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Miyagi Tourtagebuch Teil V: Hamburg, Berlin, Detmold

berlin-2Die Hälfte der Miyagi-Tour ist bereits vorüber, in der letzten Woche spielte die Band aus Münster zum xten Mal in den vergangenen Monaten in Hamburg und Berlin. Zusätzlich in Detmold. Warum ausgerechnet in Detmold? Wo liegt das überhaupt? Und was verbindet Miyagi mit dieser Stadt? Das und noch einiges mehr lest ihr im fünften Teil des Miyagi-Tourtagebuchs!

X. Hamburg

Liebe Leser,
es geht weiter. Heute am 65. Geburtstag von Wolfgang Joop geht es für uns nach Hamburg. Joop sagte einmal: Man sollte nur auf Leute hören, mit denen man auch ins Bett gehen würde. Da wir dies nicht mit ihm tun würden, ignorieren wir es und hören stattdessen lieber auf andere Leute, mit denen wir ebenfalls nicht ins Bett gehen würden. Womit wir wieder einmal – wie es ja so schön in der von der Mainstage-Redaktion verfassten Einleitung des letzten Tourtagebuchbeitrages hieß – bei den Sorgen und Gedanken einer deutschen Indie-Band wären. Als Indie-Band weißt du nicht eindeutig, auf wen oder was du hören sollst. Eigentlich, so denkt man, müsste man doch im Grunde auf niemanden hören. Man ist ja schließlich so verdammt indie. Aber so ist es nicht. Erstens, weil man das nie behauptet hat, und zweitens, weil es nun mal einfach nicht so ist, aber wenn man es nur oft genug von anderen hört, dann glaubt man es irgendwann auch selbst. Also, wir – wir sind ja sowasvon indie. Mehr indie geht gar nicht. Ob es letztendlich so ist, weiß man aber nicht mehr. Vor allem, wenn man es von vielen verschiedenen Leuten hört. Man ist auf so viele Leute angewiesen und alle haben dir etwas zu sagen. So weiß man dann auch immer erst nachher, ob etwas gut oder schlecht, bzw. richtig oder falsch ist.
Und genau deshalb spielen wir heute auch zum siebten Mal in Hamburg. Super Überleitung! Wobei fünf der sieben Auftritte in den letzten dreizehn Monaten stattfanden. Da fängt das Problem schon an: Wolfgang Joop bringt eine Kollektion im Frühling raus, eine im Sommer, eine im Herbst und eine im Winter. Diese Kollektionen stellt er jeweils einmal im Jahr, vermutlich in Paris oder so, vor. Das macht insgesamt vier Auftritte im Jahr und bei jedem dieser Auftritte gibt es was anderes zu sehen. Wir hingegen bringen eine Kollektion, in unserem Fall unser Album, raus und präsentieren sie dann fünfmal in Hamburg. Irgendwann muss man davon doch übersättigt sein und möchte lieber die neue Winterkollektion sehen anstelle der Herbstkollektion von 2008, oder?
Wir wissen nicht, was uns in Hamburg erwartet. Passt den Leuten noch die Herbstkollektion von 2008? Kommen sie noch mal, um sie sich anzuschauen? Hoffen sie darauf, dass wir vielleicht ein paar Stücke der nächsten Kollektion vorwegnehmen und sie ihnen präsentieren. Oder denken sie, dass es ihnen reicht, bereits viermal die Kollektion gesehen zu haben. Wir wissen es nicht. Aber wir werden es heute herausfinden.
hamburg-1So sitzen wir im einem Renault Traffic, weil die Caravelle in Reparatur ist, kaufen uns an der ersten Tanke ne Kalte Muschi und fahren durch die unzähligen Baustellen der A1 in Richtung Hamburg. In strömendem Regen entladen wir vor Ort unser Equipment, trinken anschließend zur Aufwärmung einen Kaffee, machen uns an den Soundcheck und warten auf den Auftritt. Vor uns spielt eine junge, talentierte und sympathische Band namens Vierkanttretlager, die vor unserem Auftritt aber leider schon wieder abhauen muss, weil sie am nächsten Tag pünktlich zu einer Informatikklausur erscheinen muss. In wenigen Minuten sind sie verschwunden und als wir kurz vor dem Konzert die Setlist schreiben, sind sie vermutlich schon auf der Autobahn. Für uns geht es stattdessen auf die Bühne. Der Konzertraum ist gut gefüllt. Die alte Kollektion aus dem Hause Miyagi scheint die Leute wohl noch immer zu interessieren. Zumindest ist das Publikum ab dem ersten Song am tanzen. Außerdem haben wir unser Set durch einige Songs aus der neuen Kollektion erweitert. Man darf auch nicht vergessen, dass wir in der derzeitigen Konstellation mit dem neuen Gitarristen Björn zum ersten Mal in Hamburg sind. Also bieten wir den Leuten im Grunde doch einiges Neues. Jedenfalls ist das Konzert ein Erfolg – und das, obwohl Mumford & Sons zeitgleich mit uns ein paar Straßen weiter im Molotow auftreten.
hamburg-2-1Mumford & Sons hören wir uns nach dem Konzert in der Künstlerwohnung über Stefans MP3-Player an. Wären wir nicht selbst aufgetreten, wären wir vermutlich auch ins Molotow gegangen. Aber so sitzen wir nun in der Wohnung und unterhalten uns darüber, was wir eigentlich schon erreicht haben. Grundsätzlich haben wir für eine relativ junge Band schon viel erreicht. Viel mehr als viele andere Bands. Wir werden noch in vielen Jahren in vielen Statistiken auftauchen. – Zum Beispiel in den Statistiken von N-Joy-Radio, wo wir es vor einem Jahr sogar geschafft haben, in den Charts auf Platz 2 vor Coldplay zu stehen. In den Jahrescharts von N-Joy-Radio stehen wir mit unserem Lied Whatever 2.0 sogar auf Platz 36 zwischen Rihannas Shut Up And Drive und Lady Gagas Just Dance.
Wir haben es also geschafft. Wir sind in irgendwelchen überflüssigen Statistiken. Was das letztendlich wert ist und wie weit es noch bis zum Walk Of Fame ist, wissen wir nicht, aber wir sind in den Statistiken. Vielleicht für immer. Vielleicht. Aber vorerst heißt es schlafen gehen. Nebenan ist die amerikanische Band, mit der wir uns die Künstlerwohnung teilen müssen, am Poppen. Aber egal. Wir sind in den Statistiken.

XI. Berlin

Heute geht es für uns nach Berlin. In die Hauptstadt. In Berlin erwartet uns die gleiche Befürchtung wie in Hamburg. Es gibt nur zwei wesentliche Unterschiede: Erstens hat heute nicht Wolfgang Joop sondern Calvin Klein Geburtstag und zweitens sind wir in Berlin nicht fünfmal in dreizehn Monaten gewesen, sondern mit dem heutigen Auftritt neunmal in siebzehn Monaten. Allein im Magnet werden wir heute zum vierten Mal auftreten.
berlin-1Hier ist unsere Angst vor einem leeren Haus aufzutreten demnach noch größer. Vielleicht kommen nur die etwa 30 Leute, die unser Management und unsere Booking-Agentur auf die Gästeliste setzt. Alles wichtige Leute. Leute von großen Labels. Leute von großen Festivals. Leute, die andere Leute kennen, die wiederum andere Leute kennen, die irgendwie wichtig sind. Und so weiter. Alle sollen kommen und sehen, wie toll diese Band ist. Aber wir befürchten, dass sie nur sehen werden, wie eine Band vor zwanzig zahlenden Gästen spielt. Dann denken sie sich, dass die Band ja überhaupt keine Zuschauer anzieht, sagen dann, dass es ihnen aber eigentlich gefallen hat, vor allem die Geschichte mit den zwei Schlagzeugen und dass der Sänger und der Bassist so agil und ohne Rücksicht auf Verluste ins Publikum stürmen, und dann war’s das auch schon. Sie gehen wieder nach Hause und am nächsten Arbeitstag machen sie in irgendeiner Liste mit einem schwarzen Edding einen dicken fetten Strich quer über unseren Bandnamen. – So sehen zumindest unsere schlimmsten Befürchtungen aus.
Mal sehen, was uns tatsächlich in Berlin erwartet. Unsere schlimmsten Erwartungen von Hamburg sind ja auch nicht eingetreten. Also, das wird schon… Vor der Abfahrt machen wir noch schnell ein Foto von einem Baum, an dem ein paar Schuhe hängen, dann ein paar Fotos von uns in einem Automaten neben dem Haus 73 und anschließend geht es wieder los zur Autobahn. Auf der Autobahn hat man nie Angst, dass es zu leer sein könnte. Auf der Autobahn ist immer was los. Und auf den Straßen Berlins ist auch jede Menge Verkehr…
berlin-3Im Magnet werden wir freundlich vom Veranstalter empfangen. Die Vorband ist wohl irgendwie abgesprungen, so dass wir haufenweise Zeit haben. Unser häufiger Aufenthalt im Magnet führt jedoch dazu, dass wir gar nicht so viel Zeit für alles brauchen. So kennt uns der Mischer mittlerweile schon ziemlich gut und wir benötigen für den Soundcheck vielleicht gerade mal fünfzehn Minuten. Anschließend bleiben wir noch weiter auf der Bühne, um an neuen Songideen herumzuschrauben und bestehende Songs aufzupolieren. Das klappt alles so gut, dass wir uns für den heutigen Abend vornehmen, die Veränderungen an den Songs auch sofort einzubauen. So werden wir heute Abend zum ersten Mal How To Do It mit einem zweistimmigen Refrain vortragen.
Danach machen wir uns über das Essen des Thailänders her und warten darauf, dass sich der Konzertraum füllt. Und das tut er auch. Obwohl wir davon ausgingen, dass in Berlin weniger Leute als in Hamburg kommen, kommt exakt die gleiche Anzahl zahlender Gäste. Der zweistimmige Gesang funktioniert und alle sind glücklich und zufrieden… Die Tour läuft. Die Hälfte der Tour liegt genau genommen sogar schon hinter uns. Trotz schlimmer Befürchtungen laufen die Konzerte gut. Es ist voll. Die Leute tanzen und singen. Und wir tun es auch. Es geht weiter. Es geht immer weiter… Weiter nach Detmold.

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XII. Detmold

detmold-1Heute ist Detmold an der Reihe. Eine seltsame Reihe ist das: Hamburg, Berlin, Detmold. Manch einer fragt sich vielleicht, was man da will oder wo das überhaupt ist. Was wir da wollen, ist schon mal klar: Wir wollen dort das beste Konzert unserer Tourwoche geben. Wo Detmold liegt, ist eigentlich auch ganz einfach. Detmold liegt in Ostwestfalen, in der Nähe von Bielefeld und ist mit circa 75.000 Einwohnern die Heimatstadt von Felix und mir.
Kurzer Exkurs: Geschichtlich betrachtet ist Detmold eine Stadt mit großer nationaler Bedeutung und in vielen Belangen Vorreiter und Vorbild für viele andere Städte. Im Mittelalter galt die Region um Detmold als Hexennest. 1616 richtete die Thurn und Taxis-Post in Detmold eine Station der kaiserlichen Reitpost zwischen Köln und Hamburg ein. Damit ist die Stadt der älteste Postort im Bezirk der Oberpostdirektion Münster. 1802 wurde in Detmold der erste Kindergarten Deutschlands eröffnet und auch in der etwas neueren Geschichte ging Detmold anderen Städten voran. Wenn auch eher mit negativem Beispiel. Detmold ist die Stadt, in der die Nationalsozialisten erstmals mit allen ihren Spitzenleuten einschließlich Hitler demonstrierten, wie sie sich die Machtergreifung vorstellen und daraufhin auch zuerst in Detmold die Landtagswahlen gewannen. Naja, stolz kann man darauf nicht sein und mit Sicherheit ist auch niemand in Detmold stolz darauf. Aber so ist es nun mal passiert und nun sind wir halt stolz auf unseren ersten Kindergarten.
In Detmold hatten wir unser erstes öffentliches Konzert und nun sind wir wieder hier. Heute treten wir im Kaiserkeller auf. Das ist ein alter Jazz-Club direkt am Bahnhof. Auf der Karte stehen um die fünfzig verschiedenen Whiskeysorten und der Malt des Monats ist dieses Mal der Bunnahabhain für 4,70. Noch viel mehr als über die Getränkekarte freuen wir uns über das Catering. Es ist zwar im Gegensatz zu dem in Berlin auf das Nötigste beschränkt, aber auch hier gibt es kein Chili con Carne. Stattdessen gibt es Nudelauflauf und somit haben wir die erste Tourwoche ohne Chili con Carne. Darauf gibt’s dann erst mal einen Bunnahabhain, Bruichladdich, Cragganmore, Laphroaig oder Dalwhinnie.
detmold-2Letztendlich bleiben wir dann doch bei Bier, Pepsi und Apfelschorle und gehen gegen 22 Uhr relativ nüchtern und mit vollem Magen auf die Bühne. Der Kaiserkeller ist brechend voll. Die Leute gehen ab und wenn wir genügend Songs hätten, könnten wir, den Zugaberufe nach, hier wohl problemlos drei oder vier Stunden am Stück spielen.
Vermutlich soll es so sein, dass man hin und wieder befürchtet, dass es ein wenig bergab gehen könnte, damit man sich bewusst wird, was man überhaupt macht und dann davon überzeugt wird, dass es in der Tat jedoch steil bergauf geht. Frohen Mutes blicken wir nach vorn. – Oder besser gesagt: Frohen Mutes blicken wir gen Süden. Unser nächster Auftritt wird eine weitere Premiere. Es ist unser erster Auslandsauftritt. Wir spielen in der Schweiz. Im schönen Aarau. Zusammen mit der wunderbaren Band Portugal. The Man. Wir sind gespannt. Seid ihr es auch.
Mit besten Empfehlungen, Euer Axel.

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Miyagi Tourtagebuch Teil II
Miyagi Tourtagebuch Teil III
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