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Miyagi Tourtagebuch Teil VI: Aarau, Freiburg, München

munchen-2In den Süden der Republik sowie zum ersten Mal in die Schweiz führte der nächste Abschnitt der Tour die Jungs von Miyagi. Zusammen mit Portugal. The Man spielten die Münsteraner in Aarau, weiter ging es für die Band nach Freiburg und München. Was Miyagi alles erlebten schreibt Axel im nächsten Teil des Tourtagebuchs!

XIII. Aarau (CH)

Um kurz nach sechs klingelt der Wecker zum ersten Mal. Fünf Minuten darauf erneut und dann ein weiteres Mal und ein weiteres Mal, bis ich es nach dem dritten Betätigen der Snooze-Taste endlich schaffe unter der Bettdecke hervor und unter die Dusche zu kriechen. So früh wie heute ging es während der gesamten Tour noch nie los. Aber heute muss das sein. Heute haben wir einen weiten Weg vor uns. Wir fahren in die Schweiz. Genauer gesagt fahren wir in die ehemalige und zugleich erste Hauptstadt der Helvetischen Republik – nach Aarau. – Jene Stadt, in der Albert Einstein die Matura erwarb.
aarau-1Also, auf geht’s in die Schweiz! Wir freuen uns auf Schweizer Käse, Schweizer Schokolade und alles andere, wofür die Schweiz noch so bekannt ist: Fondue, Raclette, Ricola, Toblerone, Ovomaltine, Rösti, Müesli, Rüebli und viele andere Läckerli. Aber bevor wir die Schweiz genießen dürfen, müssen wir erst einmal über die Grenze. Die Schweiz wendet zwar das Schengener Abkommen an, aber da sie nicht zur EU gehört, wird dort trotzdem verstärkt auf die Meldepflicht beim Zoll geachtet oder so ähnlich, und hinter dem Zoll gibt es zu allem Überfluss auch noch eine Autobahnmaut, für die wir vermutlich auch noch latzen dürfen, wenn wir nicht ausschließlich über mautfreie Straßen fahren wollen. Bei unserer Abfahrt in Münster merken wir jedoch, dass irgendein Vormieter des Wagens dieses Jahr wohl bereits in der Schweiz gewesen ist und wir uns daher die knapp 30 Euro teure Vignette sparen können. Dieser lilafarbige Aufkleber pappt bereits gut sichtbar an der Windschutzscheibe des Bullis. Auch um die Verzollung unser Merchartikel kommen wir an der Grenze herum. Wir wirken wohl unverdächtig in unser roten frisch reparierten Caravelle und fahren unauffällig an den Zollbeamten vorbei in das sympathische Steuerparadies. Da kann’s ja losgehen!
Fünfzehn Minuten vor der geplanten Ankunftszeit oder dem Get-In, wie es im Fachjargon heißt, erreichen wir das heutige Venue, ebenfalls Fachjargon. Die pünktlichen Deutschen schießt es uns quasi gleichzeitig durch die Köpfe. Aber egal. Oder wie der Schweizer sagen würde: D’r schnäller isch d’r gschwinder. Überpünktlich stehen wir also vor dem KiFF, einer ehemaligen Tierfutterfabrik, und warten daraufhin drinnen auf die heutige Hauptband: Portugal. The Man.
