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Im Gespräch mit The Cribs

The CribsIn ihrer britischen Heimat sind The Cribs längst eine gefestigte Institution. Was als brüderliches Trio in der nord-englischen Provinz begann ist mittlerweile zu einem weltweit präsenten Kollektiv aufgestiegen. Schlagzeuger Ross sowie Sänger und Gitarrist Ryan Jarman sehen ihre Band dennoch keineswegs im Bereich des Mainstream und sprachen mit uns ferner unter anderem über die eklatante Gefahr des „Stage Divings“ und ihr neues viertes Mitglied: Gitarren-Legende Johnny Marr.

Ein herbstlicher Tag im Hamburger Stadteil Alsterdorf neigt sich dem Ende entgegen, Ruhe kehrt jedoch gerade im Bereich der Sporthalle keineswegs ein. In wenigen Stunden werden die Schotten von Franz Ferdinand erneut auf der Bühne stehen, denn momentan tun sie dies bereits, zwecks Soundcheck. Die Vorband sämtlicher Deutschland-Termine ist das Quartett The Cribs, das in England mittlerweile selbst Lokalitäten mit Kapazitäten ähnlich der Alsterdorfer Sporthalle füllt. Ihr bereits drittes Album „Men´s Needs Women´s Needs, Whatever…“ kurbelte ihre Popularität weiter an, nachdem den Brüdern aus Wakefield mit „Hey Scensters“ bereits ein großer Erfolg in der Indie-Szene gelungen war. Das kürzliche erschienene Album „Ignore The Ignorant“ dürfte dem Bekanntheitsgrad der Band weiteren Auftrieb verschaffen, da niemand geringeres als besagter Johnny Marr, ehemals Mitglied bei den legendären The Smiths, das familiäre Trio zu einem Quartett erweitert hat.

Mainstage: Ross, ihr spielt heute erst Euer zweites Konzert in Hamburg. Eure bisher einzige Show war 2007 mit den Kaiser Chiefs im Stadtpark.

Ross: Ja, stimmt. Das ist mittlerweile schon etwas her. Wenn wir nach Deutschland kommen, spielen wir meistens Festivals. Aber wenn wir in Deutschland spielen, genießen wir es sehr. Wir haben ein paar mal in Berlin gespielt. Im Magnet oder so…ich bin nicht gut darin, mich an Club-Namen zu erinnern.

The CribsAber Du erinnerst Dich an den Namen Royal Albert Hall. Ich habe die Show gesehen. Es waren noch nicht viele Leute da, als Ihr gespielt habt, da Ihr als erste Band auf die Bühne musstet.

Das ist auch schon ganz schön lange her. Bevor unser letztes Album raus kam. Es war eine Wohltätigkeitsveranstaltung, also für einen guten Zweck. Außerdem war es interessant für uns dort zu spielen, da wir für gewöhnlich nicht in der Royal Albert Hall auftreten. Es hat Spaß gemacht.

Dort habt Ihr bereits einige Songs von „Men´s Needs,…“ gespielt, allgemein spielt Ihr wenige ältere Songs.

Nein, irgendwie schon verrückt. Wir reaktivieren einige ältere Songs. Wir haben mittlerweile vier Alben gemacht. Bei unseren letzten Headline-Shows haben wir sehr viel variiert, um die Sets auch für uns interessant zu halten. Die Setlists für die Franz Ferdinand-Supports werden alle unterschiedlich sein. Ich denke, wir sind in einer guten Position aus so vielen Songs auswählen und die Stimmung somit jeden Abend unterschiedlich gestalten zu können.

Ist es schwirieg für Euch eine Setlist für einen Support zu konzipieren, da Ihr nur wenig Spielzeit habt?

Ja, da wir so viele Songs haben. Wie gesagt, wir ändern die Setlist jeden Abend, um auch eine gewisse Spannung zu halten.

Du hast vorhin gesagt, dass Du Frankfurt magst. Wie verhält es sich mit Deutschland? Spielt Ihr gerne hier…

…ja, auf jeden Fall…

…oder eher weniger, weil Ihr hier nicht so bekannt wie in England seid?

Nein, überhaupt nicht. Immer wenn wir nach Deutschland kamen, haben wir tolle Shows gespielt. Das deutsche Publikum ist sehr gut, eines der besten überhaupt. Genau wie das irische, das schottische oder das japanische. Die Leute trinken und haben Spaß. Wir können leider nicht so oft hier spielen wie wir gerne würden, da wir mittlerweile in sehr vielen Ländern unterwegs sind. Aber wenn wir hier spielen können, freuen wir uns sehr. Vielleicht können wir demnächst hier auch einige Headline-Shows spielen…

…darauf warten wir!

…hoffentlich klappt es. (grinst)

Mal anders herum. Ist es manchmal auch entspannend eine Art „Underdog“ zu sein, so wie heute?

Ist es. Wenn du deine eigenen Shows spielst, musst du dich um vieles kümmern. Bei Supports hast du nicht wirklich etwas zu verlieren. Dich kennen nicht so viele. Allerdings spiele ich mittlerweile lieber Headline-Shows. Es ist schon ein Kontrast Supports zu spielen.

Vor allem mit Franz Ferdinand. Alex Kapranos hat mal gesagt, dass er Fan Eurer Musik sei. Kam seine Anfrage, Euer letztes Album produzieren zu wollen, sehr überraschend für Euch?

Wir sind lange mit Franz und Death Cab For Cutie durch die großen Arenen in den USA getourt. Irgendwann haben wir abends angefangen, etwas mit Alex zu unternehmen. So kam der Kontakt zu Stande. Und als wir nach einem Producer für unser Album gesucht haben, hat Alex gesagt, dass er das gern machen würde. Also kam er zu uns nach Wakefield und hat uns seine Art zu arbeiten vorgestellt. Wir waren einer Meinung, was die Art der Produktion anbelangte und haben uns gut verstanden. Viele haben ihn dann als Alex von Franz gesehen, wir jedoch haben in erster Linie daran gedacht, ein gutes Album mit ihm machen zu können.

War es wichtig für Euch für diese Aufnahmen England zu verlassen?

Wir haben in Vancouver in Bryan Adams Studio aufgenommen. In England herrschten einfach zu viele negative Einflüsse. Wenn wir in London aufgenommen haben, sind wir jeden Abend ausgegangen. In Amerika passiert das auch in manchen Städten. Wir haben uns also bewusst für eine Stadt entschieden, in der wir niemand kannten. Das Studio war außerdem sehr gut. Trotzdem war natürlich die Option gegeben abends auszugehen. Im Endefekt haben wir dort viele Freunde gefunden und diese Option auch genutzt. Das System hat also nicht ganz gegriffen.

Ihr seid aber immer noch in gewisser Weise stolz darauf, aus Wakefield zu kommen.

Ich denke schon. Obwohl das momentan etwas schwirieg ist. Gary lebt in Portland, Oregon, Ryan lebt in London, Johnny lebt in Manchester. Ich bin der Letzte, der noch in Wakefield lebt. Es ist schon eine verrückte Sache. Aber ich glaube nicht, dass es zwangsläufig stolz ist, sondern eher der Fakt, dass wir unsere Herkunft ehrlich erwähnen wollen. Wakefield ist eine sehr kleine Stadt in Nord-England, in der nicht wirklich etwas passiert. Mit dem was wir tun haben wir es geschafft, dort heraus zu kommen. Trotzdem kommen wir nicht aus London oder sonst wo her, sondern aus Wakefield und das wollen wir die Leute wissen lassen.

The CribsLass uns über eine Zeile von „New Fellas“ sprechen. Dort sagt Ihr „Your precious Leeds is dead“.

Das war Ryans Zeile…

(Ryan kommt herein und setzt sich.)

Ryan: Ich glaube es war Garys Zeile. Das ist eine kulturelle Sache. Wir sind in Wakefield aufgewachsen und haben Leeds immer als Großstadt erachtet, obwohl die Clubs dort einfach schlecht sind. Du musst dafür bezahlen, wenn du dort spielen willst. Es gibt noch ein paar unabhängige Veranstalter, die gute Konzerte im Brudenell Social Club auf die Beine stellen.

Würdet Ihr sagen, dass es eine ähnliche Abneigung zwischen Wakefield und Leeds gibt, wie zwischen Manchester und Liverpool?

Die Menschen aus Wakefield sind schon stolz von dort zu kommen und betrachten die Leute aus Leeds wohl eher als Yuppies. Wir waren nie wirklich in der Szene in Leeds, haben ehrlich gesagt auch nicht so oft dort gespielt und kommen einfach aus Wakefield.

Ich habe den Eindruck, dass einige Eurer Songs speziell auf die nord-englischen Verhältnisse zugeschnitten sind. Stimmt das?

Würde ich nicht sagen. Die meisten Texte basieren auf persönlichen Gedanken. Ich weiß nicht, wie das bei Gary ist. Es kann sein, dass Einflüsse vorhanden sind weil wir einfach von dort kommen, aber eigentlich sind die Gedanken ausschlaggebend. Außerdem mag ich es nicht, wenn ein Text zu offensichtlich ist. Das ist auch schnell peinlich.

Unterstützt Ihr Euch beim Schreiben der Songs gegenseitig?

Literarisch manchmal. „Ignore The Ignorant“ ist so ein Song. Musikalisch kann das helfen, allerdings denke ich, dass, wenn man seine Gedanken aufschreiben will, keinen anderen braucht. Ich möchte lieber nicht dem Einfluss eines anderen ausgesetzt sein, wenn ich Texte schreibe. Dann bin ich lieber für mich allein.

Auf „Ignore The Ignorant“ singst Du weit mehr, als auf den Alben zuvor.

Ach, ich weiß nicht. Eigentlich versuchen Gary und ich das 50/50 aufzuteilen. Kann sein, dass das nicht immer klappt.

Ich habe gelesen, dass Dir nach einem Stage-Dive durch das Publikum sämtliche Kleidung vom Leib gerissen wurde.

Ja. Das ist mir schon öfter passiert. Deswegen springe ich nicht mehr ins Publikum. Desto größer wir wurden, desto mehr Leute haben sich für uns interessiert. Die haben teilwiese großflächige Tattoos von der Band. Ich habe diese Stage-Dives immer als kommunikativen Akt am Ende eines Konzerts zwischen Publikum und Band verstanden, aber leider geht das heute nicht mehr.

Die sind teilweise auf Ryan los gegangen, haben ihm die Kleider vom Leib gerissen und Ryan kam dann blutend in seinen Boxershorts auf die Bühne zurück.

Einige hätten mich fast erwürgt und manchmal habe ich mir auch ernsthafte Verletzungen zugezogen. Eigentlich ganz schön mies. Na ja, wenn uns heute ein Fan nahe sein will, muss er versuchen zu uns auf die Bühne zu kommen.

Zur Basis Eures steigenden Erfolgs. „Men´s Needs,…“ wurde stärker beachtet, als Eure vorherigen Alben.

Stimmt. „Men´s Needs,…“ wurde umfassender im Radio beworben. Größerer Erfolg stellte sich ein. Das ist ok. Allerdings haben wir nie zwangsläufig darauf abgezielt dies zu erreichen. In England ist die Ethik wohl etwas anders. Da sind wir Mainstream, obwohl wir keine vorzeigbare Mainstream-Band sind. Ich habe ohnehin keine gute Meinung vom Mainstream. Was auch immer dort passiert, es hält nicht lange. Wenn du dir klar machst wie deine Songs sind, wie du Musik schreiben möchtest, wie du Musik aufnehmen möchtest, musst du nicht den Pfad eines Trends beschreiten. Ich weis nicht, warum irgendjemand das will. Ich meine, es ist toll, dass wir in England bekannter geworden sind, aber das haben wir nicht unbedingt angestrebt. Wir haben jetzt vier Alben gemacht, wir hatten nie umfassende Radio-Präsenz und mit diesem Album soll sich das alles ändern? Schon komisch.

The CribsIch wollte eigentlich nicht danach fragen, aber nun tue ich es doch. Wie steht Ihr wirklich zu The Pigeon Detectives? Die haben ein Album gemacht und sind damit direkt durch die Decke geschossen.

Das ist ein gutes Beispiel für typische Radio-Bands. Die werden eine Zeit lang oft gespielt und danach schmeißt du sie weg. Das passiert sehr häufig. Deswegen meine ich, dass du eine gewisse Distanz zum Mainstream waren solltest. Ich meine nicht damit, dass du dich komplett zurück ziehen und in deinem Schlafzimmer verkriechen sollst. Ich habe mit den Jungs kein Problem. Ich habe sie öfter getroffen, als sie zu unseren Shows gekommen sind. Allgemein habe ich nichts gegen eine Band im Speziellen und ich wünsche keiner Band Unheil.

Sind es vor allem Eure Texte, die Euch in England bekannt gemacht haben.

Ich habe keine Ahnung. Ich wünschte ich wüsste es. Vielleicht liegt es an unseren Werten die wir vertreten.

Zum Beispiel „The Wrong Way To Be“…

Kann sein, dass unsere Texte nicht einleuchtend genug sind. Wie gesagt, wir versuchen sie nicht zu offensichtlich zu gestalten, weil sie sonst schnell peinlich werden.

Warum?

Einfach weil du einem Song damit jedes Mysterium nimmst. Du lässt keinen Raum für Interpretation. Manchmal sind die Wörter, die du nicht sagst, wichtiger als die, die du sagst.

Sonst wäre es Mainstream?

(überlegt) Ja.

Lasst uns über Eure Band-Gründung sprechen. Es war zu lesen, dass Eure offizielle Gründung auf eine Weihnachtsfeier im Jahr 1989 zurück geht.

Das haben wir angegeben, als wir unseren ersten Presse-Release gemacht haben. Wir haben tatsächlich während einer Neujahrsfeier gespielt, mit einer wirklichen Band-Gründung hatte das allerdings nichts zu tun. Es war nur eine interessante Geschichte.

Das fing alles ernsthaft im Jahr 1999 an, als mein Bruder Gary und ich auf College gegangen sind und im Studio ein paar Songs aufgenommen haben. Kurz daruf sind wir vom College geflogen und haben uns in Wakefield einen Proberaum eingerichtet. Wir wussten, dass wir etwas tun mussten. Wir waren nicht mehr auf dem College und hatten einige Songs. Das war so um 2000.

Haben Euch Eure Eltern unterstützt in dem was Ihr tut?

Als wir als Kinder in unseren Zimmern gespielt haben, haben sie nie gesagt, dass wir ruhiger werden sollen. Heute kommen sie immer noch zu größeren Shows. Ich habe auch eine Zeit lang in der Fabrik meines Vaters gearbeitet, worin ich nicht besonders gut war. Da hat sich heraus gestellt, dass ich etwas künstlerisches würde machen wollen.

Unsere Mutter ist sehr musikalisch. Sie hat in Bands gespielt als wir klein waren und war unser musikalischer Faktor. Ich glaube schon, dass ihr gefällt, dass wir Musik machen.

Ist es wichtig für Eure Musik Brüder zu sein?

Es ist fundamental. Ich meine, jetzt sind wir mit Johnny zu viert. Das heißt, dass du nicht unbedingt eine Familie sein musst. Aber es ist auf jeden Fall ein Fundament.

Ich finde es wichtig. Ich habe auch schon in anderen Bands gespielt, in denen du sehr viele Kompromisse eingehen musstest. Eine Band sollte jedoch einheitlich sein. Du solltest eine einzige Vision haben und verfolgen. Das haben wir.

Das war, was ich fragen wollte. Ihr müsst Euch nicht gegeneinander behaupten.

Nein, das wäre beschissen, müsstest du das tun.

Ich habe gelesen, dass Johnny aufgeregt war, als er erstmalig zu Euch gestoßen ist.

Es stand in einigen Magazinen, dass Johnny unsere Musik mag. Ryan und ich haben ihn das erste Mal bei Glastonbury getroffen. Gary hatte ihn bereits zuvor in Portland bei einem Barbecue getroffen. Wir wurden Freunde und haben angefangen zusammen Musik zu machen.

Wir fanden seine Art zu spielen schon immer gut und uns hat die Musik gefallen, die er in den letzten Jahren gemacht hat. Er hat unsere Band angeregt, weil er ein sehr guter Gitarrist ist.

The CribsJohnny hat Euch also dazu verholfen einen Schritt nach vorne zu machen?

Na ja, ich würde nicht direkt sagen vorwärts. Es ist mehr ein Prozess der Veränderung. Es war einfach aufregend mal etwas Anderes zu machen und ein neues Mitglied zu integrieren.

Ross und Ryan, vielen Dank für dieses Interview!

Nach dem Interview nehmen sich die beiden Brüder noch Zeit für Fotos, um anschließend aus der zweiten Etage der Alsterdorfer Sporthalle in das Erdgeschoss hinab zu steigen, wo der Soundcheck zu absolvieren ist. Am Abend ist die Besonnenheit des Interviews verflogen. The Cribs präsentieren sich gewohnt explosiv und untermauern eindrucksvoll, warum ihnen trotz Abneigung gegen all den Mainstream, größter Erfolg berichtigterweise beschienen sein sollte.

Den Bericht zum Konzert von Franz Ferdinand und The Cribs findet Ihr hier.




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