Das noch nicht lange erschienene Debut „Give You The Ghost“ ist schon lange in aller Munde. Überall wird über die den Zeitgeist so treffende Platte und auch über die Band die hinter diesem Werk steht gesprochen: Poliça. Wer ist diese Band, die plötzlich so viel Begeisterung hervorruft und in geringer Zeit so viele lobende Kritiken erhält? Auch nach dem Konzert, das am vergangenen Donnerstag im Heidelberger Karlstorbahnhof stattfand, bleibt eine solche Frage weitgehend ungeklärt.
Die aus der Twin-City Minneapolis stammende Band um Channy Leaneagh existiert erst seit einem Jahr, nachdem sich Bassist und Sängerin aus einer Folkband abspalteten, um ganz andere Musik zu machen.
Das ist ihnen definitiv gelungen: Auf „Give You The Ghost“ bieten Poliça in knappen 45 Minuten sehr feinen, experimentellen und elektronischen Pop. Durch die hohe musikalische Dichte, die besondere Gegebenheit zweier Schlagzeuger sowie den durchgängig mit Autotune verzerrten Gesang ergibt sich ein besonderer atmosphärischer Klang, der das gesamte Debut prägt.
Umso gespannter erwartete das Heidelberger Publikum die schon längst bekannten Songs auch live zu erleben.
Hanne Kolstø, eine norwegische Musikerin, bereitete das Publikum auf sehr niedliche und sympathische Art und Weise auf Poliça vor. So erfuhr das Publikum beispielsweise, dass Hanne in ihrer Heimatstadt gerne Sonntag Nachts alleine Rad fährt.
Ihre Songs zwischen kühlem eletronischen pop mit fetten Bässen, die zeitweise stilistische Ähnlichkeiten mit Poliça aufwiesen, aber eine größere Varietät an Stimmungen boten, gingen durch die Erwartungen auf den eigentlichen Act des Abends, ein wenig unter.
Poliça selbst kamen wenig später auf die Bühne und lieferten Perfektion.
Aber eben auch nicht mehr. Erst nach einigen Songs stellt Channy ihre Band vor und kommuniziert auch im weiteren Verlauf des Konzerts nur spärlich und phrasenartig mit dem Publikum. Zwar ist die Musik live fast noch einnehmender als auf der Platte selbst und das perfekt dargebotene Set bezaubert sofort. Besonders gefeiert wurden natürlich die schon unzählige Male gehörten Songs „Lay Your Cards Out“ und „Wandering Star“. Bemerkenswert ist auch, mit welcher Leichtigkeit die Band neue Songs in ihr Set integrierte, die in vergleichbarem Maß begeisterten und auch als Zugaben einen runden Abschluss darstellen konnten.
Dennoch mischte sich unter die Begeisterung für die Musik vor allem Verwirrung.
So perfekt passt, dass sich die Band dem Publikum genauso mechanisch präsentiert wie die Musik, die sie präsentieren. Es wird nicht nur an Kommunikation zum Publikum gespart, sondern auch innerhalb der Band. Was zunächst als Schüchternheit interpretiert wird, wirkt zunehmend wie ein bewusst gewähltes Stilmittel. Es scheint als würde die Show geplant keine solche sein.
Passend zur überwiegend kühlen Stimmung ihrer Musik liefert die Band um Channy ein musikalisch perfekt eingespieltes Konzert und spielen für sich, für keinen anderen im Raum.
Doch Poliça bleiben kühl, reserviert, nicht fassbar.
Dieses Konzept funktioniert, solange die Musik so perfekt in die Zeit passt.
Wer Poliça eigentlich wirklich ist bleibt auch nach der perfekten Inszenierung verklärt, was zur weiterführenden Frage führt, ob die Band bewusst ungreifbar bleiben möchte und ob genau das den Reiz darstellt, der sie ausmacht oder ob Poliça sich zunächst auf sich selbst fixiert, um die explodierend zunehmende Medienaufmerksamkeit auszugleichen und auszublenden.
Auf jeden fall bleibt diese Band eine, die es in nächster Zeit zu beachten gilt und auf deren nächste Werke man gespannt sein darf!