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Im Gespräch mit Patrick Wolf

Wie lange haben wir gespannt auf neue Musik von Patrick Wolf gewartet! Am morgigen Freitag ist es dann so weit, sein nunmehr fünftes Studioalbum wird in den Läden stehen. Es wird nicht wie erwartet als „The Bachelor“-Nachfolger „The Conqueror“ heißen, das Motiv ist längst passé. „Lupercalia“ ist jetzt Programm und dazu konnten wir einige Fragen an Mr. Wolf persönlich los werden. So haben wir uns unter der Kölner Sonne mit ihm über seine vergangene Tour im Frühjahr, San Francisco und Bratwurst unterhalten.

Wie geht es dir?
Mir geht es gut, danke. Ich hatte einen schönen Tag!
Hast du etwas Besonderes unternommen?
Ich habe versucht, ein bisschen was von der Stadt zu sehen. Wir sind zum Wiener Platz und dann sind wir noch zum Messegelände, da habe ich eine Bratwurst gegessen.
Hoffentlich hat die dann auch geschmeckt!
Ja, sie war sehr lecker (lacht).

Du hast deine Tour in Russland begonnen. Wie kam es dazu?
Es war für mich sehr wichtig, dort zu spielen. Ich war zuletzt in Dublin und Russland unterwegs. Ich fand, dass die Alben sich in Sachen Musik und Geist dort miteinander verbunden haben. Außerdem gab es Momente auf der letzten Tour die wir dort verbringen konnte, die zu den absoluten Highlights zählten. Russland war mir wirklich wichtig. Meine Violonistin ist aus Russland und viele aus meiner Familie kommen aus Irland, also würde ich sagen, dass ich Ire bin, also haben wir irisch und russisch, deshalb wollten wir in Russland anfangen.

Wie laufen die Shows zur Zeit? Wie reagiert das Publikum auf deine neuen Songs?
Besser als auf ältere Alben, was wirklich wundervoll ist, weil es noch nicht lange etwas davon zu hören gibt. Ich glaube in UK ist „The City“ auf der A-List von Radio 2, dadurch kriegt man eine große Breite an Publikum. Und ich genieße es, dass ein neuer Publikumsteil zu meinen Konzerten kommt, genauso wie ich mich immer freue, altbekannte Gesichter und Leute, an die ich mich erinnern kann, zu sehen. Aber es ist schön zu sehen, dass ich auch neue Leute anziehen kann. Und viele davon kennen die anderen Alben gar nicht, das ist dann wirklich spannend. Und ich fühle mich viel besser, wenn ich von der Bühne komme, als bei der letzten Tour. Das war damals sehr heavy und hat irgendwie viel negative Energie und Aggression verbreitet, anstatt positive Energie zu versprühen.

2009 haben wir mit dir darüber geredet, dass du viele Konzerte in kleinerem Rahmen gespielt hast als du angefangen hast. Es wirkt ein wenig so, als wolltest du wieder mehr intimere Gigs spielen.
Ja, also ich habe nicht neunmal im Gebäude9 gespielt, aber vielleicht siebenmal. Es fühlt sich an, als wäre das der einzige kleine Fleck in Köln, den ich kenne. Es gibt über das Jahr verteilt so viele verschiedene Arten von Shows, da will man einfach Musik und Persönlichkeit und Energie bündeln. Ich glaube nicht, dass ich mich wiederhole, nur weil ich im gleichen Venue spiele. Es ist schön, dass wir eine kleinere Show machen, bevor das Album rauskommt, sodass wir die Songs vorstellen, mal wieder Hallo sagen können und wieder auf Tour sein können. Und nach dem Release des Albums wird es wahrscheinlich wieder in größerem Rahmen ablaufen. Es ist schön, es auszunutzen in kleineren Venues zu spielen, solange ich das kann.
Also war es eine bewusste Entscheidung für dich?
Bevor man ein Album rausbringt, will man auch einfach nicht alles auf einen Schlag Preis geben und eine wirklich große Show spielen. Ich denke, das ist einfach eine schöner Weg zur Vorstellung. Wir können uns wieder vorstellen und die neue Show ausprobieren. Dann kommen die Leute hoffentlich im Laufe des Jahres wieder und im Jahr danach auch… (grinst) Ich denke, ich habe eine wirklich schöne enge Beziehung zu meinem Publikum, eine Langzeitbeziehung, wenn man so will.

