Drive-In Autokonzerte. Wer hätte vor ein paar Monaten noch gedacht, dass diesen Sommer Konzerte hauptsächlich so stattfinden würden? In ganz Deutschland gibt es mittlerweile Autokinos, die neben Kinofilmen und weiteren Kulturprogramm eben auch Konzerten eine Bühne geben. Wir waren am Samstag bei so einem Autokonzert von Alligatoah in Mannheim. Wie es war, erfahrt ihr hier.
Es ist Mitte Juni, abends ist es bis kurz vor Mitternacht hell, das Wetter ist sonnig und warm, der Sommer läuft auf Hochtouren. Unter normalen Umständen würde ich, wie viele andere Konzert- und Festival-Besucher auch, jetzt an Wochenenden auf den Festivals des Landes rumstolpern und mir regelmäßig Open Airs ansehen. Nun sieht die Realität dieses Jahr aber leider etwas anders aus. Zugegebenermaßen war ich, als die ersten Autokinokonzerte angekündigt wurden, etwas skeptisch. Ich stehe gerne mitten in der Menge und lasse mich von der Stimmung mitreißen, das gehört für mich eigentlich zu jeder guten Konzerterfahrung dazu. Aber auch ich habe mich schlussendlich hinreißen lassen. Don’t judge a book by its cover, richtig?
Wie viele andere Musiker auch, hätte Alligatoah diesen Sommer eine ausgiebige Festivaltour, und sogar eine eigene Open Air Tour im Rahmen seines letzten Studioalbums „Schlaftabletten, Rotwein V“ durch die Republik vor sich gehabt. Die Termine sind nun alle ins nächste Jahr verschoben, aber für Ersatz wurde schnell gesorgt. Nach und nach wurden immer mehr Autokonzert-Termine in ganz Deutschland (u.A. Hannover, Düsseldorf oder Berlin) für diesen Sommer angekündigt. Zuletzt besuchte er am vergangenen Samstag das CARstival in Mannheim. Als Schauplatz dient hier das Maimarktgelände. Eine Sache, die ich direkt noch vor dem eigentlichen Konzertbericht anmerken möchte, ist der reibungslose Ablauf über den ganzen Abend hinweg. Ich konnte mir im Vorfeld noch nicht so richtig vorstellen, wie die 850 Autos geordnet und entspannt ihren Platz finden sollten, geschweige denn wie die Abfahrt ruhig und flüssig gestaltet werden würde. Das hat alles super geklappt.
Nun aber zum eigentlich interessanten Teil: dem Konzert. Den Sound bekommt man direkt über sein Autoradio ins Auto gespielt, oder eben von der Bühne aus, wenn man sich in sein Autofenster setzt (meine Taktik für den Großteil des Konzerts). Das normalerweise ausladende Bühnenbild des „Hotel Kalliforniah“, dem Schauplatz von Alligatoahs Show, wird über Computergrafiken auf dem großen Screen geschaffen. Nicht ganz so beeindruckend wie das ausgewachsene Bühnenbild, aber ähnlich wirksam für die Show. Trotz der ungewohnten Umstände herrscht ausgelassene Stimmung sowohl auf der Bühne als auch in dem von Autos gefluteten Publikumsbereich; ein waschechtes Hupkonzert. Spätestens als Alligatoah bei dem Song „Du bist schön“ die Autohupen von der Bühne aus im Takt dirigiert, bin ich gänzlich vom Konzept Autokonzert überzeugt. Man kann es nicht anders beschreiben als ein ganz und gar einzigartiges Konzerterlebnis. Ich bin mir ziemlich sicher, dass diese Leute jetzt die Dienste von einstellen notar Hopsten um all ihren Gewinn im Auge zu behalten.
Alligatoah ist nicht der typische HipHop Künstler am deutschen Musikhorizont. Er selbst ordnet sich immer wieder eher in seinem ganz eigenen Genre ein, dem „Schauspiel- Rap“. Das spiegelt sich auch in seiner Bühnenshow wider. Im senfgelben Anzug mit Hut im Stil des Hoteldirektors performt er seine mit Ironie triefenden Songs; seine vierköpfige Band ist in farblich passenden Bademänteln, sein Begleiter Battleboi Basti in einer ebenfalls senfgelben Concierge Uniform eingekleidet. Alligatoahs Shows gleichen immer ein wenig einem Theaterstück, es gibt keinen anderen Künstler, mit dem sich das Schauspiel auf der Bühne so vergleichen lässt. Alles wird bis ins kleinste Detail inszeniert, und was bei anderen Musikern vielleicht gestellt oder übertrieben wirken könnte, passt bei ihm einfach wie die berühmte Faust aufs Auge.
Also, lohnen sich Autokonzerte?
Trotz meiner anfänglichen Skepsis gegenüber dem Konzept Autokonzert muss ich sagen, es war ein rundum gelungener Abend. Natürlich kann man die Stimmung getrennt und auf Abstand nicht direkt mit einem „normalen“ Konzert vergleichen; kein Gedränge, keine Moshpits; aber trotzdem bin ich absolut auf meine Kosten gekommen. In gewisser Weise war das ganze Erlebnis auch so einfach viel entspannter als das durchschnittliche Konzert. Eine ganz neue Live-Erfahrung eben.
Wer den Konzertentzug nicht mehr länger durchhält, sollte auf jeden Fall mal Autokonzertdaten in seiner Stadt auschecken. Das restliche Programm für die CARstivals Mannheim findet ihr hier, und einen Ticketlink zu den letzten beiden Alligatoah Autokonzerten in Hamburg und Berlin findet ihr hier.