In der Stadt, in der man keinen Parkplatz findet und alle Banken wohnen, haben wir uns mit unseren Freunden Enno Bunger, Bernd Frikke und Nils Dietrich von Enno Bunger zum Gespräch getroffen. Bei delikatem Fischfilet und wohl klingendem Flaschenklirren redeten wir mit dem notwendigen Quäntchen an Ernst und Witz über das Debütalbum „Ein bisschen mehr Herz“, kommende Touren und Hannes Flessner.
Vor kurzem ist euer erstes „richtiges“ Album erschienen. Was war das für ein Gefühl, als ihr die Platte zum ersten Mal im Laden stehen gesehen habt?
Enno: Es war ein sehr tolles Gefühl, auf jeden Fall. Wir haben uns riesig gefreut, das dann tatsächlich in den Läden stehen zu sehen und in den Händen zu halten und vor allem bei der Vinylvariante war das was ganz Besonderes, irgendwie, weil man das ja nicht so leicht selber herstellen kann. Es ist ja nicht die erste CD, die wir veröffentlicht haben, aber die erste, die diesen klassischen Weg von Vertrieb ins Geschäft gegangen ist und die eben etwas professioneller produziert wurde. Wir sind sehr stolz auf dieses Produkt im Endeffekt, so wie es eben in Gänze erhältlich ist.
War es euch dann auch wichtig eine Vinyl zu veröffentlichen? Heutzutage ist das ja nicht mehr allzu üblich.
Enno: Total, ja.
Nils: Darauf haben wir bestanden.
Enno: Das war sogar glaube ich ein ganz wichtiger Vertragspunkt bei der Vertragsunterzeichnung damals. Da haben wir gesagt: „Wir machen alles, aber nur, wenn es das auf Vinyl gibt!“
Nils: Auch wenn wir nix verdienen, aber Vinyl muss sein!
Viele Musiker kaufen sich ihr Album ja dann auch selbst nochmal. War das bei euch auch der Fall?
Bernd: Ja, grade das Vinyl. Ich glaub, das Vinyl haben wir alle selber im Internet vorbestellt.
Aber ihr seid nicht im Laden mit der eigenen Platte zur Kasse?
Bernd: Wir hatten ja schon vorher vorbestellt. Aber wenn wir gewusst hätten, dass wir am 19., als das Album rauskam, selbst bei Michelle Records in Hamburg im Schaufenster nochmal spielen, dann hätten wir es da natürlich gekauft. Aber ich wusste zu dem Zeitpunkt schon, dass es schon geliefert wurde und es bei mir Zuhause liegt und zweimal brauche ich es nicht.
„Herzschlag“ und „Wahre Freundschaft“ sind ja auf der Herzschlag EP sowie dem Album. Ist das ein Zeichen dafür, wie wichtig euch die Songs speziell sind?
Bernd: Also vorweg, „Wahre Freundschaft“ ist ja eine Alternativversion auf der Single. Da passiert auf dem Album nochmal wesentlich mehr, da wird sich der geneigte Hörer aber ganz schön wundern, das ist quasi einfach nochmal ein ganz anderes „Wahre Freundschaft“.
Nils: Die EP wird von uns auch eher als Single gesehen, oder?
Enno: Genau, das ist halt Bonusmaterial. Wir hatten damals mal so eine sehr ruhige, eine Art Loungeversion von „Wahre Freundschaft“ aufgenommen, die auch aus Teilen einer älteren Versionen bestand, das waren quasi die Stasiaufnahmen, die Spuren waren ganz alt. Die Atmosphäre da fanden wir aber total toll und dann habe ich das nochmal neu eingesungen und das war dann die B-Seite für uns. Das sollte eben ein Vorgeschmack fürs Album sein, aber auf dem Album ist es ja dann komplett neu mit einer ganz anderen Klavierlinie, der Text ist gleich geblieben, aber sonst ist eigentlich alles komplett anders. Ja, war uns wichtig, das Lied auch auf dem Album drauf zu haben. Wir konnten uns bei der Albumproduktion eben noch wesentlich mehr austoben, zum Beispiel mit einem Chor am Ende.
Zu „Hier und Jetzt“ und „Herzschlag“ habt ihr Musikvideos gedreht. Kommt ihr da mit den Ideen auf die Macher, ist es umgekehrt oder wie läuft das prinzipiell ab?