Patrick Wolf (c) Marleen Vogel
Wie würdest du dein neues Album beschreiben? Gibt es eine besondere Geschichte, die du damit verbindest?
Es kam auf sehr natürliche Weise zu Stande, ohne groß darüber nachdenken zu müssen. All diese Songs wurden in den ehrlichsten Momenten in meinem Schreiben zum Leben erweckt. Als ich anfing sie zusammenzustellen, ist mir bewusst geworden, dass es ein Album über meinen Verlobten sein wird. Über das einfache Leben in London, über die einfachen Dinge, über Liebe, sich gegenseitig zu bekochen, häusliches Glück. Dinge, die mir zuvor gefehlt haben und so auch auf den anderen Alben nicht zu hören waren. Es geht darum, endlich nicht weg zu laufen vor etwas, das du dir nur einbildest, irgendein böses Problem, das du mit der Welt hast. Es geht darum, sich mit sich selbst zu beschäftigen, sich mit demjenigen zu beschäftigen, den man liebt, mit der Welt und sesshaft zu werden, mit seinen Problemen und der Zukunft. Das war ein großer Wandel für mich und ich bin sehr stolz, dass ich nicht damit weiter gemacht habe, einfach so wie vorher weiter zu machen. Ich dachte, es war Zeit für ein neues Album, etwas völlig Anderes zu machen, und dabei im Prozess des Schaffens eine völlig andere Person zu werden. Ich wurde quasi ein neuer Mensch.
Also etwas Leichteres und Helleres zu schaffen?
Ja, ich denke anstatt sich immer auf die negative Einstellung zu konzentrieren, die die Welt dir gegenüber einnimmt, könnten wir uns auf das Positive und den Optimismus, etwas dass wir alle in uns tragen, konzentrieren.

Kannst du uns mehr über den Albumtitel „Lupercalia“ verraten?
Ich habe nach einem Titel gesucht, der das Feiern von Liebe ausdrücken kann. Ich habe über den Valentinstag recherchiert, über Heidenfeste und viele andere Feste und bin dabei auf eines gestoßen, dass mit der Stadt in Verbindung steht. Dabei ging es darum, alles Negative aus der Stadt zu spülen. Im Zentrum von London zu leben… an einem Tag hast du Demonstrationen gegen den Papst, am nächsten Studentendemonstrationen und dann Demonstrationen gegen irgendwelche Banken. Ich lebte also zu dem Zeitpunkt in einer Stadt, in der es dauernd zu Unruhen kam, in dem jeder mit der Regierung und mit seinen Mitmenschen unzufrieden war. Dabei habe ich mich gefühlt als wäre ich in meinem eigenen kleinen Paradies, in meiner eigenen kleinen Seifenblase und beobachte das alles. Auf der einen Seite hatte ich in meinem Garten die Natur und auf der anderen all diese Demonstrationen. Ich war von fast jedem Beweggrund fasziniert und habe fast jeden unterstützt, aber irgendwie hat es mich auch an das Lupercalia-Fest erinnert. Denn damit zelebriert man die Liebe auf den ersten Blick, was prinzipiell der Ursprung dieses Albums ist: Dass ich jemanden kennengelernt und mich in ihn verliebt habe. Es ist ein Fest der Fruchtbarkeit, des Wachstums und des Versuchs, etwas aus der schwierigen, urbanen Umgebung entstehen zu lassen. Ich weiß auch nicht, manchmal wenn du etwas schreibst, hast du einfach diesen „Das ist es!“-Moment, in dem einfach alles zusammenpasst. Und durch die Recherche wusste ich einfach, dass es perfekt passt. Ich mag es, etwas wieder zu beleben, das prinzipiell fast ausgestorben ist. Niemand spricht darüber, es gab dazu fast nichts im Internet. Es war nur ein kleiner Fetzen in irgendeinem Buch und ich mochte den Gedanken, dass ich dem Ganzen irgendwie wieder Leben eingehaucht habe. Und es hat auch meine Einstellung zum Performen geändert. Es soll eine Art Fest sein.

