Fünf Menschen aus Köln machen Gitarrenmusik. Soweit nichts ungewöhnliches. Das wird es aber sogleich beim Namen, nennen sie sich doch Komplizen der Spielregeln, nach Max Frisch. Den nicht gerade geringen intellektuellen Anspruch, den sie dadurch kreieren, gilt es zu halten. Und so lastet auf ihrem Debüt Es wird nur noch geatmet wahrscheinlich etwas mehr Druck als eventuell nötig wäre.
Einzelne Gedankenfetzen ziehen vorbei und schlagen den Hörenden in Bann. In den Raum geworfene Statments, bisweilen mutig, bisweilen anmaßend, bissig, ironisch. Dann plötzlich resignativ, innehaltend. Verwirren und faszinieren. Oft spricht man für sich selbst und wie von selbst einzelne Sätze nach (Wie viele Läden – heißt auch dieser hier – suboptimaaaal). Die Texte werden umspielt von launischem Indierock, der – wie Kollege Steinbrink im Infotext ganz richtig schreibt – auf jeden Fall etwas Post-iges hat. Post-Hardcore, Post-Punk, sowas. Wütende Sonic Youth Gitarren wechseln ab mit ruhigen Momenten.
Wir leiden am System, wir leiden am System.
Und das System leidet an uns.
Das ist doch für alle Beteiligten, 27 Stunden
eine WIN-WIN-WIN Situation, Situation, Situation.
Über weite Teile des Albums können Komplizen der Spielregeln den anfangs erwähnten Anspruch übrigens halten. Die eher gewollt denn gekonnt wirkenden Sprachspielerein (wie etwas die verflossenen Entschlossenen) sind glücklicherweise nur selten anzutreffen. Sänger und Texter Tobias Ortmanns wandelt immer sicher auf einem schmalen Pfad zwischen Sprechgesang und einer wütenden Stimme kurz vor dem Schreien. Manches Mal droht er sich zu überschlagen, einen Moment später wirkt es wieder gedrungener, leiser, heimlicher. Man kann an Blumfeld denken, man kann aber auch an peters. denken.
Also mit den Komplizen der Spielregeln, da müsst ihr euch auch mal was überlegen.
Die Leute müssen sich darin wiederfinden, in der Musik – und in den Texten. So ein paar Standards müssen schon sein.
Weisst du? Die Masse der Leute ist einfach dumm. Ja, das ist so.
Aber mit solchen Texten und solchen Songs, da kommt ihr nicht weit.
Da erhängt sich schon eure Zielgruppe nach dem Intro.
Weißt du Tobi, und das sage ich dir jetzt ganz im Vertrauen
Ich habe ich mir immer gesagt:
Entweder wir gehen ein in die Analen
oder wir sind ganz im Arsch.
Es wird viel in den Mund genommen, es wird sich viel getraut, es wird aber auch viel eingelöst. Das auf Sitzer Records gute Bands veröffentlichen (so findet man dort nicht nur Locas in Love, Le Mobilé oder Schwervon! sondern auch die seit jeher vollkommen unterschätzen und leider nun auch aufgelösten Decorder) bestätigt den Eindruck, dass hier endlich mal wieder jemand nachgedacht hat, bevor irgendwas irgendwie veröffentlicht wird. Sicherlich wird Tobias Ortmanns Stimme dem ein oder anderem von Anfang an auf die Nerven gehen, es werden sich ebenso mit Sicherheit wieder welche finden, die der Musik allerhöchstens ein „so auch schonmal dagwesen“ attestieren mögen.
Nichtsdestotrotz ist Es wird nur noch geatmet endlich mal wieder was Mutiges, was Spannendes, etwas das ein wenig mehr vermag als nur zu unterhalten. Das nach Vom Feuer der Gaben wahrscheinlich stimmigste Album des Jahres, so far.
Sieht es eigentlich scheisse aus, wenn ich tanze..?
Erscheint am 14. August 2009 auf Sitzer Records.