Enno: Das ist eigentlich ein gegenseitiger Austausch. Bei „Hier und Jetzt“ hat sich das so verhalten, dass wir mit unseren Ideen auf die Leute zugegangen sind. Wir haben sehr viel gebrainstormt, was zu dem Lied passen würde, und hatten sehr viele Ideen, wie das Video sein sollte, aber das konnten wir leider inhaltlich nicht so umsetzen, wie wir das wollten, weil das Wetter nicht mitgespielt hat. Das sollte eigentlich ein Draußenvideo sein. Entweder wir wollten nackt in die Nordsee springen oder wir wollten einen Fallschirmsprung machen oder etwas sehr sehr Verrücktes eben. Es war aber viel zu kalt dafür, wir konnten das einfach nicht machen. Es gab kein Fallschirmsprung und die Nordsee war voll geschneit und du kannst den Frühling nicht mit einem Video einläuten, in dem überall Schnee zu sehen ist. Das wäre sehr schwierig. Deswegen haben wir dann zusammen mit dem Regisseur Jan Peter Horns kurzerhand ein Studio gesucht und hatten da ganz viel Spaß mit Konfetti und Tänzerinnen. Am Abend zuvor haben wir unser Konzert im Kölner Stadtgarten mitgefilmt und haben versucht, die Atmosphäre einzufangen und aus diesen beidenen Ebenen entstand dann das Video.
„Hier und Jetzt“ erzählt von erinnernswerten Momenten. Gibt es auf eure Karriere bezogen Momente, die ihr nie und nimmer vergessen wollt?
Enno: Die gibt es auf jeden Fall. Wie lange machen wir das jetzt schon? Zweieinhalb Jahre?
Nils: Drei!
Bernd: Über drei Jahre.
Enno: Ja. Und da passieren so viele Sachen, die man im Idealfall alle nicht vergisst und es kommen auch immer wieder irgendwelche Anekdoten bei einem hoch. Als wir vorhin Frankfurt reingefahren sind, habe ich mich zum Beispiel daran erinnert, wie wir uns 2008 über die Banken lustig gemacht oder uns über die nicht vorhandenen Parkplätze aufgeregt haben. Da ist mir eingefallen, dass ich ja damals auch ein Tourtagebuch bei euch auf der Seite verfasst habe und dann habe ich mir den Eintrag in dem Zuge nochmal angeschaut und das war auch sehr schön und lustig, den Witz, den ich damals gemacht habe, nochmal zu lesen.
Ihr seid nun Pias Germany unter Vertrag. Bei Pias sind unter anderem auch internationale Größen wie Placebo und Editors. Macht einen das stolz, Teil davon zu sein?
Enno: Man hat ja deswegen eigentlich nichts mit den Bands zu tun. Aber man fühlt sich denen irgendwie ein bisschen mehr zugehörig als man das sonst getan hat. Schön ist aber, dass wir ab und zu an den magischen berühmten Plattenpromoschrank von Pias zugreifen zu dürfen und da gibt es dann manchmal das ein oder andere Geschenk von Bands, die man eben auch mag. Wir fühlen uns sehr wohl bei Pias, was das Bandumfeld betrifft. Da sind sehr tolle Künstler vertreten und das ehrt uns natürlich sehr.
Meint ihr, dass durch das Signing auch Leute auf euch aufmerksam werden, die vorher vielleicht nicht auf eure Musik gestoßen wären?
Bernd: Ja, ich denke schon, dass Pias mittlerweile mit ihren eigenen Signings durch ein paar tolle Bands in den letzten Jahren schon eine Plattform geschaffen. Du hast jetzt gerade Editors, Placebo und gerade aktuell kann man ja auch Faithless mit einbeziehen, angesprochen. Das sind ja keine eigenen Signings. Das sind ja Themen, die international auf der ganzen Piasebene durchgezogen werden. Aber Pias Germany signt ja auch selbst und unter anderem ja auch uns und die haben sich mit Gisbert zu Knyphausen und Soap & Skin schon etabliert. Da denke ich dann schon, dass Gisbert zu Knyphausen Fans vielleicht auch noch mal auf uns aufmerksam werden, das kann auf jeden Fall passieren und ist dann natürlich nicht so verkehrt für uns.
Jetzt seid ihr gerade auf Tour. Könnt ihr zu den Touren zuvor große Veränderungen fest stellen? Kommen mehr Leute auf die Konzerte?
Enno: Bei den letzten Konzerten ging es uns so, dass wir einfach gemerkt haben, dass Leute da waren, die uns im Vorfeld kannten, die die Texte kannten und die dann auch laut mitgesungen haben. Das ist natürlich was ganz Besonderes, wenn Leute zu deinem Konzert kommen, weil du die Hauptband bist und wegen dir zehn Euro an der Abendkasse zahlen. Das ist schon ein tolles Gefühl.
Also seid ihr insgesamt mit dem Verlauf bisher zufrieden?
Enno: Ja, auf jeden Fall!
Als nächstes spielt ihr Support Shows für die kanadischen The Hidden Cameras. Freut ihr euch gänzlich auf die Aussichten oder hat man da auch so seine Bedenken, dass irgendwas nicht harmonieren könnte?