Das Video zu „The City“ hast du am Strand von Santa Monica gedreht. War es dir wichtig, es gerade dort zu drehen?
Ja, ich und Kinga (Burza, Regisseur des Videos, Anm. d. Red.) haben uns viel darüber unterhalten, welche Orte wichtig für das Album sind und wie ich mich fühlte als ich das Lied geschrieben habe. Ich bin nach Santa Monica geflogen, um ein paar Songs aufzunehmen, die es aber, außer „Time Of My Life“, nicht auf das Album geschafft haben. Dort oben habe ich zusammen mit Miguel de Vivres angefangen, an dem Album zu arbeiten. Aber dann habe ich beim Flug dorthin meine Stimme verloren. Ich bin einfach aufgewacht und hatte keine Stimme mehr. Eigentlich hatte ich zwei Wochen sehr teure Studiozeit gebucht, aber dann habe ich einfach die ganze Zeit geschrieben. Wenn ich nicht singen kann, schreibe ich. Ich war oft am Pier, an dieser wundervollen pazifischen Küste und man spürt einfach den Geist von Chet Baker und Brian Wilson immer noch. Es war sehr wichtig, aus dem Schatten des letzten Album herauszutreten und neu anzufangen. Das Video zeigt also genau den Ort, an dem ich den Song geschrieben habe.
Auf dem Album erwähnst du auch San Francisco. Hast du auch zu dieser Stadt eine besondere Verbindung?
Ja, sehr sogar. Ich liebe San Francisco. Ich durfte dort wunderbare Momente mit Freunden erleben und auch die Konzerte waren immer fantastisch dort. Aber San Francisco ist auch irgendwie immer der letzte Stop einer Tour, einer zwei Jahre langen Tour. Immer wenn ich in San Francisco bin, bin ich sehr erschöpft und einfach ausgelaugt. Deshalb habe ich mich dazu entscheiden den Song „The Future“ in San Francisco beginnen zu lassen. Da war dieser Moment, als ich ganz alleine im Pool war und jede Nacht auf einer großen Bühne für Leute gespielt und ihnen mein Herz ausgeschüttet habe. Zu dem Zeitpunkt war ich aber Single und mich gefühlt als hätte ich meine Musik promotet und Emotionen geteilt, aber meine eigenen Emotionen waren irgendwie nicht wirklich da, weil ich alles gegeben habe, aber niemand da war, mit dem ich es teilen konnte. Es war wie eine Reise, die man ganz alleine bestreitet. Also, hat es in San Francisco angefangen, einen Tag bevor ich wieder zurück nach London geflogen bin. Alles ist sehr auf London konzentriert, weil es ja mein Zuhause ist und wieder dorthin zurückzukommen ist einfach wie nach Hause zu kommen. Es hat also alles in San Francisco angefangen, ich kann mich noch sehr gut an diese Nacht erinnern, ja…
Du hast gerade den Song „The Future“ erwähnt. Kannst du uns ein bisschen mehr darüber erzählen? Um was geht es in dem Song?
Nun, darum geht es… Manchmal schreibe ich den Text und die Musik getrennt. Ich schreibe Sätze und Ideen auf, und dann drei Monate später Akkorde dazu. Ich wollte unbedingt einen Song auf der Gitarre schreiben anstatt es jemand anderen machen zu lassen. Ich habe den Song geschrieben, ein Demo aufgenommen und erst später den Text dazu gefunden. Es geht darum, von jemandem, den man liebt, über die Schwelle getragen zu werden und zwar nicht nur, über die Schwelle eines Hauses, sondern in die gemeinsame Zukunft. Dass man sich eigentlich jeden Tag gegenseitig darüber trägt. Also wacht man am nächsten Tag auf und hat diese Person mit in die Zukunft getragen. So schafft man sein eigenes Schicksal von dem Moment an, in dem sich zum ersten Mal trifft und den Entscheidungen, die man als Paar gemeinsam trifft. All diese Entscheidungen, die Zukunft liegt in deinen Händen und in den Händen, der Person, die man liebt. Das ist so die zentrale Idee hinter dem Song.

Deine nächste (inzwischen aktuelle, Anm. d. Red.) Single heißt „House“. Es ist deine dritte Single, obwohl das Album noch nicht draußen ist. Ist das beabsichtigt?
Eigentlich ist es meine zweite Single. Ich finde, „Time Of My Life“ war eher so was wie eine Einführung in das Ganze. Es kam ja auch nur auf Vinyl raus. Ich denke, weil sich meine Musik nicht wirklich einordnen lässt und sie nicht wirklich zu einem bestimmten Genre gehört, braucht es manchmal eine gewisse Zeit bis sich die Menschen wieder daran gewöhnt haben. Daran habe ich mich inzwischen gewöhnt. Ich weiß nicht, ob sie mich neu kennenlernen müssen oder das neue Konzept. Oder ob es vielleicht daran liegt, dass es nicht so wie das letzte Album klingt. Deshalb denke ich, dass sich lange, langsame Hinführungen für meine Musik einfach besser eignen. Es war bei allen meinen bisherigen Alben immer das gleiche; die ersten beiden Alben waren immer ein Albtraum. Ich höre von allen das Gleiche: „Was soll dieser Scheiß?“ Und so nach einem Monat oder zwei, lässt dieser anfängliche Schutz von dem vorherigen Album oder dem vorherigen Image oder Sound nach. Dann fangen die meisten an, es zu mögen, weil sie ihre Vorbehalte ablegen. Deshalb ist mir das hier lieber als wenn das Album ein halbes Jahr vor dem eigentlich Veröffentlichungstermin leaked. Ich mag es lieber ganz traditionell Singles auszukoppeln, um die Leute auf das Album vorzubereiten. Und bei den letzten zwei Alben konnte ich es nicht so machen. Ich glaube, „Wind In The Wires“ war das letzte Album, bei dem ich es so machen konnte und drei Singles rausgebracht habe, um das Album langsam vorzustellen. Mit Videos und allem drum und dran.