aarau-2 Sie haben etwa zwei drei Stunden Verspätung, aber das macht nichts. Im KiFF sind alle total entspannt und überbrücken die Zeit mit schwitzerdutschem Smalltalk und dem hauseigenen Dinkelbier namens KGB. Dann kommt endlich die Band. Also, zuerst betritt der Manager den Raum und das Erste, was wir von ihm hören, ist die Bitte, nicht im Backstageraum zu smoken, because the singer is a little bit sick. Dann kommt der Sänger persönlich into the room. Wir sparen es uns, ihn darauf aufmerksam zu machen, dass er sich nicht wundern muss, dass er a little bit sick ist, wenn er nur thin Leathershoes und nicht mal Socks trägt. Naja, wir sind ja nicht seine Mother und da Portugal. The Man ursprünglich from Alaska kommen, sollte man auch annehmen, dass sie wissen, wie man sich bei Kälte angemessen kleidet. Genaugenommen kommen sie aus der nicht einmal 7.000 Einwohner zählenden Stadt Wasilla, in der von 1996 bis 2002 die ehemalige Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin Bürgermeisterin war.
Aber Sarah Palin und die Kälte sind nicht unser Problem. Vielmehr ist es unser Problem, dass es in der Schweiz eine Lautstärkebegrenzung gibt und wenn diese nicht eingehalten wird, kann es ganz schnell zu einer saftigen Geldstrafe kommen. Deshalb wird penibel darauf geachtet, dass wir nicht zu laut sind, um ja nicht die Strafe in Höhe von 4.000 Franken zahlen zu müssen. Umgerechnet sind das etwa 2.700 Euro. Ohnehin sind wir die ganze Zeit am umrechnen. Vor allem, als es darum geht, unseren Merchstand zu beschriften. Die CD-Preise runden wir ein wenig auf und die T-Shirt-Preise ein wenig ab. Wir haben schließlich kein Schweizer Wechselgeld. Also ausschließlich runde Preise: CDs 20 Franken, T-Shirts 15 Franken. Das entspricht auch in etwa den Eurowerten.
Nach dem Soundcheck erhalten wir das beste Essen der gesamten Tour: Hähnchenkeulen, Salat, Möhren, die hier Rüebli heißen, und Kartoffeln, die hier Ärdöpfel oder Hördöpfel heißen – so genau scheinen die Schweizer das selbst nicht zu wissen. Portugal. The Man bekommen, weil heute Thanksgiving ist, sogar Truthahn und Pumpkin Pie. Das nenn‘ ich mal vorbildlichen Service.
Dann geht’s auf die Bühne. Zum ersten Mal während dieser Tour sind wir Vorband. Es ist also mal wieder ein völlig anderes Erlebnis. Die Zuschauer kommen nicht unseretwegen, sondern wegen einer anderen Band. Dennoch schaffen wir es, die circa 500 Zuschauer von uns zu überzeugen, sie zum Tanzen zu bringen und einige von ihnen anschließend sogar zum Merchstand zu treiben, um uns ihre Franken in die Hand zu drücken. Viel erfolgreicher kann der erste Auslandsaufenthalt für eine Band kaum ausfallen. Das kann sich sehen lassen. An der Stelle, wo wir uns letzte Woche noch darüber gefreut haben, irgendwo in irgendwelchen Statistiken irgendeines Radiosenders aufzutauchen, blicken wir jetzt ganz anders auf uns. Ab dem heutigen Tage sind wir nicht mehr bloß irgendeine deutsche Indieband. Nein. Mit dem heutigen Tag steigen wir auf in die Liga der internationalen Bands. Wir sind eine internationale Band – zumindest in der Schweiz.

XIV. Freiburg im Breisgau

Mit dem Wissen, eine internationale Band zu sein, lassen wir es uns nicht nehmen, am nächsten Tag noch ein wenig im wunderschönen Alpenvorland zu bleiben. Gerne würden wir noch im KiFF bleiben, wo heute Julian Marley auftritt. Dennoch verlassen wir Aarau gegen Mittag. Bis nach Freiburg ist es nicht sehr weit. Somit haben wir alle Zeit der Welt, räumen in aller Ruhe unseren Wagen ein und fahren, dank des guten Wetters, mit Blick auf die Alpen nach Basel, in die drittgrößte Stadt der Schweiz. Die Stadt, die circa 100.000 Einwohner weniger hat als unsere Heimatstadt Münster, leitet uns dank des Parkleitsystems ins City-Parkhaus. Dort ausgestiegen, den erstbesten Fahrstuhl raus aus dem Untergrund betätigt und die erste Kippe angesteckt, stellen wir fest, in den Innenhofgrünflächen des Universitätsspitals gelandet zu sein. Um uns herum nur weiße Kittel.
basel-1Nichtsdestotrotz wird aufgeraucht und der Weg hinaus aus dem Park und hinein in die Innenstadt gesucht. Vorbei am gemütlich aussehenden Schweizer Häusern und Veloständern, eine Treppe hinab zur Straßenbahnhaltestelle mit samt dahinterliegenden Marktständen, wo es leckeren Chäschüechli gibt, stehen wir schließlich vorm Rathaus, in dem die Vorbereitungen für die nächste Volksabstimmung über den Bau von weiteren Minaretten in vollem Gange ist. Nach der Besichtigung des Rathauses geht es für unsere internationale Band weiter in die Innenstadt, wo wir in einem Klamotten- und Musikgeschäft, auf die Blues Brothers treffen.
Nun folgt ein interessanter, gut zweistündiger Rundgang durch die Stadt – bevor es zurück in den Universitätsspitalspark, zurück ins Parkhaus, zurück zur Autobahn und zurück nach Deutschland geht. Beim erneuten Überqueren der Grenze gibt es zum wiederholten Male keine Probleme mit dem Zoll und im Handumdrehen – in einer knappen Stunde – sind wir in der Geburtsstadt von Persönlichkeiten wie Schauspieler Til Schweiger, Politiker Wolfgang Schäuble, Moderator Franklin, Schriftsteller Benjamin Lebert und der deutschen Synchronstimme von Marcy D’Arcy Angelika Bender. Wir sind in Freiburg, in der südlichsten Großstadt Deutschlands. In der Stadt, die einen in Australien geborenen grünen Bürgermeister vorweisen kann, treten wir heute im Mensabar Live Club auf.
basel-2Mensabar Live Club klingt nach Uni und riecht nach einem Catering, dass einen höchstens eine Stunde satt hält. An der Mensa angekommen, ist noch kein Verantwortlicher vor Ort. Im oberen Stockwerk wird gerade die Bühne für das morgige Event aufgebaut. Genauer gesagt für die Mediengruppe Telekommander und unseren Münsteraner Kollegen Dr. Ring Ding. Währenddessen schauen wir uns ein wenig die Freiburger Innenstadt mit dem bekannten Freiburger Bächle an, das mit einer Gesamtlänge von über 15 Kilometer durch nahezu alle Straßen und Gassen der Altstadt fließt. Auch das Freiburger Bermudadreieck, bekannt durch die Debatte über öffentlichen Konsum von Alkohol, bekommen wir zu Gesicht. Dann geht es wieder zurück zur Mensa. Der Soundcheck wartet auf uns.
Nach einem erfolgreichen Soundcheck gibt es tatsächlich Essen aus der Mensa, das nach einer Stunde im Magen wie in einem schwarzen Loch verpufft und eine Leere zurücklässt. Anschließend heißt es warten. Vor uns spielen noch zwei weitere Bands. Zunächst eine von britischem Indie-Rock geprägte Band namens Crime Killing Joker Man aus Freiburg und dann die Band Hirsch Effekt aus Hannover. Der Hirsch-Effekt beschreibt übrigens die Durchlässigkeit der Schleimhaut des Dünndarms für großkorpuskuläre Partikel in die Nierenkörperchen und die anschließende Ausscheidung mit dem Harn. Noch Fragen?
Wir schauen uns die Bands an und sind vor allem von letzterer sehr angetan. Währenddessen findet im Audimax eine Konkurrenzveranstaltung statt: ZDF-Nachrichten-Moderator Dr. Claus Kleber spricht im besetzten Hörsaal über Krieg und Medien in den USA. Wir kriegen von all dem nichts mit und gehen auf die Bühne. Abgesehen von einer fünfminütigen Konzertpause, weil das Mikro an der Snare sich ständig verdreht, läuft das Konzert mehr als nach Plan. Nachdem all unsere Zugaben gespielt sind, performen wir auf Zuruf des Publikums eine Reggae-Version unseres Liedes Bad Penny. Super ist das nicht, aber den Leuten scheint es zu gefallen. Morgen werden wir uns aber dann wohl doch auf unser eingespieltes Programm verlassen. Morgen geht’s schließlich in die Bayrische Landeshauptstadt nach München.

