjährigen tanzenden Jungfrau in knappen Oberteilen eine achtzehnjährige nicht-tanzende Jungfrau mit einem Instrument eurer Wahl und nicht ganz so knappen Oberteilen, wahlweise im Hippie- oder Skaterlook, zu sein. Zumindest sahen das die Plattenfirmen so. Und so schlug die Stunde für Acts wie Vanessa Carlton, Avril Lavigne und Michelle Branch, junge Mädels, die ihre Songs selber schrieben und ihr selbst gespieltes Instrument wie eine Trophäe auf jedes Promophoto zerrten. Aber Moment: Zwei aus diesem ungleichen Trio hatten ja Talent! Während Vanessa Carlton und uns Michelle tatsächlich mit guten Songs und guten Stimmen überzeugen und auch vor allem ein Publikum jenseits der Teenbarriere erreichen konnten, war es nur Achselschweisskönigin Avril, die mit platten Songs, mieser Stimme und dem Charme eines neurotischen Meerschweinchens zwar bei jedem jenseits der magischen achtzehn für Stirnrunzeln sorgte, aber beim jugendlichen Publikum aus mysteriösen Gründen am besten ankam.
Und jetzt, wo der Hype bereits wieder zu verpuffen beginnt, veröffentlicht Michelle Branch ihr zweites Album namens ?Hotel Paper? (Maverick). Und das kann sich durchaus hören lassen. Neben der eher rockigen Single ?Are You Happy Now??, auf der Dave Navarro (der seine manikürten Finger anscheinend überall drin hat) Gitarre spielt, beinhaltet ?Hotel Paper? mal folkige, mal poppige und vor allem ruhige Songwriter-Songs, die sich vor Vergleichen mit etablierten Künstlerinnen dieses Genres wie Alanis Morissette oder Sheryl Crow nicht verstecken müssen. Michelles Stimme ist überaschend wandlungsfähig und vor allem bei den ruhigen Songs umwerfend gut. Alles in allem ist ?Hotel Paper? ein sehr erwachsenes Album geworden, mit gutgeschriebenen Songs, denen der Spagat zwischen offensichtlich angestrebtem Charterfolg und eindringlich-persönlichem recht gut gelingt. Michelle Branch mag mit ihren neunzehn Jahren zwar noch jung sein, aber mit Teenpop hat das hier bestimmt nichts zu tun. Ich bin mir sicher, dass sie noch immer mit ihrer Gitarre für Photos posieren wird, wenn Avril Lavigne schon längst wieder von der Bildfläche verschwunden ist.

Wir freuen uns über deinen Kommentar: