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Yeasayer – Fragrant World

Man hätte denken können, dass nach dem 2010er „Odd Blood“ nicht mehr viel möglich ist, was den künstlerischen Output von Yeasayer angeht, doch dann erscheint „Fragrant World“, das dritte Album der Brooklyner, das danach verlangt, das Wort „psychedelisch“ neu zu schrieben, und von dem man einfach nicht loskommt.

Sowohl das 2007er-Debüt „All Hour Cymbals“ als auch das 2010er „Odd Blood“ wurde hoch gelobt und viel gefeiert, und machte die Brooklyner Anand Wilders, Ira Wolf-Tuton und Chris Keatings zu einer der gefeiertesten Indie-Bands aus Übersee. Das kann man so einfach sagen, Songs wie Ambling App“, „Madder Red „ oder „Sunrise“ machen dies als lebendiggewordene Beweise, einfach, doch „Fragrant World“ schert sich darum nicht, kümmert sich ganz einfach nicht um die Messlatte, die seine Vorgänger gesetzt haben, und rennt ganz einfach in die ganz andere Richtung.In eine Welt, in man den Dingen keinen Namen geben muss.

Dennoch liegt es nahe, sie nicht nur als gefeierte Indie-Band zu bezeichnen, sondern sie auch psychedelisch zu nennen, denn so weit „Fragrant World“ auch gerannt ist, seine verfremdten Gitarrenklänge, doppelte Chorgesänge, Synthesizerspielereien und unvorhergesehene Brüche sind dem Sound von Yeasayer noch geblieben. Psychedelische Musik, so beschreibt sie eine der Stimmen Anand Wilder, ist „Musik mit hohem Informationsgehalt, Musik mit Textur und einer Vielzahl kaum von einander zu unterscheidender Klänge.“

Das nehmen Yeasayer offensichtlich ziemlich ernst, denn ihre neue Platte schwirrt in einer Zeitschleife von 1980 bis 2025 umher, scheinbar nicht willens, sich zwischen Funk und R’n’B vergangener Zeiten und dem Elector-Pop des Hier und Jetzt zu entscheiden. Damit sind Yeasayer Freibeuter, die sich nicht um stilistische Grenzen scheren, und ihrer Experimentierfreudigkeit fröhnen.

Anhören kann man das eigentlich allen Tracks der Platte, zumal die Platte selbst ein einziger Track sein könnte. Besonders aber zu spüren ist es in „Blue Paper“. Obwohl der zunächst an Hot Chip erinnert, und man sich vergewissern möchte, die richtige Platte zu hören, entwickelt er schnell sein ganz spezielles Eigenleben, dass dann auch mit dem Hot Chip-Sound nicht mehr viel zu tun hat.

Ein noch eingängigerer Track ist „Henrietta“, der schon lange vor der Veröffentlichung der LP durch die Unendlichkeiten des Internets schwirrte, und neugierig machte. Vermutlich auch, weil der Song von der bereits lang verstorbene Krebspatientin Henrietta Lacks erzählt, der man Zellen entnahm, aus denen man einen Impfstoff gegen Kinderlähmung entwickelte, und über die Sänger Chris ein Buch gelesen hatte, geht er besonders in die Tiefe. Vor dem zweispurigem Dröhnen des Synthesizers singt er „Oh Henrietta, we can live up forever“, und erzeugt damit fast 5 Minuten die psychedelischsten Momente der Platte, in denen man sich einen Moment tatsächlich in einer anderen Welt glaubt.

Dass Yeasayer bei aller Größe dieses Songs aber nicht im geringsten an Stagnation, Einfallslosigkeit und Wiederholung interessiert sind, beweist „Devil And The Deed“, das dann schon wieder eine ganz andere Richtung einschlägt, weitaus heiterer, und vor allem tanzbarer klingt. Genauso wie „Damaged Goods„, das an die Tanzbarkeit eines Hercules and Love Affair-Songs erinnert, und auch „Reagan’s Skeleton“, die neue Single (VÖ 19.10.2012), die die Visions allzu treffend als psychedelische „Halbgottwerdung im Pop“ bezeichnet. Der Track, der die toten Gebeine Reagans besingt, lässt zunächst an düstere Momente glauben, doch stattdessen setzt er sich wie alle anderen Tracks mit ihrer Mischung aus Art-Pop, Electro-Pop, Funk- und sogar R’n’B-Tönen auf eine seltsame, befremdliche Art im Gehörgang fest.

Yeasayer sind wohl einer der beeindruckensten Bands aus Übersee, die mit ihrer wilden, aber bedachten Mischung aus Art-Pop, Electro-Pop, Funk- und sogar R’n’B-Tönen, den nie vorher gehörten Synthesizerfrickeleien und die immer mal miteinander überlagerten, ineinander übergreifenden Chorgesängen, Singstimmen und Gitarrensounds, die alle Aufmerksamkeit von uns abverlangen. Genau das macht „Fragrant World“ so beeindruckend, spannend und außergewöhnlich, dass man in aller Seltsamkeit, die man bei dem ein oder anderen Song empfinden mag, trotzdem nicht davon loskommen kann.

Aus diesem Grund sollte man sich wohl ein Konzert dieser Amis nicht entgehen lassen, denn auch wenn die VÖ schon einige Tage hinter uns liegt, sind Yeasayer trotzdem noch das ein, oder andere Mal zu sehen. Und weil ein immer gleich aussehendes, in Schweiß-, Bierfützen und Diskokugellichter getauchtes Konzert so gar nicht zu Yeasayer passt, warten die Jungs aus Brooklyn mit einer spektakulären Lichtshow auf, die – an den Synthesizer von Sänger Chris gekoppelt – nicht nur jedes Konzert, sondern eigentlich jeden Song zu einem besonderen Erlebnis machen.

6. Dezember 2012: Köln, Luxor
13. Dezember 2012: Berlin, C-Club

 


VÖ: „Fragrant World“ erschien bereits am 17.08.2012 via MUTE/GoodToGo.

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