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Im Gespräch mit Paucker

pauckerIn der kommenden Woche erscheint das Debüt-Album von Paucker, eine Woche später startet seine erste richtige Tour durch die gesamte Republik. Bereits im Januar begleitete er den amerikanischen Singer/Songwriter Mike Doughty auf seiner Tour. Dabei trafen wir uns mit Paucker in Oberhausen, um mit ihm über „Miserable Junkie“ und seine Musik im Allgemeinen zu sprechen.

Auf der Bühne zu stehen ist für dich ja nichts Neues. Du spielst in vielen verschiedenen Bands mit, war es da eine große Umstellung auf einmal der Frontmann zu sein, auf den alle schauen?

Ja, das ist tatsächlich etwas völlig anderes für mich. Es ist auch noch unterschiedlicher, als ich es erwartet hätte. Ich war schon mal mit 16 der Frontmann in meiner Schülerband, seit dem allerdings nicht mehr. Da liegen jetzt viele Jahre dazwischen, in denen ich mich nur mit meinen Instrumenten beschäftigt habe und der Sideman und Backgroundsänger war. Die einzigen Erfahrungen, die ich für das vorne habe, sind wirklich diese Schülerband-Erfahrungen. Mein Bassspiel verliert dabei total an Fokus, weil ich halt vorne stehe und singe und der Bass muss sich jetzt der Stimme unterordnen und das ist halt für mich eine völlig neue Herangehensweise. Aber es ist auch eine große Herausforderung und sehr spannend!

Die Musikstile der Bands, in denen Du bis jetzt gespielt hast, unter anderem in der Jazzband Triband, sowie in den Livebands von Joy Denalane und Thomas D, sind ja sehr unterschiedlich zu dem, was Du jetzt machst. Ist das jetzt Dein wahres Gesicht?

Es ist auf jeden Fall mein Gesicht, ich weiß nur nicht, ob es das einzige Gesicht ist. Ich bin einen weiten Weg gegangen durch viele Phasen und Stilistiken in den letzten zehn Jahren. Ich kann gar nicht mehr nachvollziehen, wo ich zwischendurch gelandet war. Alles ging los mit der Beatles-Phase als ich zwölf war, und wenn ich mir anschaue, wo ich jetzt wieder gelandet bin… Man kann natürlich einen starken Einfluss hören, vor allem der späteren Beatles Alben, und es ist für mich, als würde sich der Kreis nun schließen. Das ist von selbst passiert, dazwischen hatte ich intensive Hip Hop-, Neo-Soul-, Punk- und Grunge-Phasen. In diesen Zeiten habe ich auch Songs geschrieben, die davon sehr inspiriert waren, die mag ich selbst zum Großteil gar nicht mehr hören. Was übrig geblieben ist, ist das, womit es angefangen hat, dieser verschrobene 60’s Sound mit Fokus auf den Song. Als Bassist hat man eigentlich gerne den Fokus auf den Groove, das ist jetzt nicht mehr so mein Thema, ich will jetzt einfach Songs schreiben und singen.

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Warum ist gerade „God has gone on Holiday“ die erste Veröffentlichung aus dem Album geworden?

Zum einen haben eigentlich alle gesagt, dass der Song sie als erstes gepackt hat, da waren viele Rückmeldungen von außen da. Man selber verliert da so ein bisschen den Blick, aber ich wusste schon, dass das ein knackiger Song ist, der das hergeben könnte. Ein weiterer Grund ist, weil es auch eine Nummer mit Aussage ist, und ich fand es eine gute Wahl, um damit zum ersten Mal als Songwriter in Erscheinung zu treten. Es ist ein kritischer Song und mir ist es auch wichtig Stellung zu beziehen, er ist ja nicht nur religionskritisch, sondern generell gesellschaftskritisch. So ein paar Kugeln werden angekickt, natürlich nicht gelöst, den Anspruch hat der Song nicht, aber es ist mir wichtig zu zeigen, dass es nicht nur um die Musik geht, sondern auch um die Aussage.

