Startseite » Bonaparte | 08.10.2010 | Centraltheater, Leipzig

Bonaparte | 08.10.2010 | Centraltheater, Leipzig

An den vergangenen Freitagabend wird sich das Leipziger Centraltheater wohl lange Zeit noch erinnern, denn so wie es das bunte Ensemble der Bonaparte’schen Formation tat, stellte noch niemand Leipzigs Schauspielhaus auf den Kopf.

Monumental ist es, das Leipziger Centraltheater, und wie es sich gehört mit in Sack und Frack gekleideten Garderobiers, wohl temperierten Kassiererinnen und ordnungsgemäßen Kartenabreißern, umgeben von gewaltigen Treppenaufgängen, vergoldeten wegweisenden Schildern und gut gepolzterten Sitzen mit Blick auf die von dem – natürlich – roten Vorhang gerahmten Bühne. Dumm nur, dass dies alles nebensächlich war, und sich niemand lang auf seinen Sitzen halten konnte.

Wer Bonaparte schon einmal erlebt hat, auf einem Konzert oder Festival, kennt die Lebensphilosophie der skurrilen Gestalten um Frontmann Tobias Jundt: Mach, was du willst. Und genau das machen sie, die als Diskokugel verkleideten, Seifenblasen werfenden, in Tierköstumen gewandten. Doch sollte man denken, dabei würde es dieser artistische Zirkus aus aller Welt belassen, hat sich gewaltig getäuscht.

Nicht nur dass sich zu den üblichen Verdächtigen alkoholkranke, strippende Nonnen, in Kunstblut badende burlesque Damen, infame Kaninchen, rollerfahrende Seifenblasenmaschinen, drei Meter große Bräute und als Computer verkleidete Korpulierende gesellen. Zur bunten Zirkusshow Bonapartes gehören demnach nicht nur auffällige oft Stripgelage, aufufernde Kopulationen und ausschreitende Streitigkeiten, nun auch Stummfilm-Vorführungen. Unterlegt mit den Klängen von Rave Rave Rave, die in Goldener Zwanziger-Manier das Publikum auf das Konzert einstimmen und ihnen die gefühlt unerträglich lange Zeit versüßen, in denen sich die Ausnahmekünstler eine kurze Verschnaufpause gönnen.

Die allerdings wärt nicht lang, schon Sekunden später finden sie sich auf der Bühne wieder, in Hochphasen sind es neun dieser opulent Kostümierten, die dem Centraltheater einheizen, mit Tabus spielen und sogar Gefallen an den etwas sperrigen Sounds ihres aktuellen Albums My Horse Likes You finden lassen. Neben Anti, Anti, Too Much oder Computer In Love, sind es l’état c’est moi oder This War, die den Funken überspringen lassen, nein, ganze Gefühlsfeuerwerke lostreten.

Ganz zu recht riss es so das Leipziger Publikum schon bei den ersten Takten buchstäblich vom Hocker, hob jeden es von seinem Sitzen empor, zog ganze Massen der unteren Ränge zum Bühnenrand wo sie kurzerhand Teil des Geschehens wurden und ausgelassen mit Pferden und Computern tanzten. Ganz klar, das können keine Menschen sein, das sind Tiere.

Am Ende des Gelages hängt dem Bonparte-Neuling die Kinnlade unten, und der Kenner ist erneut überrascht, dass es dieses einzigartige Kollektiv mit Rumpelbeats, Elektropunk-Geschrammel, sinnfreien Textdialogen und der eben immer-wieder-anders-Show wieder geschafft hat, einen Ausnahmezustand zu kreiren. Keinen geeigneteren Ort hätte es dafür geben können, als das imposante Centraltheater, das sie als Schlachtfeld hinterlassen.

Do you want to party with the Bonaparty? Yes, immer doch!

Wir freuen uns über deinen Kommentar: