25 Jahre Open Flair Festival! Dieses große Jubiläum wurde am vergangenen Wochenende gebührend in Eschwege gefeiert. So viele Bands wie noch nie wurden in die nordhessische Kreisstadt eingeladen, darunter waren die Headliner In Extremo, Silbermond, Peter Fox und Deichkind. Bereits vor dem Wochenende war das Festival komplett ausverkauft, zum ersten Mal in der langen Geschichte. Rund 15.000 Besucher aus dem gesamten Bundesgebiet waren jeden Tag vor Ort.
Zum Geburtstag gab es von den Veranstaltern einen vierten Tag und eine vierte Bühne geschenkt. So begann das Open Flair in diesem Jahr zum ersten Mal am Donnerstagabend auf der Seebühne am Werratalsee, an dem der Red Bull Tourbus Halt machte.
Als die Emil Bulls mit ihrer Show begannen, bot die Sonne ein kleines, erstes Highlight des Open Flairs: Einen richtig kitschigen Sonnenuntergang, der sich in seiner gesamten Farbenpracht im Werratalsee spiegelte, während auf der anderen Seite gerade der Vollmond aufging. Von Romantik war vor der Bühne allerdings wenig zu spüren, Mosh- und Circle-Pits und eine Wall of Death hüllten die Luft über den Besucherköpfen in Staub. Die Emil Bulls hatten ihr Publikum fest im Griff, auch wenn sie zuerst skeptisch auf den Bus kletterten. „Wir haben hier oben wenig Bewegungsfreiheit, das müsst ihr da unten für uns wett machen„, meinte Sänger Christoph, der sich später sehr angetan von Bühne, Location und Publikum zeigte.
Zuvor gaben bereits One Fine Day ihr Open Flair Debüt, während die Besucher langsam Richtung Seebühne strömten und die Sonne noch zum im Gras liegen einlud. Aber One Fine Day hatten eine Abkühlung dabei und Marten Pullmer bespritzte die Besucher mit einem Super Soaker. Die Hamburger Band, die gerade ihr erstes Album veröffentlicht hat, bestand ihr Debüt mit Bravur. Bereits im vergangenen Jahr waren Itchy Poopzkid und auch Jennifer Rostock auf dem Open Flair, die auch in dies Mal besonders die Herzen der jüngeren Besucher höher schliegen ließen.
Als man am Freitagnachmittag zum richtigen Festivalstart auf dem Werdchen ankam, war das Gelände noch ziemlich leer. Die sengende Hitze lies die ersten Bands wie Nullbock, Eat the Gun und auch Baddies nur vor wenigem Publikum spielen. Schatten und See wurden hier dem größtenteils aus Asphalt und Schotter bestehendem Platz vorgezogen. Erst als die Kilians um 17 Uhr auf die Freibühne traten, ist die Wiese davor gut gefüllt und Simon den Hartog tanzte gut gelaunt deswegen. Eine Stunde später stand das erste große Highlight auf dem Programm: The Subways gaben sich die Ehre und brachten das Publikum ordentlich zum Tanzen.
Die Euphorie um Friska Viljor kann man nur verstehen, wenn man sie mal live gesehen hat. Die Schweden verbreiteten gute Laune pur und brachten die Menschen vor der Freibühne munter zum Mitsingen, auch wenn diese vorher den Text noch nicht kannten.
Während Taking Back Sunday auf der Hauptbühne, mit neuem Gitarristen und gewohnt waghalsigen Mikrofonschwingereien des Sängers, die letzten Töne spielten, standen Abwärts auf dem Red Bull Tourbus am See. Im Vorfeld des Open Flairs wurde sehr viel über eine Teilnahme des Farin Urlaub Racing Teams gemunkelt, stattdessen war ein anderer Arzt vor Ort: Rodrigo González war als Gitarrist der Punkband Abwärts dabei. Die Publikumszahlen fielen gering aus, verirrten sich nur Ärzte-Fans zum See, die sich allerdings lautstark über „ein drittel Gott“ freuten. Abwärts hatten sichtlich Soundprobleme, von den Texten konnte man so gut wie gar nichts verstehen, den Fans wars egal, sie erfreuten sich an der Band. In Extremo brannten danach wortwörtlich die Bühne ab. Die Fotografen wurden nach dem dritten Lied schnell aus dem Graben getrieben, denn schon kurze Zeit später begannen die Feuerfontainen am Bühnenrand zu speien. Dazu gab es Konfetti-Kanonen und Donnerschläge, dass die umstehenden Häuser wackelten. In Extremo hatten die Masse bestens im Griff, die Texte konnte man auch von weitem vom lauten Mitgröhlen noch bestens verstehen.
Der Samstagnachmittag startete mit den Crossover-Helden der 90er: Dog Eat Dog! John Connor trug ein Hassel the Hoff-Shirt, spielte Songs von „All Boro Kings“ bis zum 2006 erschienen „Walk with me„-Album und spielte während dessen mit dem Publikum Ball. Die Sondaschule gewann im vergangenen Jahr den Nachwuchs-Contest und wurde wegen des großen Erfolgs gleich noch mal eingeladen. Das Publikum zeigte sich mit Schultüten, sehr textsicher und über das Wasser aus dem Schlauch höchst erfreut. Konnte ja auch keiner ahnen, dass es kurz darauf für etwa eineinhalb Stunden wie aus Eimern zu schütten begann. Entweder man suchte sich ein sicheres Plätzchen unter einem Stand oder in einem Zelt oder man gönnte sich eine Runde Schlammhüpfen. Pünktlich zum Auftritt von Clueso war das Gewitter dann wieder vorbei. Dieser hatte seit langer Zeit mal wieder Kollege Norman Bates dabei und präsentierte Hits wie „Chicago“ und „Keinen Zentimeter“ und alte Songs wie „Love the People“ oder „Gute Musik„.
Dem Auftritt von Selig wurde heiß entgegengefiebert, war die Band doch bereits vor ihrer Auflösung im vergangenen Jahrtausend auf dem Open Flair zu Gast, und Veranstalter und Besucher wurden nicht enttäuscht. Die Band um Jan Plewka lieferte eines der besten Konzerte des Festivals und den größten Gänsehaut-Moment: „Ohne Dich“ ist heute noch, rund 15 Jahre nach Veröffentlichung, eines der größten Liebeslieder aller Zeiten. Jan Plewka ließ das Publikum den Refrain singen, die Band setzte aus und man hörte nur tausende Stimmen, die „Ohhhh Ohhh Ohhhhne Dich“ sangen.
Gespickt mit Highlights bot der Samstag nach Selig bereits das nächste: Maximo Park standen auf der Hauptbühne und Sänger Paul Smith rannte von einer Bühnenseite zur nächsten.
Nach einem großen Feuerwerk freut sich Axel Bosse, dass er zu so später Stunde auf der Freibühne spielen durfte. In seinen leider nur 40 Minuten spielte er vor allem Songs aus seinem neuen Album „Taxi„, dazu noch die Lieder „Guten Morgen Spinner“ und „Kraft„. Die Energie von der Bühne schwappte schnell ins Publikum über, die Menge tanzte kräftig mit und Axel hatte die Masse bestens im Griff. Ein sehr, sehr schöner Auftritt!
Silbermond waren der unumstrittene Headliner am Samstagabend. Mit perfektem Sound und einer großartigen Licht- und Bühnenshow bestritt die Band um Stefanie Kloß ihren zweiten Auftritt (nach 2005) auf dem Open Flair. Während dem Publikum stagediven untersagt ist, durfte die Frontfrau ein Bad in der Menge nehmen, dass sie sichtlich genoss.
Das Werdchen zeigte sich am Sonntag besonders rappelvoll. Für diesen Tag wurden sehr viele Tagestickets gekauft, die neongrüne Farbe leuchtete, vielleicht passend für Deichkind, von sehr vielen Armgelenken.
The (International) Noise Conspiracy konnten laut eigenen Angaben an diesem Tag keine 100 Prozent geben, dafür fegten sie aber immer noch gewaltig über die Bühne. Andere Bands, zum Beispiel P:lot, die zuvor eher wie eine Schlaftablette wirkten, sollten sich bei den Schweden mal was abschauen. Zum Schluss des einstündigen Sets ließ es sich Sänger Dennis Lyxzén nicht nehmen, vom Boxenturm zu springen.
Der Auftritt von K.I.Z wurde vor dem Festival bereits heftig im Open Flair Forum diskutiert. Was vor der Freibühne los war, konnte man nur glauben, wenn man es mit eigenen Augen gesehen hatte. Vor allem sehr junge Besucher skandierten mit dem Berliner Quartett aus einer Kehle, „Hurensohn“ war da noch der netteste Ausdruck. Wenn man von den Texten der Band mal absieht, muss man ganz klar sagen, dass K.I.Z eine wahnsinnig unterhaltsame Show geliefert haben. Schon zu Beginn schmiss die Band mit hunderten von K.I.Z-Geldscheinen um sich, worauf noch einige Liter Wasser und auch Federn folgen sollten.
Die meisten Besucher warteten aber auf die zwei großen Headliner des Festivals: Peter Fox und Deichkind. Vor der Hauptbühne war schon lange vorher kein Durchkommen mehr, jeder wollte einen guten Platz ergattern um dem Spektakel beizuwohnen. Als Peter Fox mit seinem Set begann, war das Publikum sofort geschlossen vom ersten Ton an hinter ihm. Mit seiner 16-köpfigen Band spielte Fox alle zwölf Lieder seines Albums „Stadtaffe“ plus einige Remixe und Lieder von Seeed, wie „Aufstehn“ und „Dickes B„. Außerdem durfte auch Miss Platnum, die zusammen mit Vanessa Mason im Background singt, einen Song ihrer neuen Platte vorstellen und spielte danach noch „Come marry me„, ihr Duett mit Peter Fox.
Deichkind verhüllten ihre Bühne mit einem großen Vorhang, um einen größeren Überraschungseffekt zu bieten. Als der Vorhang bei den ersten Tönen fiel, strahlte die Bühne in fluoreszierenden Farben. Und auch hier war das Publikum vom ersten Ton dabei und verwandelte das Werdchen in einen großen Dancefloor. Was auf der Deichkind-Bühne alles passierte hat schon mehr was von Zirkus oder Art-Performance als Konzert. Hüpfburgen, Trampolin, Schlauchboote, lustige Kostüme, Bühnenbild: Jedes Lied wurde anders inzeniert. Hier hatte es aber besonders der Zugabenteil in sich: „Bon Voyage„, „Limit“ und als super-gau „Remmi Demmi„. Schon während der gesamten Show wurde das Publikum mit Wasser bespritzt, zum Schluss wurden dann vom Schlauchboot noch Millionen Federn über den Besuchern ausgeschüttet… Der Platz und die Bühne glichen nach Ende der Show einem Schlachtfeld. Schlamm und Müll ganiert mit Federn, Konfetti, Leuchtstäben. Was eine Sauerei! Was ein Fest! Was ein krönender Abschluss!
Die vierte Bühne in allen Ehren, schöne Idee, noch schönere Location, allerdings braucht man vom Hauptgelände bis zum See rund 15 Minuten zu Fuß; eine Zeit, die einen bereits nach dem ersten Mal ziemlich frustriert. In den vergangenen Jahren war es die Besonderheit des Open Flairs, dass man wirklich alle Bands sehen konnte, in diesem Jahr kam es am Freitag und Samstagabend zu Überschneidungen. Ebenfalls war die Zeit- und Ortwahl manchmal etwas irritierend. Warum müssen die Monsters of Liedermaching im Kleinkunstzelt spielen, in das natürlich nicht alle Fans, die sich die Monsters in den letzten Jahren erspielt haben, passen? Warum muss Olli Schulz mittags um 14 Uhr spielen? Warum darf Bosse als einziger Künstler nur knappe 40 Minuten auftreten, alle anderen Bands dafür aber eine Stunde? Das Ganze ist nur als klitzekleiner Kritikpunkt und eher als Anregung zu sehen, denn im Großen und Ganzen haben sich die Veranstalter mit dem diesjährigen Open Flair Festival selbst übertroffen. Eine sehr gute Organisation, eine vielschichtige Bandauswahl aus großen Namen und Newcommern sowie aus vielen Stilen brachte viele unterschiedliche Menschen zusammen, die friedlich zusammen feierten. Wir sind gespannt, was in den nächsten Open Flair-Jahren auf uns zukommen wird, die Programme der letzten Jahre zu übertreffen sollte sehr schwer werden…