Wie lang hast Du eigentlich am Album gearbeitet? Also von der ersten Idee bis jetzt zur Veröffentlichung?

Von den ersten Ideen der Songs bis zur Fertigstellung des Albums habe ich ziemlich genau ein Jahr gebraucht, das ganze letzte Jahr habe ich damit verbracht, das richtige Netzwerk darum aufzubauen. Das war mir sehr wichtig, denn man kann auch eine Platte veröffentlichen und keiner kriegt es mit. Für die erste Platte hat man diese Zeit noch, für die zweite dann nicht mehr. Da gibt es so viele Fragen und die alle brauchen Zeit!

Das Album ist ja im Großen und Ganzen schon etwas düsterer und traurig ausgefallen, woher kamen dafür die Ideen? Ist das alles autobiographisch?

Das Album heißt ja „Miserable Junkie„, man könnte es vielleicht mit armseliges Würstchen übersetzen. Es ist eine Art Reflektion und als ich angefangen habe zu schreiben, war ich in so einer Stimmung. Das Album hat mir geholfen, davon ein bisschen was zu verarbeiten. Dieser „Miserable Junkie“ ist halt so ein abhängiger Teil des Ichs, der sich von außen beurteilen lassen will, der nach Liebe und Anerkennung sucht und verhindert, dass man zufrieden ist, weil man immer nur darauf wartet, dass die Anderen was finden. In so einer schlechten, aber trotzdem reflektierten Phase sind die Songs entstanden und ich habe dann trotzdem versucht die Kurve zu kriegen und den Songs ein positives Gesicht zu geben. Aber ja: Sie sind autobiographisch, und deshalb ist das Album so geworden.

„I will pay the Breakfast“ steht im Gegensatz zu den restlichen Liedern, ist das bewusst gewählt?

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Ja, das ist bewusst und der Song ist auch nicht autobiographisch. An einem gewissen Punkt kann man sich auch nicht mehr weiter runter ziehen, das hat sich dann von selbst so ergeben, wobei auch viele Leute sagen, es ist ein dunkles Album aber es macht doch irgendwie fröhlich. „I will pay the Breakfast“ ist auf jeden Fall eine Spaß-Nummer, da geht es um einen Gigolo, der anbietet, das Frühstück zu bezahlen, wenn die Frau, die er da gerade ansingt, mitkommt. Das habe ich nie gemacht, aber ich würde es eigentlich gern mal ausprobieren…

Du offenbarst ja schon sehr viel Persönliches auf dem Album, ist es nicht schwer das live vor Publikum vorzutragen, weil man sich damit ja wieder ein Stück in die Situation von damals zurück versetzt?

Ja, das bedarf schon einer gehörigen Portion Mut. Es gelingt mir auch nicht jeden Abend gleich gut, in diese Stimmung rein zugehen. Aber auch da kann man dran arbeiten und man muss sich natürlich auch schützen, man darf da nicht jedes Mal eine Psychose von einem Konzert kriegen. Ich kann nachvollziehen, wie ich mich gefühlt habe und kann das wieder abrufen, aber ich gehe nicht wieder dahin zurück, wenn ich das live performe. Einen kleinen Schutz brauche ich da schon. Ich erzähle eher von der Zeit, so versuche ich das zu interpretieren. Um mal kurz die Brücke zur Schauspielerei zu schlagen: Es gibt da ja auch die beiden Techniken, wenn Du was Trauriges spielst, an was Erlebtes zu denken, was natürlich nicht immer ganz gesund ist. Und es gibt eben die Möglichkeit außenstehend zu bleiben und nach wie vor eine Distanz zu seinem Charakter zu wahren. Ich tendiere eher zu letzterem, sonst könnte ich keine Tournee durchhalten.

Welches ist für Dich persönlich der wichtigste Song auf dem Album?

Das ist eine gute Frage…
An welchem Lied hängt das meiste Herzblut?
Ich habe mir da noch nie Gedanken drüber gemacht, aber ich würde spontan sagen „Little Princess„. Das ist bestimmt auch der dunkelste Song auf dem Album, der hat einen so unmittelbaren Bezug in meiner näheren Umgebung gehabt, als ich ihn geschrieben habe. Wenn ich den singe, und ich sing ihn auch nicht jeden Abend, schaffe ich es nicht diese Distanz zu wahren, der ist so tief verwurzelt und für mich deswegen so wichtig. Es ist auch einer der spezielleren Songs, da gibt es gar kein Schlagzeug, nur Klavier und Stimme, den finde ich sehr wichtig, auch wenn es auf jeden Fall natürlich eher ein Albumtrack ist, den man mit der Zeit erst entdecken kann.

In Deinen Podcasts bist Du ja ständig unterwegs, auch im Ausland. Hast Du eigentlich auch vor die Platte im Ausland zu veröffentlichen?

Erstmal kommt die Platte in Deutschland raus, aber klar strecke ich da die Fühler aus. Ich glaube auch, dass im europäischen Ausland ganz gute Chancen für deutsche Künstler da sind und in Deutschland selber grad nicht die beste Zeit für einen Newcomer ist. Es gibt Kontakte nach Schweden, England und Osteuropa, ich könnte mir vorstellen das nach und nach aufzubauen, Land für Land. So konkret ist das noch nicht, aber ich möchte auf jeden Fall ins europäische Ausland gehen.

Du spielst ja jetzt bald Deine eigene Tour, gibt es darüber hinaus noch weitere Livepläne für dieses Jahr?

Jetzt kommt erstmal die Tour, die ja auch schon ganz umfangreich ist und durch ganz Deutschland geht, darüber hinaus hoffe ich auch, dass ich auf einigen kleinen Festivals im Sommer spielen kann. Ich hoffe auf das eine oder andere Umsonst & Draußen, Unipartys und so weiter, in die richtigen Slots werden wir ganz realistisch betrachtet noch nicht reinkommen. Mein Plan geht über fünf Jahre, es ist wichtig einen realistischen Plan zu haben für so eine Zeit, sonst verpulvert man alle Energien direkt und erwartet viel. Ein Album ist schön und gut, ein zweites ist auch immer noch schön und gut, und ein drittes muss auch immer noch her. Man muss einfach mal vier oder fünfmal in den Städten aufgeschlagen sein, bevor das aufgeht, was man sich da ausgedacht hat, und das ist mein Plan, von daher gehen wir es locker an in diesem Jahr, ich freu mich, dass die Tour so gut aussieht. Im Herbst werden wir dann noch mal eine Tour nachlegen, weil einige Städte jetzt einfach nicht reingepasst haben, im November werden wir sicher noch mal ein, zwei Wochen auf Tour sein, und dann ist das Jahr schon ganz gut genutzt.

Erzähl uns mal ein bisschen von Deiner Band!

Das Schöne an meiner Band, und warum uns das Ganze und auch dem Publikum richtig viel Spaß macht, ist, dass das lange gewachsene Freundschaften sind. Eigentlich ist das meine WG, zwei von den drei anderen sind tatsächlich meine Mitbewohner in Berlin. Das schlägt so die kleine Brücke zurück zur Schülerband, weil das Leute sind, die ich als Jugendliche kennen gelernt habe und mit denen ich jetzt erst wieder richtig Musik mache. Da ist so eine lange Freundschaft gewachsen, auf die wir die Musik jetzt drauf setzen, was für mich auch wieder eine neue und schöne Erfahrung ist. In meinem Alter, mit 30, naja 29, wieder oder endlich eine Band zu haben, die aus meinen besten Freunden besteht, sowas hat man eigentlich nur, wenn man als Schülerband wächst. Mir war das auch wichtig, als ich das Album geschrieben habe, gab es die Band ja noch nicht, und da wusste ich auch noch nicht richtig, wie ich das mache. Aus meiner Biographie als Sideman könnte es viele Gitarristen und Schlagzeuger geben, die das super machen würden, ich wollte aber unbedingt meine Familie an Bord holen und nicht diejenigen, die am versiertesten sind. Die Jungs sind alle super, aber das war nicht mein Hauptaugenmerk, ich fange da jetzt wieder wo anders an, als ich bei Thomas D als Sideman aufgehört habe. Für mich ist das eine total neue Tür, da gehe ich durch und die Jungs sollen da mit durchgehen, nur dann kann es wachsen.

Du spielst bei Deinen Live-Shows auch Lieder von den Eels und Beck, ist das Musik aus der Du Deine Inspiration ziehst und die Du privat gerne hörst?

Ja, auf jeden Fall! Alle vier Coversongs, die momentan in der Setlist sind, sind Tribute an die Bands, die mich in den letzten ein zwei Jahren beeinflusst haben. Da ist Beck dabei, da ist Elliott Smith dabei, da sind die Eels und seit neuestem habe ich auch einen Beatles Song drin, allerdings einen sehr unbekannten. Ich zolle damit meinen Tribut an die Bands, die mich einfach jedes Mal, wenn ich sie wieder höre, wegblasen. Abgesehen davon haben die Nummern geschrieben, die einfach live gespielt werden müssen und die Jungs kommen in letzter Zeit so selten auf Tour – vor allem die Beatles…
Und Elliott Smith…
Ja, stimmt… Und Beck habe ich auch nur einmal gesehen. Außerdem muss ich auch so ehrlich sein und sagen, dass das Songmaterial von einem Album nicht ganz leicht auf einen stimmigen Livebogen zu übertragen ist und ich hab einfach auch noch zwei, drei Songs gebraucht, die habe ich einfach noch nicht geschrieben.

Kannst Du dich mit dem Begriff Indie identifizieren?

Ich hab mir viele Gedanken dazu gemacht… Es gibt halt diese Indie-Hardliner, für die ist Indie auch mit einem ganz bestimmten Sound verbunden und einer bestimmten Attitüde und denen ist mancher Song von mir dann zu poppig. Letztendlich ist der Begriff Indie meiner Meinung nach auch völlig überstrapaziert, so ein Begriff, den man sich gerne auch mal aufs T-Shirt druckt, alles was Indie ist, ist auch erstmal credible und geil. Das geht so weit, dass Sachen als Indie erklärt werden, die von ihrer Struktur her, wer sie eigentlich macht, überhaupt nichts mehr mit Indie zu tun haben. Was soll Indie Musik eigentlich sein? Indie heißt Independent und ich mach da grad alles selber und deshalb ist es für mich Indie. Es ist meine Plattenfirma, mein Konzept und mein Geld. Ich würde sagen, viel mehr Indie geht nicht! Indie ist für mich auch gar keine Wertung, wie sehr was Indie ist, es ist einfach die Frage, wie wenig ist es von der Industrie beeinflusst und wie wenig oder wie viel richtet sie sich nach kommerziellen Gesichtspunkten. Und Du hast das ja selber gesagt, dass es ein sehr autobiographisches und dunkles Album ist, es ist sehr viel von mir und so würde ich Indie definieren und deshalb würde ich auch sagen, dass es Indie ist. Darüber habe ich auf jeden Fall schon mit vielen Leuten diskutiert. Das finde ich immer interessant, wie wichtig das Leuten ist, ob es Indie ist oder nicht.

Vielen Dank, dass Du Dir für uns so viel Zeit genommen hast!


Miserable Junkie“ erscheint am 05. März 2010 über Monohausen Records

Ab 12. März ist Paucker auf Tour, präsentiert von Mainstage, hier gehts zu den Daten.

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