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Telekinesis im Interview

Telekinesis sind in diesem jahr rasant zu kleinen Szene-Helden herangewachsen. Sie haben erst im August ihr Debüt „Telekinesis!“ bei uns auf Morr Music veröffentlicht, doch Auftritte der Band bei namenhaften Festivals wie dem Immergut oder dem Reeperbahnfestival haben Telekinesis in immer mehr Munde gebracht. Aktuell touren sie quer durch Europa. Beim Hamburg-Konzert haben wir die Chance genutzt, vor dem Konzert mit dem Kopf hinter dem Projekt, Michael Lerner, ein wenig über ihn und seine Musik zu sprechen.

Mir ist aufgefallen, dass ihr ständig tourt, seit euer Album herauskam. Macht es noch immer Spaß, oder wird es langsam belastend?

Michael: Ich liebe es. Die Konzerte sind der Wahnsinn und wir sind auch zunehmend gut besucht. Aber natürlich macht es mich auf der anderen Seite auch fertig, die ganze Zeit unterwegs zu sein. Ich denke das gehört einfach dazu. Wenn dir irgendeine Band erzählt, dass sie am Ende einer Tour noch topfit sind, dann lügen sie dich an oder nehmen zu viele Drogen. Es gehört einfach dazu, nach Konzerten ausgelaugt zu sein und dir zu denken: ‚Jetzt wär es echt mal Zeit, nach Haus zu kommen‘. Aber sobald du dann Zuhause bist, hast du nach kurzer Zeit wieder Lust, auf Tour zu gehen.

Dürfte man Telekinesis vielleicht auch unterstellen, dass sie zu viel feiern und deshalb so fertig sind?

Michael: Überhaupt nicht, allen Ernstes. Dann würde man ja noch viel fertiger sein. Telekinesis übertreiben es nicht mit dem Feiern. Auch keine der Bands, mit der wir bisher auf Tour waren, hat sich sonderlich dem Gefeiere verschrieben. Aber stell es dir auch mal vor, das ist das schrecklichste Gefühl überhaupt: Dicken Kater haben und dich trotzdem einer achtstündigen Fahrt aussetzen zu müssen. In einem Van, mit vielen Menschen. Und verkatert nervt einen ja sowieso jede Kleinigkeit. Das muss nicht sein. Natürlich hab ich mich auch schon in solche Situationen begeben, jede Nacht zu feiern, aber ich hab daraus schnell meine Leviten gezogen. Natürlich feiern wir an besonderen Abenden auch mal, aber es passiert nicht jede Nacht.

Also ist das ein Rock’n’Roll-Mythos?

Michael: Ich denke schon. Also, wer weiß, für Bands wie Van Halen oder Mötley Crüe mag das zutreffen, aber definitiv nicht in unserem Rahmen. Es ist ja auch so, dass ich auf vieles aufpassen muss. Die Band liegt in meiner Verantwortung.

Vor einigen Wochen habt ihr ja schonmal in Hamburg gespielt, beim Reeperbahnfestival. Wie gefällt dir die Stadt?

Michael: Hamburg ist großartig! Wir haben da drüben im Bunker gespielt, wie heißt der Laden nochmal?

Uebel&Gefährlich.

Michael: ‚Ubl un gefahrlisch‘! Genau!

Es bedeutet „übel und gefährlich“.

Michael: Es ist wirklich gefährlich! Dieser Fahrstuhl da ist die Hölle, durchgedrehter Schuppen. Aber nach dem Konzert sind wir dann noch die Reeperbahn lang gegangen. Und das war das Verrückteste, was mir je passiert ist. Es war nicht so anzüglich, wie ich dachte, dass es wäre, aber es war wahnsinnig interessant. Natürlich ist es dort verrucht. Es gibt diese Sex-Shops und an manchen Ecken stehen Frauen, die dich bezirzen wollen, aber das Gesamtprinzip ist interessant. Diese Straße hat ihre eigene Psychologie. Aber Deutschland gefällt mir im allgemeinen sehr gut. Ich glaub, wenn ich zum jetzigen Zeitpunkt irgendwo in der Welt hinziehen würde, dann wäre es Berlin. Das ist einfach eine großartige Stadt. Unser Label Morr Music hat ja auch seinen Sitz in der Stadt, sodass wir dort viel Zeit verbringen. In der Stadt herrscht einfach ein einzigartiges Lebensgefühl, das mir bisher noch nirgends begegnet ist.

Wie kamen denn eure bisherigen Deutschland-Konzerte im allgemeinen an?

Michael: Wir sind ja mit den Thermals auf Tour und die sind bei euch wirklich ziemlich bekannt. So eröffnet uns das die Möglichkeit, vor einer Menschenmenge zu spielen, die wir selbstständig niemals gewinnen könnten. Bringt eine Menge Spaß. Die Leute machen sogar manchmal schon Crowdsurfing! Und singen den Refrain von „Coast Of Carolina“ mit. Wirklich schön. Sowas passiert nur in Europa, die Amerikaner sind da um einiges verspannter.

Wenn du ein Fazit ziehen müsstet zu eurem Debütalbum „Telekinesis!“ – Denkst du, es war erfolgreich?

Michael: Es war sehr viel erfolgreicher, als ich es erwartet hätte. Ich kann es noch immer nicht ganz glauben, wie gut das bei den Leuten ankommt. Das ist der beste Job der Welt, echt. Und es ist auch toll, zu merken, dass in fast jeder Stadt, in der wir touren, nach den Konzerten Leute zu uns kommen und sagen, dass ihnen das sehr gefällt, was wir machen. Das ist ein tolles Gefühl.

Ich hab mir dieses Jahr schon zwei eurer Konzerte anschaut, einmal beim Immergut Festival und einmal beim Reeperbahnfestival. Und da ist mir aufgefallen, dass du jeweils mit anderen Bandmitgliedern auf der Bühne standest. Wie kommt es dazu?

Michael: Ich hab dieses Album ganz allein aufgenommen. Was für eine blöde Idee eigentlich, wenn man elektronische Musik macht, ist das ja noch nachzuvollziehen, aber ich mache Rockmusik und hab wirklich alles davon selbst eingespielt. Ganz schön bescheuert. Denn irgendwann merkt man, dass man das, was man macht, so live nicht rüberbringen kann. Du brauchst eine Band, die das mit dir durchzieht. Also hab ich ursprünglich Freunde von mir gefragt, ob die Lust hätten, mit mir auf Tour zu gehen. Das lief eine Weile lang gut, aber nicht jeder, mit dem ich da eine Bühne geteilt hab, hat immer Zeit, mit mir rumzureisen. Die Band, die du beim Immergut gesehen hast, sind meine Freunde aus Seattle, mit denen ich das begonnen hab. Aber die konnten die jetzige Tour, die ja echt ganz Europa abrackert, nicht mitmachen. Also hab ich Kollegen von meinem Label aus Seattle gefragt, ob die mit mir Musik machen wollen. Und die hatten Lust und Zeit. Inzwischen sind wir auch alle sehr eng zusammengewachsen und gut befreundet. Ich würde mich auch freuen, wenn es bei einer festen Band bleibt, denn das macht es sehr viel leichter. Auf der anderen Seite ist es natürlich auch spannend, wenn ich das mit verschiedenen Bands an meiner Seite probier, denn das bringt auch eine Veränderung im Sound mit sich. In der jetzigen Besetzung sind wir um einiges radikaler und lauter.

Das Album wurde ja im August bei uns veröffentlicht und war aber schon um einiges früher fertig. Hast du inzwischen schon neue Songs geschrieben, oder fehlt dir auf Tour dafür die Zeit?