Enno: Bisher haben wir eigentlich mit Supporttouren immer sehr, sehr gute Erfahrungen gemacht. Auch wenn es musikalisch auf den ersten Blick nicht immer supergut gepasst hat, passte es dann doch bei den Konzerten. Wir haben ja im Oktober mit Molotov Jive eine Tour gemacht und im November mit Aviv Geffen, was ja eigentlich völlig verschiedenes Publikumsklientel war und kamen da durchweg sehr gut beim Publikum an. Wir haben da auch sehr viele CDs verkauft und da können wir jetzt natürlich wieder diese kleine Anekdote aus Hannover erzählen…
Nils: Dass sogar die Turbojugend vor uns stand und gesagt hat: „Mensch, das hat mich total berührt, das war super gefühlvoll!“
Enno: Das fanden wir dann natürlich schon sehr lustig, dass die Bären in Jeansjacken auf dich zukommen und du dann denkst, der will dich jetzt verprügeln und räumt deinen ganzen Merchandise aber, aber nein, ganz und gar nicht. Der hat drei CDs gekauft.
Also wider Erwarten eine sehr positive Reaktion?
Enno: Genau, das ist natürlich das Schönste, wenn sowas passiert und wenn man bei solchen Supportshows über diesen klassischen Liveweg Menschen erreicht, die man vielleicht sonst nicht so schnell erreichen würde.
Bernd: Und auch, wenn man sagen kann, dass wir tatsächlich in jeglichen Bereichen auf musikalisch unterschiedlichen Feldern immer gute Erfahrungen gemacht haben, sei es mit einer absoluten Pop- oder Mainstreamband oder mit einer Nischenband, bis jetzt hatten wir immer das Glück, gut anzukommen. Aber nichtsdestotrotz sollte man eigentlich bei sowas nicht zu hohe Erwartungen haben. Es kann ja sein, dass jetzt bei The Hidden Cameras nur Leute sind, die mit deutschsprachiger oder eben mit unserer Musik im Allgemeinen nichts anfangen können. Wir sind trotzdem sehr, sehr gespannt, weil uns die Tour unter anderem zum ersten Mal für zwei Konzerte in die Schweiz führt und so ausgiebig haben wir in Österreich auch noch nicht gespielt. Letztes Jahr waren wir ja bei Aviv Geffen im Vorprogramm in Graz und Wien. Da scheint es für uns ganz gut zu laufen, mit den Jugendzentren und fm4. Von daher sind wir natürlich glücklich, dass wir da jetzt auch noch mehr spielen! So oder so kann das für uns eigentlich nur gut laufen, aber wie gesagt, nicht zu hohe Erwartungen haben und dann wird das schon alles ganz gut.
Werdet ihr im Sommer auf Festivals zu sehen sein?
Bernd: Bisher ist da noch nicht allzu viel bestätigt, aber da kann schon noch das ein oder andere passieren. Ich könnte konkret noch nicht so viel benennen. Das einzige, was so richtig fest ist, ist unter anderem ein Festival in Graz. Das ist ein kleines Festival, insgesamt nur mit fünf oder sechs Bands, glaube ich.
Wie heißt das?
Bernd: Das heißt SauTrock-Festival. Das ist ein kleines Festival, aber es ist natürlich schön, zu merken, dass das Interesse da ist. Die haben eben von sich aus angefragt und wollten uns gerne dabei haben und mal gucken, was noch dazu kommt.
Wo und mit wem würdet ihr am liebsten mal auftreten?
Bernd: Wo? Ich würde ja gerne so viel es geht das Ausland bereisen. Wer weiß, vielleicht gibt es ja auch hier und da tatsächlich die Möglichkeit sogar mit dem Goethe-Institut zusammen zu arbeiten. Das fänd ich persönlich sehr spannend. Ich bin da auch gar nicht so auf einen Raum oder Kontinent festgelegt, ich würde es einfach nur schön finden, wenn man durch die Musik die Möglichkeit hat, zu reisen. Mit wem? Naja, ich glaube, jeder von uns hat seine persönlichen Lieblingsbands und ich glaube, wir könnten uns da vielleicht auch auf fünf zusammen einigen.
Dann sagt mal!
Enno: Paul McCartney.
Bernd: Für mich persönlich wären es Keane, Death Cab For Cutie und Travis, die ich gerne mal supporten wollen würde.
Enno: Wir sind ja selber solche riesengroße Musikhörer und -liebhaber, das es einfach schwierig ist, sich auf fünf Sachen zu beschränken. Es gibt bestimmt hundert Bands, bei denen wir uns riesig freuen würden, wenn die irgendwie mit uns auf der Bühne stehen würden.
Dann doch am besten ein eigenes Line-Up zusammenstellen?
Enno: Ja, genau. Ein eigenes Festival mit unseren Lieblingsbands. Das würde natürlich sehr teuer werden. Vielleicht kann ja Michael Jackson nochmal auferstehen.