XV. München

munchen-1Im Gegensatz zu Aarau und Freiburg, wo wir jeweils zum ersten Mal aufgetreten sind, spielen wir heute in München zum dritten Mal. Bisher sind wir jedoch immer von Münster aus nach München gefahren, so dass wir heute auf dem Weg von Freiburg nach München neue Autobahnen kennenlernen werden. Als Band verbringt man die meiste Zeit ja ohnehin auf der Autobahn und man verbindet so eine Art Hassliebe zur Straße. Man kennt alle Ausfahrten und alle Rastplätze auswendig und hofft jedes Mal innerlich, dass die Baustellen vom letzten Mal nicht mehr da sind, um dann festzustellen, dass man die Baustellen lediglich um ein paar Kilometer verschoben hat.
So erfreut es uns auch, dass uns das Navi rät, das erste Stück der Strecke lediglich über Landstraßen zu fahren. Wir fahren einmal quer durch den Schwarzwald. Es ist ein ständiges Auf-und-ab. Vorbei an kahlen Felsen und üppigen Wiesen. Zur Rechten erscheinen wieder die Alpen und zur Linken lässt sich im Tal die Schwarzwaldklinik erahnen. Währenddessen bereitet sich Daniel auf seine anstehende Prüfung zum Bachelor of Media Consuming Bild und Ton vor. Als schließlich beim Blick in den Rückspiegel so langsam die Sonne hinter den Hügeln zu verschwinden beginnt, erreichen wir das Backstage in München und werden dort freundlich empfangen.
Heute sind wir zur Abwechslung mal wieder ein bisschen zu spät am Venue. Aber das macht nichts. Man wartete geduldig auf uns und ist bestens vorbereitet. So gehen das Ausladen und der darauffolgende Soundcheck relativ schnell. Daraufhin ziehen wir uns, wie es sich für eine internationale Band gehört, zurück in den Backstageraum und warten bei Kaffee und Lebkuchen auf den Auftritt. Morgen ist ja schließlich der erste Advent. Da kann man das schon mal machen. Aber auch abgesehen vom Lebkuchen ist bestens für uns gesorgt. Unser Catering-Rider wurde penibel bis ins letzte Detail umgesetzt. Fein säuberlich stehen fünf Red Bull-Dosen mit der Aufschrift nach vorne zeigend im oberen Fach des Kühlschrankes und auch sonst fehlt es an nichts.
Durch die gründliche Einhaltung unserer Vorgaben bemerken wir erst jetzt, dass wir keine Cola, keine Fanta und abgesehen von Wasser, Saft und Milch auch sonst keine anderen kalten alkoholfreien Getränke auf dem Rider stehen haben. Vorher ist es uns nie aufgefallen, weil die meisten Veranstalter mehr oder weniger aus ihrer Erfahrung heraus immer das Gleiche in den Kühlschrank stellen. Aber hier in München ist das anders: Wenn etwas von der Band gefordert wird, dann steht es auch im Backstageraum zur Verfügung und wenn etwas nicht ausdrücklich verlangt wird, dann ist es eben auch nicht vorhanden.
munchen-3So ist es richtig. Wir machen schließlich auch genau das, was im Gastspielvertrag niedergeschrieben steht. Einer der Punkte, die wir einzuhalten haben, ist der Auftritt. Und das machen wir dann auch. Wir sind aber nicht die Einzigen, die zu der Zeit in München auftreten. Zum einen findet im Feierwerk das Audiolith-Festival statt, bei dem unsere Kollegen von Frittenbude gemeinsam mit Egotronic, Juri Gagarin, Bratze und Co. nacheinander die Bühne stürmen. Zum anderen ist am heutigen Abend auch noch das On3-Festival, auf dem jede Menge Indie-Newcomer ihr Bestes geben, unter anderem eine junge Hamburger Band namens Kettcar, die dort als Headliner verpflichtet wurde. Als Überraschungsgast gibt es direkt vor dieser Band auch noch einen gewissen Peter D. zu sehen, den die Kettcar-Anhänger aber wohl nicht sehen wollen und ausbuhen. Dann stimmt er auch die erste Strophe des Deutschlandliedes an, was dort auch nicht so gut ankommt, so dass er nach wenigen Songs dann doch die Bühne für Kettcar räumen muss. Dem Peter kann es aber wohl egal sein. Schließlich tritt er morgen noch mal im Backstage auf, genau dort, wo wir heute sind.
munchen-4Bei uns läuft das ganze Spektakel heute jedenfalls ein wenig überschaubarer ab. Wir gehen auf die Bühne, spielen ein super Set, das den Zuschauern gefällt, hauen noch ein paar Zugaben raus, verkaufen soviel Merch, wie schon lange nicht mehr, schreiben unzählige Autogramme auf CDs und Tourplakate, fallen irgendwann nach kurzem Abhotten auf dem Metalfloor in die Betten der Künstlerwohnung, die eigentlich nur ein zweistöckiger Wohncontainer ist und sich unmittelbar auf dem Gelände befindet, und lassen uns vom dröhnenden Bass des Elektrofloors in den Schlaf wiegen, bis wir am nächsten Morgen von der Metalmusik des extra für uns bestellten Kochs geweckt werden. Er bereitet uns leckeres Rührei zu und erzählt uns anschließend bei Kippe und Kaffee von seinem 14-jährigen Sohn, der ohne Problem Sachen von Dragonforce und Co. auf der Gitarre zocken kann. Besten Dank für die nette Unterhaltung und das super Frühstück. Wir verabschieden uns und machen uns auf den Heimweg, um zuhause festzustellen, dass irgendwer zwei Radkappen an meinem Auto geklaut hat. Was soll’s!? Es fährt auch ohne. Und wenn es mal nicht mehr fahren sollte, dann mach ich’s wie Stefan und fahre Mofa.
Nach den ereignisreichen Konzerten im Süden erwartet uns nächste Woche der hohe Norden. Es geht nach Kiel. Bis dahin… Euer Axel

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