Du hast gerade von Albumleaks gesprochen. Eine Live-Version von „Bermondsey Street“ beispielsweise ist jetzt schon bei YouTube hochgeladen worden. Wie findest du es, wenn Leute sowas ins Internet stellen, obwohl das Album noch gar nicht draußen ist?
Bei Live-Auftritten ist mir das eigentlich egal. Ich finde es wundervoll… was ich bei Konzerten nicht mag, ist wenn überall Handys gezückt werden. Zumindest als Zuschauer finde ich das doof. Ich würde den Moment viel lieber in meinem Gedächtnis festhalten statt auf meinem Handy zu speichern. Aber ich mag es andererseits, dass die Leute diesen Moment auf meinen Konzerten mit anderen teilen wollen. Ich bin mir aber auch bewusst, dass ich deshalb manche der Songs auf diesem Album zurückhalten muss, weil sie zu viel verraten würden. Auf dem Album sind zwei Songs, die man einfach zuerst mit seinen Kopfhörern oder eben zuhause hören sollte.
Welche Songs sind das denn?
Zum einen „The Falcons“, der letzte Song auf dem Album. Denn für diesen Song haben wir sehr viel programmiert, auch für die Kopfhörer. Wir haben Uhr- und Vogelgeräusche eingebaut. Das Lied mag ich wirklich sehr. Und außerdem „The Future“, ich denke einfach, dass man dieses Lied für sich selbst entdecken muss. Wenn das Album draußen ist, werde ich auch anfangen, diese Lieder live zu spielen.

Dieses Album hast du in einem richtigen Studio aufgenommen, richtig?
Ja, in vielen sogar (lacht).
War das eine Herausforderung für dich?
Ja, hm, nein… naja, es war etwas Neues, wirklich alles vom Anfang bis zum Ende im Studio aufzunehmen und nichts daheim zu machen. Ich habe zwar ein kleines Studio, aber das habe ich nur für Demos. Durch die letzten Alben habe ich viele Tontechniker kennengelernt und habe dadurch gelernt, wie viele andere ihre Alben in Studios aufnehmen und mischen. Es ist einfach ein großer Luxus das tun zu können. Es war schon immer ein Traum von mir, ein Album komplett in einem Studio aufzunehmen, wenn ich mal das Budget dazu hätte. Und jetzt war einfach die Zeit dafür. Aber manchmal war es echt sehr anstrengend. Sogar anstrengender als die ganze Nacht in deinem eigenen kleinen Studio zuhause aufzubleiben. Du hast vier Festplatten, die alles sichern und du arbeitest praktisch von 9 Uhr morgens bis 5 Uhr abends. Es ist schon manchmal wie eine wissenschaftliches Verfahren. Als Produzent muss man dann die Spontaneität und die Freude in diese Aufnahmen mit einbringen. Ich habe einfach mein Bestes gegeben. Ich konnte die Vocals in einer Aufnahmekabine mitten in den Bergen Spaniens aufnehmen. Das war unglaublich. Die Aufnahme waren wie Luxus für mich. Man weiß ja nie, wann man dazu wieder die Chance bekommt.
Würdest du sagen, dass sich dadurch auch der Sound des Albums ändert oder ändert sich nur die Weise, in der das Album aufgenommen wird?
Ich denke nicht, dass meine anderen Alben irgendwie unvollkommen wirken. Ich denke, sie sind alle besonders und haben etwas Magisches. Sogar „The Magic Position“. Das Album wurde zwar sehr teuer aufgenommen, aber dann auf einem viel zu kleinen Mischpult aufgenommen. Ich war so jung, ich habe nicht wirklich kapiert, dass das ein Problem ist. Es war so komisch, das Label hatte gerade 100.000 Pfund für die Aufnahmen ausgegeben und ich mixe es dann mit diesem winzigen Mischpult. Und so hört es sich dann eben auch an. Aber ich finde, das macht auch den Charme dieses Albums aus. Das ist es, was ihm seine Seele verleiht – seine Unvollkommenheit hat es für mich perfekt gemacht. Bei diesem Album war aber Luxus und das Thema Paradies sehr wichtig, deshalb wollte ich auch in tollen, paradiesischen Studios aufnehmen (lacht).

Patrick, vielen Dank für deine Zeit!
Danke euch!

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