Nils: David Hasselhoff wollte ich grad sagen.
Enno: Ja, so die Helden unserer Kindheit.
Aber David Hasselhoff ist ja sicher nicht mehr so teuer.
Enno: Dem reicht ein Burger.
Bernd: Hab ich auch gehört, dass der nicht mehr so teuer sein soll. Ich überleg ja, ob wir nicht so ein kleines Eurotrash-Festival in Ostfriesland machen sollten, das würde doch gut passen, oder?
Enno: In Ostfriesland ist das immer noch topaktuell. Nee, quatsch! Da hören die doch alle DJ Bobo. Nein, Spaß beiseite. Auf Ostfriesland lassen wir natürlich nichts kommen.
Ihr habt alle noch andere Jobs.
Enno: Nee, wir leben nur von der Band und sind jetzt richtig reich!
Nils: Wir hoffen, dass wenn das bei Mainstage erscheint dann irgendwann, so nächste Woche.
Bernd: Morgen!
Nils: … dass wir dann richtig berühmt werden!
Realistische Vorstellungen!
Enno: Wir spielen nämlich von den Gagen alle Lotto.
Bernd: Nein, jeder von uns hat natürlich noch einen Nebenjob und das wird sich wohl auch in absehbarer Zeit nicht ändern. Man ist ja zwischendurch auch viel zu viel Zuhause, was würde man denn die ganze Zeit mit seiner Zeit anfangen wollen? Im Mai zum Beispiel ist so gut wie gar nichts zu tun und da sind wir dann froh, dass wir dann alle noch ein bisschen was zu tun haben und uns die Decke nicht auf den Kopf fällt.
Ihr würdet eure Jobs also nicht sofort aufgeben, wenn ihr allein von der Musik leben könntet?
Bernd: Nee, auch das nicht.
Findet ihr das zu risikoreich?
Bernd: Das wäre definitiv zu risikoreich, aber ich glaube, man muss halt auch einfach immer irgendwas zu tun haben. Dieser Langweileraspekt, den ich gerade schon erwähnt habe, der ist nichts für mich. Wenn man wirklich mal eine ganze Phase lang nichts macht, vielleicht zwischen zwei Alben steht. Wir wissen ja noch gar nicht, wann wie vielleicht ein nächstes Album kommt, aber es gibt halt immer so Phasen im Musikerleben, in denen man dann mit der Musik auch mal nicht so viel zu tun hat und da kann man glaube ich ganz froh sein, wenn man irgendwie ein zweites Standbein oder ähnliches hat. Heutzutage ist es ja eh utopisch, wirklich gut von der Musik leben zu können oder sich damit so dicke Polster anzuschaffen, dass man wirklich eine ganze Zeit nicht mehr arbeiten muss.
Außer man ist Lady Gaga.
Bernd: Ja, klar, das sind natürlich ganz andere Dimensionen.
Was kommt bei euch im Bus aus den Lautsprechern, wenn ihr unterwegs seid?
Bernd: Oh, heute gab es einen sehr interessanten Mix aus Hannes Flesner, dem neuen Album von Gisbert zu Knyphausen und Trentemoeller. Wir haben ein neues Gerät im Bulli, das nennt sich fm-Transmitter. Da sucht man sich im Radio eine Frequenz und der Player überträgt das dann ans Autoradio, quasi ein USB-Stick ohne Kabel. Der Sound geht dann so durch die Luft! Irgendwie haben wir das Ding heute zum ersten Mal ausprobiert und da waren wesentlich mehr Alben drauf, aber immer wenn wir beim Shufflemodus weiter gedrückt haben, kam ein Lied von einem der drei.
Enno: Kurze Erklärung zu Hannes Flesner. Das ist das ostfriesische Urgestein, einer der ersten plattdeutschen Liedermacher überhaupt, der sehr heimatverbunden, aber durchaus auch sozialkritisch ist.
Nils: Ja, er war auch mal Redakteur bei der Bildzeitung.
Enno: Daher kommt wahrscheinlich seine sozialpolitische Ader.
Nils: Daher kommt das lustige!
Brennt euch noch etwas auf dem Herzen, das ihr unbedingt los werden wollt?
Enno: Wisst ihr denn auch, warum das Wattenmeer Wattenmeer heißt?
Sag’s uns!
Enno: Als der Ostfriese das erste Mal über den Deich geschaut hat, hat er gesagt: „Boah, wat en Meer!“
Nils: Hier, guck! Da schmunzelt sogar der Nachbartisch!
Bernd: Übrigens auch von Hannes Flessner, der Gag.
In diesem Sinne. Vielen Dank für eure Zeit!
Unsere Fotos vom Konzert in Frankfurt findet ihr hier.