Michael: Ich komm da echt überhaupt nicht mehr zu, was mir auch ziemlich peinlich ist. Aber wenn man es genau nimmt, bin ich eben echt seit Februar nur noch am Herumreisen. Es fällt mir derzeit schwer, mich in eine Situation zu bringen, in der ich den Kopf frei habe, um neue Musik zu schreiben. Vor allen Dingen nehme ich die Musik ja alleine auf, da braucht man ein Studio, um das überhaupt alles auszuprobieren. Gitarre, Drums, Gesang und so weiter. Das alles fällt einem nicht beim Reisen unterwegs in den Schoß. Bevor ich das Album veröffentlicht hab, hatte ich viel mehr Raum dafür, mich hinzusetzen und Musik zu machen. Derzeit fehlt mir echt einfach die Ruhe dafür. Aber in ein paar Wochen ist erstmal Pause, da fahr ich auch nach Haus. Vielleicht komm ich dann endlich mal dazu.

Hast du denn schon Pläne, ob du das zweite Album wieder allein aufnehmen willst, oder ob du jetzt eine Band mit ins Boot holst?

Michael: Ich denke, ich muss es wieder allein aufnehmen. Einfach aus dem Grund, dass sich noch keine feste Band gefunden hat, die alles mitmachen kann. Es macht keinen Sinn, ein Album mit einer Band aufzunehmen, die dich dann nicht auf Tour begleiten kann – oder anders herum.

Was hast du eigentlich gemacht, bevor du mit der Musik anfingst?

Michael: Ich hab in Liverpool studiert. Ein Jahr lang hab ich mich da mit Audiorecording auseinandergesetzt. Und als ich dann nach Seattle gezogen bin, hab ich dort in einem Plattenladen gearbeitet. Und das ging echt eine lange Zeit so, ich glaube fast 4 Jahre. Und dann hab ich endlich das Wissen aus meinem Studium umgesetzt und hab in einem Studio gearbeitet. Das war eine interessante Zeit, weil ich da schon mitbekommen hab, wie Bands Musik aufnehmen. Aber es war auch anstrengend. Man kommt um 9 Uhr morgens ins Studio und verlässt selten vor 3 Uhr nachts wieder das Studio, wenn man grad wirklich im Aufnahmeprozess steckt.

Und eine letzte Frage: Warst du jemals in Tokio? Oder, wie der Song es sagt, nur in deinen Träumen?

Michael: Ich war da wirklich noch nie. Die Stadt fasziniert mich wahnsinnig, aber ich kam da noch nicht hin.

Aber wo wurde dann das Musikvideo dafür gedreht? Der Ort sieht Tokio wirklich ziemlich ähnlich.

Michael: Wir haben das Video in Seattle gedreht. Dort gibt es einen riesigen japanischen Markt, der nennt sich ‚Uwajimaya“. Dort haben wir zum einen gedreht und zum anderen im japanischen Garten der Stadt. Aber das ist witzig, dass du mich drauf ansprichst. Denn grad vor einigen Tagen, bei einem Konzert in der Schweiz, kam jemand nach dem Konzert zu mir und war echt begeistert und sagte: ‚Ich bin auf eure Musik gekommen, weil ich auf Youtube nach ‚Tokyo‘ gesucht hab. Super Video, wie gefällt dir denn die Stadt?‘ … Woraufhin ich ihm dann nur antworten konnte, dass ich halt wirklich noch nie da war. Dann meinte er nur noch: ‚Das ist dumm, ich mag eure Band nicht mehr‘ und ging wieder weg. Merkwürdiges Erlebnis.

Vielen Dank für deine Zeit!

Michael: Gern, danke für das Interview.


Fotos vom Konzert nach dem Interview gibt es hier.

1 comments

  1. anna says:

    Was mich jetzt aber interessiert: Wie kann man aus etwas seine Leviten ziehen? Ist das eine norddeutsche Redensart?

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